OLG Frankfurt
Beschluss
vom 28.09.2023
11 Verg 2/23
1. Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Der Auftraggeber hat die Eignung anhand von bekanntgemachten Eignungskriterien zu prüfen.
2. Die im Vorhinein bekanntgemachten Eignungskriterien sind der Maßstab für die Eignungsprüfung. Kern der Eignungsprüfung ist die Feststellung, ob die bekanntgemachten Eignungskriterien erfüllt wurden.
3. In Bezug auf die technische und berufliche Eignung aufgestellte Regelungen müssen hinreichend transparent sein (hier verneint). Der Auftraggeber verletzt die Bestimmungen über das Vergabeverfahren, wenn er die Referenzen eines Bieters aufgrund einer intransparenten Bestimmung in den Ausschreibungskriterien als ausreichenden Eignungsnachweis akzeptiert.
4. Das Verständnis eines durchschnittlich erfahrenen Bieters von Referenzanforderungen basiert auf der Annahme, dass sich die Vergabestelle vergaberechtskonform verhält. Die Bieter dürfen die Vergabeunterlagen im Zweifel so verstehen, dass sie vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen.
vorhergehend:
OLG Frankfurt, 22.06.2023 - 11 Verg 2/23
VK Hessen, 15.05.2023 - 96e 01.02/14-2023
Tenor
Der Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 15. Mai 2023, Az: 96e 01.02/14-2023 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Ausschreibung in das Stadium vor Veröffentlichung der Bekanntmachung zurückzuversetzen und - bei fortbestehender Vergabeabsicht - das Verfahren ab diesem Zeitpunkt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.
Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.
Dem Antragsgegner werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.
Die Beigeladene hat die ihr entstandenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 160.440 Euro
Gründe
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom 3. Februar 2023 hat der Antragsgegner die Übernahme und Verwertung von Bioabfällen aus dem Kreis1 mit den Abfallschlüsselnummern 20 02 01 (Abfallbezeichnung: biologisch abbaubare Abfälle) und 20 03 01 (Abfallbezeichnung: gemischte Siedlungsabfälle; hier: getrennt erfasste Bioabfälle, Biotonne aus Haushaltungen, im Folgenden: Bio-Abfälle) im Umfang von ca. 9000 Mg pro Jahr im offenen Verfahren ausgeschrieben.
In der Auftragsbekanntmachung sind keine eigenständigen Eignungskriterien aufgestellt und bekannt gemacht. Die Eignungsprüfung soll ausweislich der Ausschreibung ausschließlich anhand der geforderten Referenzen erfolgen.
Hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit heißt es unter Ziffer III.1.3) - Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien - der Bekanntmachung:
"Es sind zwei unternehmensbezogene Referenzen über vergleichbare, für kommunale Auftraggeber erbrachte Leistungen an entsprechender Stelle in der EEE (siehe jeweils den nachfolgenden Hinweis in den eckigen Klammern) anzugeben:
- Auftraggeber (Firma) [Empfänger]
- Zuständige Abteilung/Bereich [Empfänger]
- Umfang der erbrachten Leistung [Betrag in EUR]
- Ausführungszeitraum [Anfangsdatum; Enddatum]
- Kurze Beschreibung der erbrachten Leistung [Beschreibung]
- Die Referenzen müssen jeweils mindestens folgende Kriterien erfüllen, dazu hat der Bieter für jede Referenz den Leistungszeitraum und den Umfang (Tonnage) im Feld "Beschreibung" mit anzugeben:
- Die erbrachten Leistungen müssen in Bezug auf die Leistungsgegenstände Tonnage ein ähnliches Volumen (mindestens jedoch 50 % der Tonnage) aufweisen,
- über mindestens drei Jahre erbracht worden sein und
- aus den letzten fünf Jahren stammen.
Einzelne Referenzen können in Summe betrachtet werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren eine zeitliche Überlappung von mindestens drei Jahren haben und in der Summe mindestens 50 % der ausgeschriebenen Tonnage erreichen, sofern die Mindestkriterien nicht von einer einzigen Referenz erfüllt werden.
- Sofern Sie noch nicht oder nicht über hinreichende Referenzen im Bereich abfallwirtschaftlicher Leistungen verfügen, können Sie weitere Angaben machen, warum Sie sich/Ihr Unternehmen für ausreichend fachkundig und leistungsfähig für die Erbringung der abgefragten Leistungen halten. Bitte schildern Sie dies ausführlich, da Sie mit Ihren Angaben Ihre Fachkunde nachweisen müssen. Sie können daher auch als Anlage weitere geeignete Unterlagen, Bescheinigungen etc. einreichen. In jedem Fall müssen dann aber die für die Durchführung des Auftrages verantwortlichen Personen über persönliche Referenzen verfügen, die die Referenzen des Bieters zu ergänzen oder zu ersetzen geeignet sind [...]".
Vertragsbeginn ist der 1. Januar 2024, Vertragsende der 31. Dezember 2026. Eine zweimalige Verlängerung um jeweils ein Jahr durch den Auftraggeber ist vorgesehen. Ausweislich der Vergabeunterlagen - Block A - wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dies ist jenes mit dem niedrigsten Angebotspreis, wie er sich aus den Eintragungen des Bieters im Preisblatt ergibt.
In dem in Block B der Vergabeunterlagen enthaltenen Vertrag wird der Leistungsgegenstand des Auftragnehmers wiederholt und näher konkretisiert (§ 4 Abs. 2.2 des Vertrags). Auf die Begriffsdefinitionen zum Vertragsgegenstand "Bioabfall", der "Verwertung" und des "Nachtransports bzw. Transports" in § 4 Abs. 1 des Vertrags wird ebenfalls verwiesen. § 4 Abs. 2.3 des Vertrages bestimmt die Anforderungen an Fahrzeuge, Maschinen und Anlagen. In Bezug auf die Verwertung der Bioabfälle heißt es dort im 3. Absatz:
"... Der AG überlässt dem AN die Auswahl der Anlagentechnik bzw. die Auswahl des technischen Verfahrens zur Verwertung der Bioabfälle (technikoffenes Verfahren). Ausgeschlossen ist jedoch eine offene Mietenkompostierung. Dies bedeutet, dass der Intensivrotteprozess eingehaust erfolgen muss..."
In § 4 Abs. 3 des Vertrags wird der Leistungsgegenstand der Übernahme und Verwertung der Bioabfälle nochmals weiter festgelegt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.
Die Antragstellerin, die Bestandsauftragnehmerin ist, die Firma ### GmbH sowie andere Unternehmen haben sich an der Ausschreibung beteiligt. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 3. April 2023 darüber informiert, dass er beabsichtigt, den Zuschlag frühestens am 14. April 2023 dem Angebot der Fa. ### GmbH (im Folgenden: Beigeladene) zu erteilen.
Nach erfolgloser Rüge hat die Antragstellerin das hiesige Nachprüfungsverfahren eingeleitet, mit dem sie das Ziel verfolgt, den Antragsgegner zu verpflichten, die eingegangenen Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten. Sie hat dazu vorgetragen, das Angebot der Beigeladenen müsse zwingend gemäß § 57 Abs. 1, 1. HS VgV ausgeschlossen werden, weil diese ihre technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht durch Vorlage geeigneter Referenzen nachgewiesen habe.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 15. Mai 2023, auf dessen tatsächliche Feststellungen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die 2. Vergabekammer des Landes Hessen den Nachprüfungsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Aus den in der Ausschreibung geforderten Referenzen ließen sich Rückschlüsse auf die gestellten Eignungskriterien ziehen. Daher müsse geprüft werden, welche konkludent verlangten Eignungskriterien mit den Referenzforderungen verbunden seien. Dazu müsse die Ausschreibung aus Sicht eines durchschnittlich erfahrenen Bieters beurteilt werden.
Bei dieser Sichtweise sei die Übernahme der gesammelten Bio-Abfälle an der Übernahmestelle sowie der Transport dieser Bio-Abfälle bis zu einer vom Bieter selbst gewählten Verwertungsanlage Hauptgegenstand (wesentliche Dienstleistung) des Auftrags. Die Beigeladene habe insoweit geeignete Referenzen vorgelegt, nämlich den Nachweis, dass sie in den geforderten Zeiträumen und mit dem geforderten Volumen für unterschiedliche Auftraggeber sog. Grünschnitt entsorgt habe.
Die Beigeladene beabsichtige im Übrigen, die Bio-Abfälle durch einen geeigneten Unterauftragnehmer zu verwerten. Dieser habe die beiden hier ausgeschriebenen Abfallschlüssel in seinem Genehmigungsbestand und habe eine Eigenerklärung vorgelegt, in dem bestätigt werde, dass er Eigentümer einer entsprechenden Verwertungsanlage sei und dass der Beigeladenen diese Anlage im Vertragszeitraum für die vorgesehene Abfallmenge zur Verfügung stehe. Selbst wenn man annehme, dass sich die geforderten Referenzen auch auf die Verwertung des Bio-Abfalls beziehen müssten, so könne von einer konkludenten Eignungsleihe i.S. von § 47 VgV ausgegangen werden, was zur Folge habe, dass die Beigeladene nicht ausgeschlossen werden dürfe.
Der Beschluss der Vergabekammer ist der Antragstellerin am 25. Mai 2023 zugestellt worden. Mit dem am 9. Juni 2023, dem Tag nach Fronleichnam, beim Senat eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde dagegen eingelegt.
Die Antragstellerin trägt vor, die Beigeladene müsse schon deshalb mit ihrem Angebot ausgeschlossen werden, weil die von ihr vorgelegten drei Referenzen die vorgeschriebene Mindesttonnage nicht erfüllen würden. Der Antragsgegner habe in der Ausschreibung vorgegeben, dass die Bieter zwei Referenzen für vergleichbare Dienstleistungen vorlegen müssten, die jeweils mindestens 50 % der streitgegenständlichen Tonnage, also jeweils 4.500 Mg/a umfassen müssten. Ein verständiger Bieter entnehme dem weiteren Text der Ausschreibung, dass die beiden geforderten Referenzen jeweils durch einzelne Referenzen ersetzt werden könnten, die den gestellten Anforderungen entsprechen, was aber an der nachzuweisenden Mindesttonnage im Umfang von insgesamt 9.000 Mg/a nichts ändere. Die Beigeladene habe einen solchen Nachweis nicht erbringen können.
Neben dem Transport des Bio-Abfalls von der Übergabestelle bis zur Verwertungsanlage stelle im Übrigen auch die Verwertung selbst eine Kernleistung des Auftrags dar. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Auftragsbekanntmachung und ferner aus einer Zusammenschau der Vergabeunterlagen (Block A) und des ebenfalls auf der Vergabeplattform zum Download bereitgestellten Vertrags (Block B). Dementsprechend habe die Beigeladene auch Referenzen in Bezug auf die Kernleistung "Verwertung des Bio-Abfalls" vorlegen müssen. Dies sei allerdings ausweislich der ihr vom Auftraggeber auf ihre Rüge bekannt gemachten Informationen weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht der Fall. Hinreichende Eigenreferenzen lägen daher nicht vor.
Die Beigeladene habe zwar eine Nachunternehmerin benannt, die sie für die Verwertung des Abfalls einsetzen wolle. Daraus habe die Vergabekammer aber keine Eignungsleihe ableiten dürfen und es sei mit Rücksicht auf das Transparenzgebot im Vergabeverfahren auch nicht zulässig, dass die Beigeladene nachträglich eine Eignungsleihe vornehme, in dem sie sich auf Referenzen ihres unterbeauftragten Unternehmens berufe.
Die Antragstellerin beantragt,
1. Den Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 15. Mai 2023, Aktenzeichen: 96e 01.02/14-2023, aufzuheben.
2. Den Antragsgegner zu verpflichten, die Wertung der eingegangenen Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.
3. Dem Antragsgegner aufzugeben, der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren.
4. Dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Antragstellerin in beiden Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.
Hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit der Anträge zu den Z. 1 und 2:
Den Beschluss der Vergabekammer dahin abzuändern, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den Antragsgegner nicht notwendig war.
Der Antragsgegner beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und
1. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners aufzuerlegen,
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner für notwendig zu erklären
Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Vergabekammer habe zu Recht aus einer wertenden Betrachtung der Vergabeunterlagen geschlossen, dass Hauptgegenstand der Ausschreibung der Transport der Bioabfälle sei. Diese Anforderung sei hier durch die eingereichten Referenzen belegt worden. Hinsichtlich des quantitativen Umfangs der Referenzen sei lediglich eine Mindesttonnage von 4.500 Mg/a vorgegeben worden, was hier von der Beigeladenen erreicht worden sei.
Soweit man die Eigenreferenzen der Beigeladenen in Bezug auf die Verwertung des Mülls nicht als ausreichend betrachte, müsse im vorliegenden Fall durch die Benennung des für die Verwertung des Bio-Abfalls vorgesehenen Nachunternehmers eine Eignungsleihe angenommen werden. Es bliebe dann noch die Möglichkeit, das Angebot der Beigeladenen durch Abfrage entsprechender Referenzen der Nachunternehmerin aufzuklären.
Der Senat hat dem ursprünglich ebenfalls gestellten Eilantrag durch Beschluss vom 22. Juni 2023 stattgegeben, die Zuschlagsprätendentin beigeladen (im Folgenden als Beigeladene bezeichnet) und der Antragstellerin Einsicht in verschiedene Unterlagen des Vergabeverfahrens, darunter die Einheitliche Europäische Erklärung (EEE) der Beigeladenen sowie die von ihr der Bewerbung beigefügte Eigenerklärung der Fa. ### gewährt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Eilentscheidung verwiesen.
Die Beigeladene beantragt,
1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen und
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Beigeladene trägt vor, sie habe hinreichende eigene Referenzen zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vorgelegt. Die Ausschreibung verlange insoweit lediglich die Vorlage von zwei unternehmensbezogenen Referenzen über vergleichbare Leistungen, die im vorgegebenen Zeitraum für kommunale Auftraggeber erbracht worden seien, wobei Mindestanforderungen lediglich an die Tonnage und an den Zeitraum gestellt wurden. Die in den Ausschreibungsbedingungen eröffnete Möglichkeit der Summierung von Einzelreferenzen könne so verstanden werden, dass damit auch eine Reduzierung der zu referenzierenden Mindesttonnage auf 4.500 Mg/a verbunden sei. Diese Anforderung sei von der Beigeladenen dadurch erfüllt worden, dass sie folgende 3 Referenzen benannt habe:
- "Verwertung/Transport von Grünabfällen (Jahresmenge 4.000 to)" im Auftrag des Landkreises Stadt1
- "Verwertung/Transport von Grünabfällen inklusive Führung Wertstoffhof (Jahresmenge 1.200 to)" im Auftrag der Stadt2
- "Verwertung/Transport von Grünabfällen inklusive Führung Wertstoffhof (Jahresmenge 500 to) im Auftrag der Gemeinde1.
Der Transport und die Verwertung von Grünabfällen sei eine dem Auftragsgegenstand vergleichbare Leistung. Grünabfälle seien nämlich eine Teilfraktion der hiesigen "Bioabfälle" und es würden für den Transport und die Verwertung keine Besonderheiten gelten. Für beide Abfallarten sei die Kompostierung möglich. Da die Ausschreibungsbedingungen keine Mindestanforderungen in Bezug auf die Spezifizierung der Abfallart vorsähen, könnten die Referenzen in qualitativer Hinsicht als Beleg ausreichen, in Bezug auf die Tonnage reiche es aus, wenn die Einzelleistungen in der Summe die Hälfte des Auftragsgegenstands erreichten.
Der Ausschreibung zeige weiter, dass noch nicht einmal unternehmensbezogene Referenzen verlangt würden, da im letzten Absatz von Z. III. 1.3 der Ausschreibung auch persönliche Fachkunde- und Leistungsnachweise genügten. Daher spiele es keine Rolle, dass die Beigeladene bei der Erfüllung der referenzierten Aufträge lediglich die Vorsortierung und den Transport durchgeführt, die Verwertung aber durch eine Nachunternehmerin habe ausführen lassen. So sei das auch im vorliegenden Fall vorgesehen. Mit einer Referenz unter Einsatz von Nachunternehmern werde daher die unternehmerische Leistungsfähigkeit der Beigeladenen hinreichend belegt.
Wenn man nicht von einer hinreichenden Eigenreferenz ausgehen würde, dann sei zumindest anzunehmen, dass die Beigeladene durch Benennung ihrer für die Verwertung vorgesehenen Nachunternehmerin, die Fa. ### GmbH, durch deren Eigenerklärung und durch die Vorlage von deren Zertifizierungen konkludent eine Eignungsleihe in Bezug auf die Verwertung der Bioabfälle erklärt habe. Die überobligatorische Vorlage der Eignungsnachweise Ihrer Nachunternehmerin sein ein hinreichendes Indiz dafür.
Die Antragstellerin tritt dem entgegen und vertieft ihren Vortrag wie folgt:
Eine hinreichende eigene Referenz der Beigeladenen sei sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht nicht gegeben.
Die oben wiedergegebene Passage aus den Ausschreibungsbedingungen verlange explizit zwei Referenzen mit einer Tonnage von jeweils 4.500 Mg/a. Die Summe der transportierten und verwerteten Abfälle müsse daher das Auftragsvolumen von 9.000 Mg/a erreichen. Dies sei hier bei den Referenzen der Beigeladenen nicht gegeben. Unabhängig davon dürften die vermeintlichen Aufträge der Gemeinden Stadt2 und Gemeinde1 nicht berücksichtigt werden, weil die Verwertung von Abfällen in Hessen alleinige Aufgabe der kreisfreien Städte und Landkreise sei, die als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger gälten (§ 1 Abs. 3 KAKrW).
Die Verwertung von Grünabfällen unterscheide sich erheblich von der Verwertung von Bioabfällen, denn Letztere müssten zwingend in Anlagen in geschlossener Bauweise kompostiert werden, während Grünschnitt auf Freiflächen kompostiert werden könne. Bei der hiesigen Ausschreibung werde dementsprechend auch eine "eingehauste Intensivrotte" vorgeschrieben, was im Übrigen von der Nachunternehmerin der Beigeladenen (Fa. ### GmbH) am vorgesehenen Ort nicht bewerkstelligt werden könne.
Die Beigeladene betreibe unstreitig keine eigenen Verwertungsanlagen und dürfe sich in Bezug auf ihre technische Leistungsfähigkeit zur Verwertung von Abfällen auch nicht auf Referenzen berufen, bei denen insoweit Nachunternehmer zum Einsatz gekommen seien. Die Zurechnung der Eignung eines Nachunternehmers könne nur in den Fällen der so genannten Eignungsleihe erfolgen.
Man könne im vorliegenden Fall auch nicht annehmen, dass die Beigeladene eine Eignungsleihe ihrer Nachunternehmerin habe in Anspruch nehmen wollen. Dem stehe die ausdrückliche Erklärung der Beigeladenen in der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) in Teil II unter C entgegen, wo sie die Frage, ob sie zur Erfüllung der Eignungskriterien die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehme mit "nein" beantwortet habe.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Vergabekammer beschwert, weil diese ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hat.
Die sofortige Beschwerde hat auch Erfolg, denn der Antragsgegner hat es vergaberechtswidrig versäumt, transparente Regelungen in Bezug auf die technische und berufliche Eignung aufzustellen. Das Vergabeverfahren muss daher aufgehoben und in den Stand vor der Ausschreibung zurückversetzt werden. Da es der Antragstellerin in diesem Nachprüfungsverfahren darum geht, einen Zuschlag an die Beigeladene zu verhindern, ist ihr Rechtsschutzziel von diesem Ausspruch umfasst. An den Antrag zu 2.), mit dem die Antragstellerin eine Rückversetzung des Ausschreibungsverfahrens vor die Wertung der Angebote bezweckt, ist der Senat nicht gebunden (§ 168 Abs. 1 S. 2 GWB)
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, der sich auf eine Neubewertung der Angebote unter Ausschluss desjenigen der Beigeladenen richtet, ist zulässig. Dies hat die Vergabekammer bereits zutreffend festgestellt und begründet, so dass auf die Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann.
2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg, weil der Antragsgegner die Bestimmungen über das Vergabeverfahren dadurch verletzt hat, dass er die Referenzen der Beigeladenen aufgrund einer intransparenten Bestimmung in den Ausschreibungskriterien als ausreichenden Eignungsnachweis akzeptiert hat (§§ 97 Abs. 1, Abs. 6, 122 Abs. 4 GWB).
Aufträge dürfen gemäß § 122 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Der Auftraggeber hat die Eignung gem. § 122 Abs. 2 GWB anhand von bekanntgemachten Eignungskriterien zu prüfen. Die im Vorhinein bekanntgemachten Eignungskriterien sind der Maßstab für die Eignungsprüfung (Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 122 Rn. 13). Kern der Eignungsprüfung ist die Feststellung, ob die bekanntgemachten Eignungskriterien erfüllt wurden (Ziekow a.a.O. Rn. 13).
Ausweislich Ziffer III.1.3.) der Ausschreibungsbedingungen mussten die Bieter zum Nachweis ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit zwei unternehmensbezogene Referenzen über vergleichbare Leistungen angeben, die sie für kommunale Auftraggeber erbracht haben.
Der Antragsgegner hat insoweit keine eigenständigen Eignungskriterien aufgestellt und die Eignungsprüfung nach den Vorgaben der Ausschreibung ausschließlich anhand der geforderten Referenzen vorgenommen. Dies war hier nach den zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer zulässig, weil aus den geforderten Referenzen Rückschlüsse auf mittelbar gestellte Eignungskriterien möglich sind. Daher muss aus der Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters beurteilt werden, welche Mindestanforderungen die vorgelegten Referenzen erfüllen müssen bzw. ob, und wenn ja welche Eignungskriterien mit der Referenzforderung verbunden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Dezember 2021 - 11 Verg 6/21 - Videokonferenzsystem, m.w.N.).
Der verständige, durchschnittlich erfahrene Bieter entnimmt den oben zitierten Eignungskriterien, dass er Referenzen vorlegen muss, die eine das Auftragsvolumen nicht unterschreitende Mindesttonnage in Bezug auf die Abholung, den Transport und die Verwertung vergleichbarer Abfälle abdeckten (unter a.). Soweit der Antragsgegner bei der Eignungsprüfung der Beigeladenen eine Unterschreitung dieser Anforderungen für zulässig gehalten hat, führt dieses offensichtlich zur Intransparenz der Vergabeunterlagen, weil das Begriffsverständnis des Antragsgegners von dem des durchschnittlichen Bieters abweicht (unter b.). Letztendlich kommt es daher nicht mehr darauf an, ob die Beigeladene hinreichende Referenzen in Bezug auf die Kernleistung "Verwertung des Bio-Abfalls" vorgelegt bzw. sich in zulässiger Weise auf eine Eignungsleihe ihrer Nachunternehmerin, der Fa. ### GmbH berufen hat (unter c.). Das Vergabeverfahren musste demnach in den Zustand vor Ausschreibung zurückversetzt werden, da der Senat nicht anstelle der Vergabestelle Eignungskriterien für den hiesigen Auftrag aufstellen kann (unter d.).
a. Aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters ging aus der Ausschreibung deutlich hervor, dass er grundsätzlich zwei unternehmensbezogene Referenzen vorzulegen hatte, die "jeweils mindestens 50 % der Tonnage" umfassten, so dass in der Summe die streitgegenständliche Tonnage von 9.000 to/a erreicht wird. Diese Mindesttonnage war auch dann gefordert, wenn der Bieter von der im Folgeabsatz ("... Einzelne Referenzen können in Summe betrachtet werden...") gewährten Privilegierungsmöglichkeit einer Summierung von Einzelreferenzen Gebrauch machen wollte. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Ausschreibung, zum anderen aus deren erkennbarer Zielsetzung.
Der unmissverständlichen Vorgabe, dass die grundsätzlich vorzulegenden beiden Referenzen jeweils mindestens 50 % der Auftragstonnage erreichen müssen, entnimmt der verständige Bieter, dass der Antragsgegner ein zu referenzierendes Mindestauftragsvolumen verlangt, das den hiesigen Auftrag erreicht. Da Eignungskriterien objektiv dazu dienen, die Leistungsfähigkeit des Bieters für den konkret ausgeschriebenen Auftrag nachzuweisen (Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., Rn 13 zu § 122 GWB), wird der Bieter daher erkennen, dass der Auftraggeber im Hinblick auf das Auftragsvolumen (also in quantitativer Hinsicht) nur solche Bieter zulassen will, die durch ihre Referenzen gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, pro Jahr ein dem hiesigen Auftrag mindestens gleich hohes Volumen zu übernehmen und zur Verwertungsstelle transportieren. Hieraus geht auch hervor, dass der Bieter über eine entsprechend große personelle und betriebliche Ausstattung einschließlich der Transportfahrzeuge verfügen muss, um dieses Volumen bewältigen zu können.
Auch der Wortlaut des oben zitierten Folgeabsatzes zeigt auf, dass der Antragsgegner aus der Sicht eines verständigen Bieters von dieser Voraussetzung nicht abweichen wollte und eine Summierung von "kleineren" Einzelreferenzen aus dem dort genannten Zeitraum nur ersatzweise zugelassen hat, wenn eine oder die beiden geforderten Referenzen das geforderte Volumen von mindestens 50 % der Auftragstonnage nicht erreichen.
Das geht bei verständiger, gründlicher Betrachtung bereits aus dem Ausschreibungstext hinreichend deutlich hervor, wird aber noch klarer, wenn der letzte Teil dieses Satzes an den Anfang gestellt wird ("... Sofern die Mindestkriterien nicht von einer einzigen Referenz erfüllt werden, ...[können] einzelne Referenzen in Summe betrachtet werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren eine zeitliche Überlappung von mindestens drei Jahren haben und in der Summe mindestens 50 % der ausgeschriebenen Tonnage erreichen ..."). Daraus wird aus Sicht der Bieter deutlich, dass der Auftraggeber eine Summierung nur "innerhalb" der geforderten Referenzen erlauben wollte, ohne dass damit eine Verringerung des nachzuweisenden Gesamtvolumens einhergehen sollte.
Das entgegenstehende Verständnis der Beigeladenen vom Inhalt der Ausschreibungsbedingungen findet sich aus der maßgeblichen Bietersicht nicht in dieser Form wieder. Die Beigeladene teilt zwar die Einschätzung der Antragstellerin, wonach grundsätzlich zwei Referenzen mit einer Mindesttonnage von 50 % des Auftragsvolumens vorgelegt werden müssen, vertritt aber die Auffassung, dass die Summierungsmöglichkeit zu einer Absenkung der zu referenzierenden Mindesttonnage auf 50 % der Auftragstonnage führt.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Auslegung der Beigeladenen entspricht aus den o.g. Gründen nicht dem Wortlaut und sie entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck dieses Eignungskriteriums. Vielmehr wäre eine solche Vorgabe widersprüchlich, weil der Antragsgegner damit der grundsätzlich verlangten Mindesttonnage von 9.000 to/a teilweise die Grundlage entzogen hätte und zum anderen wäre damit ein intransparentes und nicht diskriminierungsfreies Eignungskriterium aufgestellt worden. Dies hat die Antragstellerin mit Recht in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2023 hervorgehoben und klargestellt, dass es eine offensichtliche Ungleichbehandlung darstellen würde, wenn ein Bieter, der zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit zwei Referenzen benennt, nur dann die vom Antragsgegner gestellten Mindestanforderungen erfüllt, wenn jede der Referenzen sich über die Verwertung von 4.500 to/a verhält (und so beispielsweise mit zwei Referenzen mit einer Tonnage von je 4.000 to/a aus dem relevanten Zeitraum insgesamt also 8.000 to/a. ausgeschlossen wäre), während ein Bieter wie die Beigeladene, der in demselben Zeitraum nur mehrere "kleinere" Referenzen nachweisen kann, insgesamt nur die Verwertung von 4.500 to/a belegen müsste.
Das Verständnis des durchschnittlich erfahrenen Bieters von den Referenzanforderungen basiert aber auf der Annahme, dass sich die Vergabestelle vergaberechtskonform verhält (vgl. Lampert in: Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 80 zu § 122 GWB). Die Bieter dürfen die Vergabeunterlagen daher im Zweifel so verstehen, dass sie den vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen. Dies ist letztlich nur dann der Fall, wenn man die Eignungsanforderung so versteht, wie vom Senat dargelegt.
Die Blickweise der Beigeladenen lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Antragsgegner in Ziffer III.1.3., letzter Teilstrich die Möglichkeit eröffnet, anstatt unternehmensbezogener Referenzen auch den Nachweis persönlicher oder unternehmensbezogener Fachkunde zu erbringen und auf diese Weise "Newcomern" eine Chance der Bewerbung offeriert (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 1.10.2020 - 11 Verg 9/20 = NZBau 2021, 127 - Rheingau Taunus Kreis). Wenn die Vergabestelle durch den Nachweis persönlicher oder unternehmensbedingter Fachkunde eine anders ausgestaltete und zu bewertende Alternative zur Vorlage von Referenzen offeriert, so bedeutet das nicht, dass sie zugleich ihre Mindestanforderung an die Referenzen abändern will.
Ohne Erfolg verweist die Beigeladene darauf, dass andere Ausschreibungen für Entsorgungsdienstleistungen, die vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners formuliert worden seien, ähnliche Formulierungen wie das hier streitgegenständliche Eignungskriterium enthalten (Anlage Bgl 1), denn hieraus lässt sich das Bieterverständnis in Bezug auf das bei zugelassener Summierung von Einzelreferenzen verlangte Mindestvolumen nicht ableiten.
Der Senat kann der Beigeladenen im Ergebnis auch nicht darin folgen, dass die Anforderung an die zu referenzierende Mindesttonnage in ihrem Sinne hätte verstanden werden können, weil der Senat in seinem Eilbeschluss zu der vorläufigen Bewertung gelangt war, der quantitative Mindestumfang der Referenzen dürfte erreicht sein, weil eine Aufsummierung der Tonnage erlaubt werde. Dies ist schon deshalb kein maßgebliches Indiz, weil diese Frage für den Senat bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Beschwerde keine Rolle gespielt hat, es damals vielmehr darauf ankam, welche qualitativen Mindestanforderungen an die Referenzen gestellt waren und weil naturgemäß ein verständiger Bieter, der sichergehen will, dass er mit seinem Betrieb die geforderten fachlichen und technischen Anforderungen erfüllt, auch die quantitativen Mindestanforderungen mit besonderer Sorgfalt zur Kenntnis nimmt.
b. Die Beigeladene hat die gestellten Mindestanforderungen nicht erfüllt, weil sie aus dem relevanten Zeitraum lediglich Referenzen für die Übernahme, den Transport und die Verwertung von 5.700 to/a vorlegen konnte. Dies führt hier aber nicht zu ihrem Ausschluss, sondern vielmehr zu einer Aufhebung des Vergabeverfahrens, weil die "Summierungsmöglichkeit" in Ziffer III.1.3. der Ausschreibungsbedingungen im Ergebnis intransparent aufgestellt worden ist.
Der Antragsgegner hat seinen eigenen Angaben zu Folge angenommen, mit der Wahl einer Aufsummierung von kleineren Referenzen sei eine Herabsetzung des Mindestvolumens von 9.000 to/a auf 4.500 to/a verbunden gewesen, was allerdings in Bezug auf die Zielrichtung dieses quantitativen Mindestkriteriums von ihm nicht begründet wurde und darauf hindeutet, dass sich der Antragsgegner bei Abfassung der Ausschreibung keine näheren Gedanken über die Bedeutung und den Anwendungsbereich der Summierungsoption gemacht hat.
Das Verständnis des Antragsgegners war aus Sicht der Bieter bei der Ermittlung der zu referenzierenden Leistung nicht anzunehmen, da es in Ermangelung des nach § 122 Abs. 4 GWB geforderten Auftragsbezugs und der im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlichen Eignung, die Prognoseentscheidung zu stützen, aus den bereits dargelegten Gründen im Ergebnis zu einer unzulässigen Referenzforderung geführt hätte. Sie hätte keine Rückschlüsse auf die Vergleichbarkeit der Angebote und damit auch auf die Leistungsfähigkeit hinsichtlich der ausgeschriebenen Leistung ermöglicht. Es liegen damit unklare Vergabeunterlagen vor.
c. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass es aus diesen Gründen auch nicht mehr darauf ankommt, ob die Beigeladene vom Vergabeverfahren auszuschließen war, weil sie keine hinreichenden Referenzen in Bezug auf die ebenfalls zum Auftragsgegenstand gehörende "Verwertung des Bio-Abfalls" vorgelegt hat. Der Senat hat in der Eilentscheidung ausführlich begründet, warum er zu der Auffassung gelangt ist, dass auch die Verwertung des Abfalls zu den Kernelementen der ausgeschriebenen Leistung gehört und damit neben der Übernahme und dem Transport Hauptgegenstand (wesentliche Dienstleistung) des hier im Streit stehenden Vergabeverfahrens ist.
Die Beteiligten haben ausführlich darüber gestritten, ob die Ausschreibung in Bezug auf die Referenzangaben eine operative Eigenleistungspflicht in Bezug auf sämtliche Kernleistungen des Auftrags verlangt hat. Dies scheint in den aktuellen Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ausgeschlossen zu sein. Der Senat bezweifelt auch, ob sich die Beigeladene einer Eignungsleihe ihrer Nachunternehmerin Y Recycling bedienen darf, sofern nicht sichergestellt ist, dass dieses Unternehmen im Zeitpunkt des Auftragsbeginns überhaupt in der Lage ist, die zwingenden Anforderungen einer "eingehausten Intensivrotte" des Bio-Abfalls zu erfüllen. Auch insoweit stehen sich die unterschiedlichen Sachverhaltsdarstellungen der Beteiligten unvereinbar gegenüber.
d. Das Verfahren ist aus den o.g. Gründen in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen. Die Regelung in Ziffer III.3. der Ausschreibungsbedingungen war in Bezug auf die den Bieter angebotene Summierungsoption aus den o.g. Gründen intransparent.
Vor dem Hintergrund der Beschaffungsautonomie des öffentlichen Auftraggebers unterfällt die Definition von Eignungskriterien ausschließlich der Vergabestelle. Der Senat ist nicht berechtigt, der Vergabestelle Eignungskriterien vorzugeben. Er ist allein aufgerufen, gewählte Regelungen zur Eignung - wie hier die Referenzforderung - auf ihre Konformität mit dem Vergaberecht hin zu überprüfen. Ausgehend davon kommt die primär beantragte Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand nach Angebotsabgabe - und damit unter Aufrechterhaltung der Regelungen zum Eignungsnachweis mit den damit verbundenen ausführlich geschilderten Problemen - nicht in Betracht.
Ein Ausschluss der Beigeladenen auf Basis intransparenter Vergabeunterlagen ist ebenfalls nicht möglich.
Dem Antragsgegner verbleibt im Rahmen der neuen Ausschreibung die Möglichkeit, durch entsprechende Formulierungen der Vergabeunterlagen und insbesondere der Eignungskriterien die von ihm erstrebte Marktöffnung zu erreichen.
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 175 Abs. 2, 71 GWB. Da die sofortige Beschwerde im Ergebnis erfolgreich war, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Antragsgegner vollumfänglich aufzuerlegen. Hinsichtlich der - nicht § 71 S. 2 GWB unterfallenden - Kosten der Beigeladenen, die an den sonstigen Verfahrenskosten nicht zu beteiligen ist, entspricht es billigem Ermessen, dass diese von ihr selbst getragen werden. Sie hat die angefochtene Entscheidung erfolglos verteidigt.
Die Kosten des Verfahrens im Sinne von § 71 GWB umfassen dabei sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten der Parteien.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
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VK Bund
Beschluss
vom 19.10.2023
VK 2-78/23
1. Der öffentliche Auftraggeber kann sich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe vorbehalten. Dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind, macht die Anforderung nicht unverhältnismäßig und damit nicht unwirksam.
2. Wird ein nachgefordertes Formblatt in weiten Teilen nicht ausgefüllt, fehlen die geforderten Angaben bzw. Erklärungen. Ein Fehlen ist auch im Fall von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen gegeben.
3. Die Möglichkeit der Nachforderung besteht nur in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind.
In dem Nachprüfungsverfahren der
[...]
wegen der Vergabe [...],
hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch [...] auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2023 am 19. Oktober 2023
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen).
3. Die Antragstellerin hat die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen.
4. Die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Antragsgegnerin war notwendig.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentliche am [...] die im Rubrum genannte unionsweite Auftragsbekanntmachung für die Durchführung eines nichtoffenen Vergabeverfahrens zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur Beschaffung von Leistungen [...] Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.
In der Aufforderung zu Angebotsabgabe (Ziff. D) war die Vorgabe enthalten, dass die Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend Formblatt 223 auf Verlangen der Vergabestelle ausgefüllt vorzulegen ist. Das elektronische Formular für das FB 223 enthielt im pdf-Format 81 Seiten und u.a. eine Fußnote 2, die für die u.a. zu befüllenden Spalten Zeitansatz, Lohn, Material, Geräte und sonstige Kosten Folgendes vorgab:
"Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird."
Die Ag stellte bei der Prüfung des preisgünstigsten Angebotes der ASt eine erhebliche Abweichung des Angebotspreises von der Schätzung des Angebotspreises in Höhe von [...] bzw. von weiteren eingegangenen Angebote von [...] bzw. [...] fest. Im Hinblick auf die von der Ag zugrunde gelegten internen Richtlinien nach Ziff. 5.3 zu 321 VHB (Vergabehandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes) stellte sie Zweifel an der Angemessenheit der Preise fest und entschied, gemäß den Vorgaben dieser internen Richtlinien, von der ASt das Formblatt 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise anzufordern.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2023 teilte die Ag der Antragstellerin (ASt) daher mit, ihr Angebot komme für den Zuschlag in Betracht und bat die ASt, für ihr Unternehmen und ggf. für von ihr eingesetzte Nachunternehmer oder für Mitglieder einer Bieter-/Arbeitsgemeinschaft spätestens bis einschließlich zum 17. Juli 2023 folgende Unterlagen vorzulegen: - FB 223 - Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend FB 223 - FB 236 - Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen (EU).
Die Ag wies in dem Schreiben an die ASt darauf hin, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die angeforderten Unterlagen "nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt" würden; es erfolge keine weitere Nachforderung.
Die ASt übermittelte die vorgenannten Unterlagen der Ag fristgemäß. Für das FB 223 verwendete die ASt ein von den Formatvorgaben der von der Ag mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellten pdf-Formulars zu einzelnen Passagen abweichendes Formular mit insgesamt 25 Seiten, datierend vom 17. Juli 2023; u.a. enthielt das FB 223 der ASt eine Spalte "Stoffe" (statt wie von der Ag in ihrem Formular an dieser Stelle vorgegeben "Material"). Die ASt machte in diesem Formular im Einzelnen Angaben zu den Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses. Überwiegend, so auf den Seiten 1 bis 20 zu den Ordnungsziffern 01.01.0010 bis 04.01.0070, füllte die ASt nur die Spalten "Stoffe" und "Angebotener Einheitspreis" aus. Der angebotene Einheitspreis entsprach dort jeweils den Stoffkosten. Entsprechend ausgefüllt waren u.a. die Zeilen zu den LV-Positionen der Kapitel 2.1 (Anschlussarbeiten), 2.4 (Demontage und Entsorgung), 2.6 (Arbeiten an Bestandsanlagen) sowie 3.5 und 3.6, die u.a. Installations- und Nachrüstarbeiten enthielten.
Das Ergebnis der Prüfung des von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223 dokumentierte die Ag in ihrem Vergabevermerk (Stand: 28. August 2023) bzw. dem Vermerk Arbeitshilfe Angebotsprüfung Teil 2, dort Ziff. 2.2 und 2.3 (Stand: 21. August 2023). Die Ag stellte nach Prüfung des von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223 fest, dass die ASt darin keine Angaben zum Zeitansatz sowie zu Lohn-, Material-, Geräte- und sonstigen Kosten für die Nachunternehmerleistungen getätigt habe, weshalb eine Prüfung der Einheitspreise nur für die Arbeiten der ASt selbst, nicht aber für die von ihr beabsichtigten Nachunternehmer möglich sei. Die im FB 223 der ASt gemachten Angaben genügten daher nicht den auftraggeberseitig angeforderten Informationen. Nach interner Befragung des Justitiariats der Ag hielt die Vergabestelle der Ag fest, das von der ASt eingereichte ausgefüllte FB 223 sei unvollständig und daher so zu behandeln, als sei es nicht vorgelegt worden. Bei dem FB 223 handele es sich um eine erst auf Verlangen der Ag vorzulegende Erklärung, woraus letztlich folge, dass das Angebot der ASt wegen Nichtvorlage nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A und wegen einer verweigerten Auskunft nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen sei.
Mit Schreiben vom 14. August 2023 übermittelte die Ag auch der Bg eine Aufforderung zur Vorlage der Formblätter FB 223 und FB 236 bis zum 21. August 2023. Die Bg übermittelte diese Unterlagen der Ag fristgemäß und vollständig ausgefüllt auch in Bezug auf die Nachunternehmerleistungen. Die Ag hielt hierzu im Vergabevermerk fest, auch der Angebotspreis der Bg weiche von der Schätzung der Ag um [...] ab, weshalb Zweifel an der Angemessenheit des Preises bestünden und gemäß Ziff. 5.3 der Richtlinien zu 321 VHB die Aufgliederung der Einheitspreise gemäß FB 223 auch von der Bg anzufordern gewesen sei. Die Prüfung des von der Bg fristgemäß eingereichten ausgefüllten FB 223 hätten keine Auffälligkeiten ergeben. die auf eine unangemessen niedrige Kalkulation hindeuteten. Weiterhin sei festzustellen, dass die Angebote der drei verbliebenen Bieter nicht mehr als +/- 10% von der mittleren Angebotssumme abwichen, so dass auch dieser Umstand den Rückschluss auf eine ordnungsgemäße Gesamtkalkulation zulasse. Die Bg und die von ihr eingesetzten Nachunternehmer seien zudem geeignet. Im Ergebnis werde empfohlen, der Bg den Zuschlag zu erteilen.
Mit Schreiben vom 4. September 2023 informierte die Ag die ASt über den an den Bieter [...] beabsichtigten Zuschlag. Die Ag teilte ferner mit, das Angebot der ASt werde von der Wertung ausgeschlossen, weil "die nachgeforderte Aufgliederung der Einheitspreise im Formblatt 223 unvollständig ausgefüllt eingereicht wurde und es somit nicht die auftraggeberseitig geforderten Informationen enthielt, die zur Preisprüfung notwendig gewesen wären."
Mit Schreiben vom 6. September 2023 rügte die ASt gegenüber der Ag den Ausschluss ihres Angebotes
"aus folgenden Gründen: Die mit Nachricht vom 11.07.2023 nachgeforderten Unterlagen wurden von [...] am 14.07.2023 fristgerecht und vollständig nachgereicht. Darüber hinaus enthielt die Aufforderung vom 11.07.2023 keinen Hinweis, dass weitere Unterlagen/Informationen für eine Preisprüfung benötigt werden. (...)"
Die Ag half der Rüge der ASt nicht ab und wies sie mit Schreiben vom 13. September 2023 zurück. Die Ag führte darin aus, es sei bei der Prüfung des Angebots der ASt festgestellt worden, dass es erheblich von der Kostenschätzung der Ag und den Preisen anderer Angebote abweiche und daher möglicherweise ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis sei. Da auf ein solches Angebot nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A kein Zuschlag erteilt werden dürfe, sei im Hinblick auf die bei der Ag aufgekommenen Zweifel das ausgefüllter Formblatt 223 anzufordern gewesen. Die Ag sei aufgrund ihrer internen Richtlinien dazu angehalten gewesen. Dies sei vorgeschrieben bei Abweichungen des Angebotspreises in Höhe von zehn Prozent und mehr im Vergleich zur Preisermittlung des Auftraggebers. In einem solchen Fall sei von Zweifeln an der Angemessenheit niedriger Preise auszugehen. Die Ag habe sich dementsprechend in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch die Anforderung des Formblattes 223 vorbehalten, die hinsichtlich der ASt daher auch geboten gewesen und erfolgt sei. Zwar habe die ASt die Aufgliederung fristgemäß eingereicht, bei Prüfung der Vollständigkeit sei aber festzustellen gewesen, dass diese nicht alle geforderten Angaben enthalten habe, was zum Ausschluss des Angebots der ASt geführt habe. Die ASt habe im Formblatt 223 keine Angaben zum geforderten Zeitansatz sowie zu Lohn-, Material- Geräte- und sonstigen Kosten gemacht. Das Angebot der ASt sei ferner nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen gewesen, da die ASt binnen der von der Ag zur Nachreichung gesetzten Frist eine nur unvollständige Aufgliederung der Einheitspreise übermittelt habe. Vor diesem Hintergrund scheide eine weitere Nachforderung der fehlenden Angaben aus.
2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 20. September 2023, eingegangen bei der Vergabekammer des Bundes und von dieser an die Ag übermittelt an demselben Tag, beantragt die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
a) Die ASt hält den Ausschluss ihres Angebots nach § 16 EU Abs. 4 S. 1 VOB/A bzw. § 15 EU Abs. 2 VOB/A für fehlerhaft. Für einen Ausschluss des Angebotes nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A fehle es an der zentralen Voraussetzung, dass die ASt die hier geforderte Unterlage des FB 223 nicht eingereicht habe. Das FB 223 sei von der ASt gerade eingereicht worden; eine körperlich vorhandene Unterlage könne nicht als fehlend deklariert und nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A ausgeschlossen werden. Entsprechendes habe die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur gleichlautenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV bereits entschieden. In jedem Fall sei die Ag vor einem Ausschluss des Angebots aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet gewesen, die ASt zu einer Vervollständigung aufzufordern. Dies folge aus den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH vom 18. Juni 2019 (X ZR 86/17).
Auch ein Ausschluss nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A scheide aus. Die Vorschrift setze ein Aufklärungsverlangen voraus, die der betroffene Bieter unbeantwortet habe verstreichen lassen. Ein solches Aufklärungsverlangen seitens der Ag liege allerdings nicht vor. Das erstmalige Anfordern des FB 223 sei schon begrifflich kein Aufklärungsverlangen im Sinne von § 15 VOB/A-EU.
Auch nach § 16d EU Abs. 1 VOB/A dürfe das Angebot der ASt nicht ausgeschlossen werden. Nach dieser Vorschrift sei eine Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten in Textform bei der ASt geboten gewesen, die aber nicht erfolgt sei. Der öffentliche Auftraggeber dürfe das Angebot nicht ohne eine solche Aufklärung unberücksichtigt lassen. Die Ag habe der ASt aber nicht einmal zu erkennen gegeben, die Angemessenheit des Angebotspreises der ASt prüfen zu wollen und der ASt auch keine Möglichkeit eingeräumt, eine etwaige Unangemessenheit des Angebotspreises zu widerlegen. Die Ag habe das nachgeforderte und nachgereichte Formblatt bereits in vorherigen Ausschreibungen eingereicht, ohne dass dies von der Ag beanstandet worden sei.
Schließlich trägt die ASt vor, die Preise ihrer Nachunternehmer hätten keiner Aufklärung durch die Ag unterliegen dürfen. Insofern seien deren Kosten aus deren Angeboten an den Bieter zu bestimmen. Die Nachunternehmerangebote seien, ohne dass es zum Auftragsfalle komme, für den Auftraggeber aber nur beschränkt aussagekräftig. Es sei daher ausreichend, wenn ein Bieter die in sein Angebot übernommenen Nachunternehmerpreise übernehme, ohne diese aufzuschlüsseln. Er könne im Rahmen der Preisaufklärung zudem nicht verpflichtet werden, die Urkalkulationen der Nachunternehmer offenzulegen. Die von der Ag bemängelten Positionen im FB 223 beträfen aber gerade allesamt Nachunternehmerleistungen. Eine weitere Aufgliederung dieser Nachunternehmerpreise sei gegenüber der Ag weder sinnvoll noch vergaberechtlich geboten gewesen. Die ASt habe zudem nunmehr im Nachprüfungsverfahren als Anlage 6 ein vollständig ausgefülltes FB 223 zur Akte des Nachprüfungsverfahrens eingereicht. Dies sei die Ag zu berücksichtigen verpflichtet, um ihrer Aufklärungspflicht gegenüber der ASt zu genügen. Ohne eine solche Aufklärung dürfe die Ag das Angebot der ASt nicht ausschließen.
Überdies befürchtet die ASt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da auch die Angebote der anderen Bieter deutlich von der Kostenschätzung der Ag abwichen. Die Ag müsse daher sicherstellen, auch insofern die Angemessenheit der Preise zu prüfen.
Hinsichtlich des nach § 134 GWB den unterlegenen Bietern mitzuteilenden Namens des Zuschlagsdestinatärs sei die Ag dieser Verpflichtung nicht hinreichend nachgekommen. Die Ag habe im Informationsschreiben nach § 134 GWB nur eine ersichtlich unvollständige Firma mitgeteilt.
Des Weiteren führt die ASt im Antragsschriftsatz vom 20. September 2023 (a.a.O., Seite 6) aus, die ASt habe das von ihr eingereichte Formblatt zur Aufgliederung der Einheitspreise in gleicher Weise bereits in vorherigen Ausschreibungen eingereicht, ohne dass die Ag dies beanstandet bzw. dies zu einem Ausschluss ihres Angebotes geführt gehabt habe. Sie hat hierauf in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen und ist der Ansicht, die Ag habe diesen Aspekt, da sie nicht widersprochen habe, zugestanden. Die ASt beteilige sich regelmäßig an Vergabeverfahren der Ag. Der ASt sei bekannt, dass die Ag das Formblatt 223 regelmäßig von allen Bietern abfordere, das die ASt sodann regelmäßig in einer wie auch in diesem Vergabeverfahren übermittelten ausgefüllten Fassung eingereicht habe, ohne dass die Ag daran Anstoß genommen und das Angebot der ASt ausgeschlossen habe. Bei Bedarf habe die Ag entsprechend bei der ASt nachgefragt bzw. entsprechende Vervollständigungen zu Aufgliederungen der Nachunternehmerleistungen verlangt.
Die ASt beantragt,
1. ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 ff. GWB über die im Rubrum aufgeführte Ausschreibung der Ag einzuleiten und der Ag diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs. 2 S. 3 GWB zu übermitteln,
2. der Ag aufzugeben, das Angebot der ASt wieder in die Wertung aufzunehmen und über die Vergabe erneut zu entscheiden,
3. der ASt gemäß § 165 GWB Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
4. der Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der ASt aufzuerlegen, und
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt für notwendig zu erklären.
b) Die Ag beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag mit allen Einzelanträgen abzuweisen,
2. der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
3. die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Ag für notwendig zu erklären.
Die Ag ist der Ansicht, das Angebot der ASt sei zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A und § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen. Die ASt habe das von der Ag zu Recht angeforderte FB 223 nicht innerhalb der von der Ag gesetzten Frist vollständig eingereicht. Die ASt habe für den überwiegenden Teil der Positionen des Leistungsverzeichnisses keine Aufgliederung von Einheitspreisen vorgenommen, sondern den Einheitspreis mit den Material- bzw. Stoffkosten gleichgesetzt. Jedenfalls bei den Positionen, die eindeutig zu erbringende Arbeiten wie Installationen oder Demontagen beträfen, fehle eine solche Aufgliederung im von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223, da bei den entsprechenden Positionen notwendigerweise Lohnkosten anfielen, die aber nicht aufgegliedert worden seien. Das FB 223 der ASt sei somit nicht nur unvollständig, sondern damit nicht eingereicht worden.
Das FB 223 sei bei der ASt rechtmäßig angefordert worden. Die Ag habe sich die Anforderung in der Angebotsaufforderung ausdrücklich vorbehalten gehabt. Hintergrund der Anforderung seien erhebliche Abweichungen des Angebotspreises der ASt vom Schätzwert der Ag bzw. von den übrigen Angeboten gewesen, die nach den Richtlinien der Ag eine Preisaufklärung nach sich gezogen habe, wonach die Aufgliederung der Einheitspreise anzufordern gewesen sei, was danach auch bei der ASt erfolgt sei. Die im Hinblick auf § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A anerkannten und in den Verwaltungsrichtlinien der Ag zugrunde gelegten Aufgreifschwellen von mindestens 10% Abstand zwischen dem hier betroffenen Angebot der ASt und der Schätzung der Ag bzw. den anderen Angebotspreisen sei erreicht gewesen.
Die Vorlage der aufgegliederten Einheitspreise sei der ASt auch zuzumuten gewesen. Dies gelte unabhängig davon, ob die ASt entsprechende LV-Positionen selbst oder durch Nachunternehmer ausführen lassen wolle. Die ASt habe sich bereits nicht darauf berufen, dass ihr Angaben für ihre Nachunternehmer unmöglich bzw. nicht zumutbar seien. Überdies sei die entsprechende Maßgabe bereits mit den Vergabeunterlagen, nämlich im damit zur Verfügung gestellten Formular 223, dort in der Fußnote 2, klar und unmissverständlich vorgegeben worden. Diese Maßgabe habe die ASt rügelos akzeptiert. Die Ag habe der ASt zudem eine angemessene Frist zur Einreichung des ausgefüllten FB 223 gegeben; die mit Schreiben der Ag vom 11. Juli 2023 der ASt bis zum 17. Juli 2023 gesetzte Frist habe die ASt mit ihrer Antwort vom 14. Juli 2023 sogar noch unterschritten.
Soweit die ASt meine, die Ag hätte das FB 223 nur mit einem expliziten Hinweis auf die anstehende Angemessenheitsprüfung des Preises der ASt verknüpft anfordern dürfen, gehe die ASt fehl. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A setze nicht voraus, dass der Auftraggeber darlege, warum eine Unterlage angefordert werde. Bei dem FB 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise sei einem fachkundigen Unternehmen wie der ASt überdies ohnehin klar, dass sich die über die Zusammensetzung der Einheitspreise nach den im entsprechenden Formblatt genannten Kategorien informieren wolle, mithin über die Preisbestandteile der Einheitspreise. Das FB 223 solle eine Prüfung ermöglichen, die über die mit dem Angebot eingereichten FB 221 bzw. 222 hinausgingen. Die ASt habe aus dem übermittelten Submissionsspiegel außerdem gewusst, bestplatziert zu sein und die deutlichen Abstände zwischen den eingegangenen Angeboten erkennen können. Als erfahrener Bieterin habe ihr somit klar sein müssen, dass die Ag zu einer Prüfung der Angemessenheit der Preise gehalten sei.
Eine nochmalige Nachforderung gegenüber der ASt komme nicht in Betracht. Die Ag habe sich im Anforderungsschreiben bereits klar positioniert und eine weitere Nachforderung bei Unvollständigkeit ausgeschlossen. Soweit die ASt meine, die Ag habe entgegen § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/A die Angemessenheitsprüfung nicht in Rücksprache mit dem Bieter durchgeführt, gehe sie fehl. Die Maßgabe bezwecke jedenfalls nicht, eine unvollständige Aufklärungsantwort eines Bieters auf ein insofern zuvor eindeutig gestelltes Aufklärungsverlangen durch weitere Nachforderungen zu vervollständigen. Dadurch solle nur ermöglicht werden, dass der Auftraggeber die Plausibilität einer vollständigen Preisaufklärung ggf. gemeinsam mit dem Bieter aufzuklären habe. Die ASt habe hier allerdings das von ihr eingereichte FB 223 unvollständig ausgefüllt, weil sie für weite Bereiche gar keine Aufgliederung der benannten Einheitspreise in die verschiedenen Kategorien angegeben habe. Dies betreffe insbesondere die Bereiche, in denen notwendigerweise Lohnkosten anfielen, zu denen die ASt in weiten Teilen nur Material- bzw. Stoffkosten eingetragen habe.
Nach allem komme der Ausschluss auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A in Betracht, da das von der ASt eingereichte unvollständig ausgefüllte FB 223 zugleich eine Verweigerung der Aufklärung sei. Die Angaben seien für die erforderliche Prüfung der Angemessenheit des Preises der ASt nicht verwertbar.
Der Zuschlag dürfe an die ASt zudem auch gem. § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht ergehen. Der Preis erscheine unangemessen niedrig, ohne dass dies aber zufriedenstellend nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A habe aufgeklärt werden können.
Soweit die ASt bemängelt habe, die Ag habe im Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB die Firma der Bg nicht korrekt benannt, habe die ASt diesen Umstand zu spät gerügt. Die ASt habe bereits in ihrem Rügeschreiben vom 6. September 2023 die Bg, wenn auch unvollständig, benannt, ohne aber die Unvollständigkeit zu beanstanden. Die Unvollständigkeit der Angabe im Absageschreiben der Ag sei der ASt somit bekannt gewesen; sie habe davor mutwillig die Augen verschlossen. Überdies habe die ASt einen Nachprüfungsantrag stellen können und sei durch die unvollständige Benennung der Bg nicht in ihrem Recht auf primären Vergaberechtsschutz beschnitten worden. Daher könne ihrem Antrag insofern auch in der Sache kein Erfolg beschieden sein.
Soweit die ASt sich darauf berufe, die Ag habe eine Verwaltungspraxis zugestanden, wonach die Ag bereits in vergangenen Vergabeverfahren das Formblatt zur Aufgliederung der Einheitspreise in einer Weise akzeptiert, hat die Ag in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, der Vortrag der ASt sei insofern wegen Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz unbeachtlich. Die im Nachprüfungsantrag enthaltene Äußerung der ASt, die ASt habe schon in anderen Vergabeverfahren das nachgereichte Formblatt 223 in selbiger Weise wie im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren eingereicht, habe die Ag dahin verstanden, dass die ASt die von ihr selbst erstellte Fassung des Formblattes schon immer bei entsprechenden Einreichungen verwendet habe. Dass die ASt damit auf eine entsprechende Verwaltungspraxis der Ag habe rekurrieren wollen, wonach angeblich nicht vollständig ausgefüllte Formblätter 223 nicht zum Angebotsausschluss führten, gehe aus dem Nachprüfungsantrag nicht hervor. Auch habe die ASt diesen Vortrag nicht substantiiert.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag sei erforderlich. Die Ag unterhalte zwar ein Justitiariat, allerdings sei es ihr zuzubilligen, sich in einem gerichtsförmlichen Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit mit der anwaltlich vertretenen ASt.
3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte erteilt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach Abs. 165 Abs. 2 GWB nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer in elektronischer Form vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Die mündliche Verhandlung hat am 5. Oktober 2023 stattgefunden.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags begegnet keinen Bedenken. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 155, 106 Abs. 1 GWB, ein der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnender öffentlicher Auftrag mit einem oberhalb der für die europaweite Vergabe angesiedelten Auftragsschwellenwert, sind eindeutig erfüllt und bedürfen vor diesem Hintergrund keiner näheren Darlegung. Die Antragsbefugnis, § 160 Abs. 2 GWB, ist in Bezug auf die ASt als Teilnehmerin am Wettbewerb ebenfalls erfüllt. Ihren Ausschluss, der am 4. September 2023 kommuniziert wurde, hat die ASt am 6. September 2023 und damit binnen der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt, so dass das Nachprüfungsverfahren auch unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung der Rügeobliegenheit eröffnet ist.
2. Das Angebot der ASt ist jedoch zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A ausgeschlossen worden, so dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist.
a) Die Ag hat sich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe vorbehalten.
Dieser Vorbehalt ist wirksam. Dass laut Fußnote 2 des Formblatts eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind, macht die Anforderung nicht etwa unverhältnismäßig und damit möglicherweise unwirksam. Zwar ist es mit Aufwand für Bieter wie Nachunternehmer verbunden, die Einheitspreise des Angebots aufschlüsseln zu müssen; denkbar sind Fälle, in denen ein Bieter bei seinen Nachunternehmern aufgrund des Aufwands auf Schwierigkeiten stoßen könnte, eine entsprechende Zuarbeit zu erhalten. Der Bieter muss jedoch auch vergaberechtlich dem Auftraggeber gegenüber für seinen Nachunternehmer einstehen, denn nur der Bieter selbst befindet sich in einem Vertragsanbahnungsverhältnis zum Auftraggeber, nicht der Nachunternehmer. Wenn ein Bieter Nachunternehmer in die Auftragsausführung einzubinden beabsichtigt, so hat der Auftraggeber mangels einer direkten Beziehung zum Nachunternehmer keine Möglichkeit, bei diesem eine Preisaufklärung über das Formblatt 223 für dessen Teilleistungen einzufordern; die Nachunternehmerleistung ist vielmehr der Sphäre des Bieters zuzurechnen. Es ist auch davon auszugehen, dass der Nachunternehmer seinerseits ein wirtschaftliches Interesse hat, die Zuarbeit zu leisten, da der Erhalt des Nachunternehmerauftrags von der Zuschlagserteilung an den Bieter abhängig ist. Wird das Angebot wegen unvollständiger Ausfüllung des Formblatts 223 ausgeschlossen, so geht auch der Nachunternehmer leer aus. Den mit der Ausfüllung des Formblatts 223 verbundenen Aufwand hält die Ag so gering wie möglich, indem lediglich der für den Zuschlag vorgesehene Bieter die Aufschlüsselung der Einheitspreise auf konkrete Anforderung beizubringen hat; genau so ist sie hier vorgegangen, eine standardmäßige Abforderung dieses Formblatts schon mit Angebotsabgabe ist gerade nicht gefordert. Ganz abgesehen davon, dass die ASt keine Probleme mit einer fristgerechten Erlangung der Angaben durch die Nachunternehmer geltend gemacht hat, weder der Ag gegenüber im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren, ist die im Formblatt 223 geforderte Einheitspreisaufschlüsselung auch bezüglich Nachunternehmerleistungen wirksam (zur Zumutbarkeit einer Preisaufschlüsselung im Formblatt 223 auch bezüglich Nachunternehmerleistungen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021 - Verg 13/21).
b) Die Anforderung bei der ASt war nicht willkürlich, sondern erfolgte ebenfalls zulässigerweise. Da die ASt das Angebot mit dem niedrigsten Preis abgegeben hatte und dieser sowohl deutlich unter der Auftragswertschätzung der Ag lag als auch unter dem nachfolgenden Angebot, ist die Ag zu Recht davon ausgegangen, dass eine Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 VOB/A erforderlich ist. Dieser rechtlichen Verpflichtung ist die Ag nachgekommen, indem sie von der ASt als Bestbieterin das Formblatt 223 anforderte, um die nötigen Daten für die materielle Preisprüfung zu erhalten. Die Ausübung der in der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorbehaltenen Anforderung des Formblatts 223 war damit sachlich indiziert bzw. notwendig, die Frist war angemessen und seitens der ASt unbeanstandet.
Die Anforderung wurde nicht etwa deswegen unwirksam oder in anderer Weise unbeachtlich für die ASt, weil die Ag im Rahmen der Anforderung das Stichwort "Preisprüfung" nicht explizit als Motivation für die Anforderung erwähnt hat. Fraglich ist schon im Ansatz, ob es rechtlich gefordert ist, einen Grund anzuführen, wenn ein Auftraggeber Angaben anfordert, deren Anforderung er sich in der Angebotsaufforderung vorbehalten hatte. Aus fachkundiger Bietersicht, und die ASt als erfahrene Teilnehmerin an Vergabeverfahren prägt diesen relevanten Horizont mit, war hier auch ohne Nennung des Begriffs Preisprüfung deutlich, dass das Anfordern des Formblattes 223 zu diesem Zweck erfolgte. Die Ag hatte im Anforderungsschreiben angeführt, dass das Angebot der ASt für den Zuschlag in Betracht käme; daraus ergibt sich, dass die Ag vor Zuschlagserteilung noch eine preisliche Prüfung anhand der Preisaufschlüsselung im Formblatt 223 vorzunehmen beabsichtigte.
c) Unstreitig ist, dass die ASt das Formblatt 223 zwar fristgemäß, jedoch in weiten Teilen unausgefüllt eingereicht hat. Die Formularspalten "Zeitansatz/Stunden, Löhne, Geräte, Sonstiges" wurden nicht ausgefüllt, soweit die ASt eine Leistungserbringung mit Nachunternehmern vorgesehen hat. Das Formblatt 223 fordert aber in seiner Fußnote 2 ausdrücklich, dass die Angaben auch in Bezug auf Teilleistungen vorzunehmen sind, die durch Nachunternehmer erbracht werden sollen. Von den insgesamt 25 eingereichten Seiten wurden ca. 20,5 Seiten diesbezüglich nicht ausgefüllt. Das eingereichte Formular ist mithin in weiten Teilen unvollständig.
Infolge der Nicht-Eintragung der geforderten Angaben bzw. Erklärungen fehlen diese i.S.v. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, denn ein Fehlen ist nicht nur dann gegeben, wenn ein gefordertes Dokument, hier das Formblatt 223, in Gänze nicht eingereicht wird, sondern auch im Falle von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021, a.a.O.). Nicht das gesamte Formblatt 223 ist die abzugebende Erklärung, sondern dieses besteht aus einer Vielzahl einzutragender Einzelerklärungen. Soweit die ASt auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 18. September 2019 zum Aktenzeichen Verg 10/19 Bezug nimmt und daraus ableitet, lediglich unvollständige Erklärungen fielen nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 16 Nr. 4 S. 1 S. 1 VOB/A, so ist der dortige Sachverhalt ein anderer als vorliegend. In der Entscheidung vom 18. September 2019 ging es anders als vorliegend nicht um ein auszufüllendes Formular, sondern um eine Darlegung in Form eines Fließtextes, in welchen der betroffene Bieter auf einen Gebäudereinigungsauftrag darzulegen hatte, mit welchen besonderen Methoden der Durchführung der Reinigungsdienstleistung Einsparpotentiale generiert werden sollten. Thema dieser Entscheidung war nicht eine unvollständige, sondern eine vollständige, inhaltlich aber - vermeintlich - unzureichende Erklärung. Die Entscheidung beinhaltet keine Aussage dahin, dass ein unvollständig ausgefülltes Formblatt 223 nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A fällt.
Aufgrund des Umfangs der fehlenden Einzelangaben gibt es vorliegend keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob eine geringfügige Auslassung möglicherweise dazu führen könnte, von einem Angebotsausschluss absehen zu können. Eine solche Fallgestaltung liegt nicht vor.
d) Eine Nachforderung der unterbliebenen Angaben kommt nicht in Betracht. Die Nachforderungsmöglichkeit ist nur eröffnet in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind, denn im Rahmen der Angebotserstellung stehen die Bieterunternehmen regelmäßig unter hohem Zeitdruck, so dass typischerweise versäumt werden kann, alle geforderten Unterlagen und Erklärungen mit dem Angebot einzureichen. Eine Situation erhöhten Zeitdrucks besteht indes nicht mehr, wenn der Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe Erklärungen anfordert (grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 - Verg 37/14). Dieser Rechtsgedanke hat Eingang gefunden in die vergaberechtlichen Vorschriften, hier in § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, wonach es keine Nachforderung gibt, wenn die Erklärungen erst auf gesondertes Anfordern nach Angebotsabgabe einzureichen sind. Ebenso wenig kommt eine Aufklärung nach § 15 EU Abs. 3 VOB/A in Betracht, denn um den Fehler zu heilen, müsste das Formblatt 223 ergänzt werden um die fehlenden Preisangaben. Eine Vervollständigung einer unvollständigen Preisaufschlüsselung geht über eine bloße Aufklärung hinaus.
3. Neben § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A ist der Ausschluss des Angebots der ASt auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A erforderlich, wonach ein Angebot u.a. dann auszuschließen ist, wenn ein Bieter geforderte Angaben nicht binnen der hierfür gesetzten angemessenen Frist erteilt. Aus obigen Darlegungen (sub II.2.) ergibt sich zwanglos, dass diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen zu verweisen ist (zu § 15 EU Abs. 2 VOB/A ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021, a.a.O.).
4. Dem Ausschluss des Angebots der ASt stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte infolge einer etwaigen anderen Verwaltungspraxis in der Vergangenheit entgegen. Das Vorhandensein einer derartigen bisherigen Praxis der Ag hat die ASt nicht dargelegt. Die ASt hat hierzu lediglich pauschal und ohne hieraus rechtliche Folgen zu benennen in ihrem Nachprüfungsantrag vorgetragen, dass das nachgereichte Formblatt "in selbiger Weise in vorherigen Ausschreibungen eingereicht" worden sei, ohne dass dies jemals von der Ag beanstandet worden sei, geschweige denn zu einem Ausschluss des Angebots der ASt geführt habe. Auf diesen Passus hat die ASt sich in der mündlichen Verhandlung berufen und sinngemäß geltend gemacht, dass daher auch im vorliegenden Vergabeverfahren kein Ausschluss vorgenommen werden dürfe.
Hier stellt sich abgesehen von der Frage nach der materiellen Berechtigung dieses Vortrags das formelle Problem, dass die Ag ihr beabsichtigtes Vorgehen in Fällen, in denen auf Anforderung nach Angebotsabgabe Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht werden, der ASt gegenüber schon bei Anforderung des Formblattes 223 unmissverständlich transparent gemacht hatte. Die Ag wies nämlich in dem Schreiben an die ASt vom 11. Juli 2023, mit dem das Formblatt 223 angefordert wurde, darauf hin, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die angeforderten Unterlagen "nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt" würden; es werde keine Nachforderung erfolgen. Auch wenn man zugunsten der ASt unterstellt, dass hier mangels Beschwer der ASt zu diesem Zeitpunkt - sie hatte noch kein unvollständiges Formblatt 223 eingereicht, ihr Angebot war noch nicht ausgeschlossen worden - noch keine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 GWB bestand, so hätte die ASt den ihres Erachtens gegebenen Aspekt einer entgegenstehenden Verwaltungspraxis in der Vergangenheit in der gegen ihren Angebotsausschluss gerichteten Rüge adressieren müssen. Da dies nicht geschehen ist, kam die Ag weder auf die Idee noch musste sie auf die Idee kommen, dass die ASt sich auf eine entgegenstehende Praxis berufen könnte, und war damit auch nicht in der Lage, sich in Aufarbeitung der Rüge mit diesem Punkt auseinanderzusetzen.
Der Vortrag der ASt ist zudem nicht substantiiert. Wenn - was schon im Ansatz problematisch wäre - ein Angebot, das nach den vergaberechtlichen Vorschriften zwingend ausgeschlossen werden muss, aus Gründen des Vertrauensschutzes doch in der Wertung verbleiben soll, so könnte es sich nur um einen ganz besonderen Ausnahmefall handeln. Wenn die ASt meint, dem Ausschluss stehe hier eine bisherige andere Verwaltungspraxis entgegen, so wäre die Benennung und Darlegung konkreter Vergabeverfahren erforderlich gewesen, in denen bei einer gleichgelagerten Konstellation kein Ausschluss vorgenommen wurde. Der Vergabekammer sind Grenzen bezüglich der Überprüfbarkeit von anderen, abgeschlossenen und in der Vergangenheit liegenden Vergabeverfahren gesetzt. Konkrete Vergabeverfahren hat die ASt aber auch in der mündlichen Verhandlung nicht benannt. Eine telefonische Rückfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Ag in einer Verhandlungspause im Justitiariat der Ag erbrachte jedenfalls spontan keine Erkenntnis dahin, dass es eine solche abweichende Verwaltungspraxis gegeben hätte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, 2 und 5 sowie Abs. 4 S. 1, 3 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 VwVfG (Bund). Danach hat die ASt als unterliegende Partei die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen. Gleiches gilt für die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag. Die Bg ist nicht als mit der Ag obsiegende Partei anzusehen, denn sie hat sich nicht am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit auch kein Kostenrisiko auf sich genommen. Folglich hat sie ihre Aufwendungen selbst zu tragen.
Die Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Ag war notwendig. Zwar ging es inhaltlich lediglich um eine nicht besonders schwierige oder komplexe materielle Rechtsfrage, der Ausschlussbedürftigkeit des Angebots der ASt infolge unvollständiger Angaben im nach Angebotsabgabe angeforderten Formblatt 223. Mit dieser Rechtsfrage musste die Ag schon im Vergabeverfahren umgehen. Es ergaben sich jedoch ungewöhnliche verfahrensrechtliche Fragestellungen, indem die ASt in der mündlichen Verhandlung überraschend den Vertrauensschutzaspekt angeführt hat. Hierauf war durch die Ag spontan prozessual zu reagieren, indem verspätetes Vorbringen geltend gemacht wurde. Angesichts dieser prozessualen Besonderheit, die für die Notwendigkeit der Anwaltshinzuziehung spricht, gibt die prozessuale Waffengleichheit den letztendlichen Ausschlag, denn auch die ASt war im Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertreten.
IV.
(...)
Keine Änderung der Vergabeunterlagen bei unklarer Ausschreibung!
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VK Westfalen
Beschluss
vom 15.08.2023
VK 3-18/23
1. Es ist - sowohl nach § 53 Abs. 7 VgV als auch nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2019 - unzulässig, Änderungen an den Vergabeunterlagen vorzunehmen. Sofern mit einem Angebot Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen werden, ist es nach § 57 Abs. 1 Nr. 7 VgV respektive § 16 EU Nr. 2 VOB/A 2019 zwingend auszuschließen.*)
2. Ein Angebotsausschluss wegen Änderungen der Vergabeunterlagen kommt nur in Betracht, wenn die Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind. Unklarheiten gehen dabei immer zu Lasten des Auftraggebers.*)
3. In diesem Sinne nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen dann, wenn auch nach Auslegungsbemühungen durch fachkundigen Unternehmen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben.*)
Tenor:
1. Dem Nachprüfungsantrag wird stattgegeben. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen und die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu überarbeiten.
2. Die Kosten des Verfahrens werden auf ### Euro festgesetzt.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
4. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Verfahrensgebühr sowie die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als Gesamtschuldner.
Gründe
I.
Mit Auftragsbekanntmachung vom 19.12.2022 schrieb die Antragsgegnerin im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union unter der Nr. 2022/S 244-703699 Baulogistikleistungen für den statischen Umbau, die Ertüchtigung sowie die Sanierung und Revitalisierung eines Bestandsgebäudes in ihrem Stadtgebiet aus. Dafür sollte ein "Baulogistiker mit der Gesamtkoordination der Transporte und Bündelung der eingeschränkten Baustelleneinrichtungsflächen über den Gesamtzeitraum (03/23 bis 10/26)" beauftragt werden. Ziel der streitgegenständlichen Beschaffung ist durch
"eine übergeordnete Koordination aller Baustellenbewegungen soll ein gleichmäßiger und durchgängiger Ablauf auf der Baustelle erreicht werden, der alle am Bauvorhaben beteiligten Unternehmen bei ihren Aufgaben logistisch unterstützt, die Kapazitäten der Baustelleneinrichtung nicht überfordert und Belastungen für Anlieger und Öffentlichkeit reduziert."
Der Auftrag umfasst ausweislich der Auftragsbekanntmachung folgende Leistungen:
- phasenbezogene Personalleistungen Baulogistik
- Sicherheitskonzept: Baustellenabsicherung | Zugangskontrolle
- Mobile Baustellenüberwachung / Sicherheitstechnik
- Versorgungslogistik | Avisierung | Transport und Verbringungen
- Lieferverkehrssteuerung, Avisierung
- Transportmanagement und Verbringung
- Flächenmanagement
- Entsorgungslogistik
- Baustelleneinrichtung (u.a. Stellung Krane, Bauaufzug, Containeranlage)
- Winterdienst und Reinigung
- Medienversorgung
- Verkehrssicherung und Steuerung
- Sicherungsmaßnahmen
Die verschiedenen Leistungsbestandteile waren in Leistungsblöcke aufgeteilt, die wiederum aus einzelnen Leistungsbestandteilen bestehen. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Die Antragsgegnerin hat von der Aufstellung von Mindestanforderungen - auch im Hinblick auf die Anzahl des einzusetzenden Personals - abgesehen. Im Vergabevermerk des von der Antragsgegnerin beauftragten Bauberatungsbüros heißt es hierzu auf Seite 16:
"Im Rahmen der Ausschreibung de Personalleistungen wurde keine festgelegte Personalstärke je Personalpaket definiert, sondern der zu erbringende Leistungsumfang beschrieben. Die Leitbeschreibungen zu den zuvor genannten Personalpaketen des Leistungsverzeichnisses definieren Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen (je Personalpaket). Über die zugehörigen Personalpositionen wurde der Zeitraum benannt, in dem die Leistung durch das Personal des Bieters zu erbringen ist.
Mit der Wahl der funktionalen Ausschreibung soll hier erreicht werden, dass die Bieter eigenständig einen der beschriebenen Leistung angemessenen Personaleinsatz (je Personalpaket) erarbeiten und der Kalkulation zu Grunde legen. Zusätzlich zur Bepreisung der einzelnen Positionen wurde von den Bietern ein Personalkonzept abgefragt."
Bieter, die ein Angebot einreichen wollten, mussten unter anderem ein ausgefülltes Leistungsverzeichnis sowie ein Personalkonzept einreichen. Das Leistungsverzeichnis enthält zunächst eine allgemeine Beschreibung des Auftrages, die etwa die Baubeschreibung, eine Zusammenfassung der auszuführenden Leistungen sowie eine Beschreibung der Lage der Baustelle, vorhandene öffentliche Verkehrswege, Zugänge und Zufahrten sowie Anschlussmöglichkeiten an Ver- und Entsorgungseinrichtungen enthält. Hierzu wurden den Bietern auch eine Baustellenkarte zur Verfügung gestellt, die drei Baustellenzufahrten aufweist. Darüber hinaus wurden den Bietern auch ein Baulogistikhandbuch zur Verfügung gestellt. Dort heißt es auf Seite 17:
"Die Leistungszeiten der Baulogistik auf der Baustelle sind, mit jeweils einem 15-minütigen Vor- und Nachlauf, wie folgt definiert:
- montags bis freitags von 06:45 - 17:15
- samstags nur nach Aufforderung des AG"
Innerhalb des Leistungsverzeichnisses mussten die Bieter jeweils einen Einheitspreis in Euro für eine bezeichnete Menge (seien es Monate, Tage oder Stunden) sowie den Gesamtbetrag angeben. Die Antragsgegnerin selbst versah im Rahmen ihrer Kostenschätzung das Leistungsverzeichnis mit entsprechenden Preisen.
Unter Ziffer 2.3.3. mussten die Bieter Preise zur Baulogistikleistung B angeben. Das Leistungsverzeichnis gestaltet sich dabei wie folgt:
(hier aus technischen Gründen nicht abgedruckt)
Zu diesen Leistungspositionen enthält der Vergabevermerk folgende Erläuterungen:
"Im Rahmen der LV-Erstellung wurde durch [das beauftragte Planungsbüro] unter Berücksichtigung des Leistungsumfangs (je Personalpaket) nachstehende Mannstärke den Schätzkosten zu Grund gelegt:
...
2.2.3. Baulogistikleistungen B (03/25 bis 10/26 = 20 Monate) = 3 MA - Personal übergeordnete Baulogistikleistung (Position 2.2.3.10.) - Vergütung für Leistungen außerhalb der Arbeitszeit (Zulage)"
Und weiter heißt es in dem Vergabevermerk:
"Aufgrund der Dezentralität der angeordneten BE-Bereiche im öffentlichen Raum und dem vorgegebenen Leistungsumfängen je nach Personalpaket wird ersichtlich, dass vor allem das beschriebene Leistungsbild der Baulogistikleistung B nicht mit einer Mannstärke = 1 abzuwickeln ist."
Sodann erfolgt im Vergabevermerk eine Abbildung, die den geplanten Baustellenbereich einschließlich drei Zufahrten zum Gegenstand hat.
Dazu heißt es:
"In der Planunterlage werden drei Angriffs- bzw. Versorgungspunkte zur Abwicklung der Leistung "HdW" aufgezeigt. Diese sind in den Straßen ###-Platz, ###-Straße und ###-Straße im öffentlichen Raum angrenzend an die Maßnahme verortet.
Die geplanten Entladezogen befinden sich in den BE-Bereichen ###-Platz und ###-Straße.
Ein Einsatz von nur einer Person im Rahmen der Leistungserbringung "Baulogistikleistung B" würde entsprechend die Parallelität der Andienung der Entladezonen und der anschließenden Materialverbringung in Baufeld hinein verhindern.
Um einen gleichmäßigen und durchgängigen Ablauf auf der Baustelle zu erreichen, muss zur Erbringung des geforderten Leistungsumfangs der "Baulogistikleistung B" die Mannstärke zwingend >1 sein.
Durch den Bieter ist hierbei ein für ihn angemessener Personaleinsatz zu erarbeiten und der Kalkulation zu Grunde zu legen. Um die Erbringung des beschriebenen Leistungsumfangs durch eine plausible Mannstärke sicherzustellen wurde von den Bietern zusätzlich ein Personalkonzept abgefragt."
Die Auswertung der Angebote ergab, dass zwei Bieter, darunter die Antragstellerin, für die "Baulogistikleistung B" eine Mannstärke von einem Mitarbeiter vorsah, während die beiden anderen noch wertbaren Angebote mehr als eine Mannstärke von einem Mitarbeiter kalkulierten. Die Antragsgegnerin prüfte die angegebenen Kosten unter Position 2.2.3. So hatte die Antragstellerin für die im Leistungsverzeichnis benannten achtzehn Monate einen Einheitspreis angeboten, der nur die Kosten einer Mannstärke von einem Mitarbeiter decken kann. Außerdem trug die Antragsgegnerin in ihrem Personalkonzept für die Position 2.2.3.10. eine "1" ein. Die Antragsgegnerin hatte bei der Preisposition 2.2.23.10. einen Angebotspreis geschätzt, der deutlich über dem Preis der Antragstellerin und dem Bieter lag, die mit einem Personalbestand von einer Mannstärke von einem Mitarbeiter kalkulierte.
Infolge der Angebotswertung bat die Antragsgegnerin um Aufklärung des Angebots der Antragstellerin. Mit Schreiben vom 07.03.2023 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf zu erläutern, wie sich die angegebenen Kosten für die Position "Baulogistikleistung B" zusammensetzen würden. Für die Beantwortung der Frage wurde ein einstündiges Aufklärungsgespräch am 13.03.2023 angekündigt. Mit Schreiben vom 09.03.2023 teilte die Antragstellerin mit, dass sie bei der Baulogistikleistung "(...) [b]ei Einsatz des Personal (...), wie im Vortext beschrieben, von einer Mannstärke von einem Mitarbeiter á 50 Std. pro Woche ausgegangen" sei.
Im Protokoll zum Bietergespräch finden sich hierzu folgende Angaben:
"[Anschreiben] Erläuterung Bieter zu (3)
3. Pos. 2.2.3.10. Personal Baulogistikleistung B
Bei Einsatz des Personals sind wir, wie im Vortext beschrieben, von einer Mannstärke von einem Mitarbeiter á 50 Std. pro Woche ausgegangen.
3.a Pos. 2.2.3.70.-90. Personal Baulogistikleistung B Zulage
Bei den Positionen wurde nicht nur die Zulage berechnet, sondern der Stundensatz plus Zulage.
[Bietergespräch] Einleitung BCL
Das durch den Bieter eingereichte Angebot mit der bepreisten Position 2.2.3.10. sowie das geforderte Personalkonzept zeigen auf, dass in der Kalkulation durch ihn nur 1 Person für die Leistung angesetzt wurde. [Das Planungsbüro] weist darauf hin, dass in der Planung für die Erbringung des beschriebenen Leistungsbilds 3 Personen veranschlagt wurden. Die Leistung ist mit einer Person nicht erbringbar. Als Leistungszeitraum wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von Mo-Fr 7:00 bis 17:00 festgelegt. Die im LV benannten Stunden definieren nicht den Umfang des bereitzustellenden Personals (funktionale Ausschreibung der Leistung). Verweis auf LV-Text Pos. 2.2.3.10. Personal Baulogistikleistung B: Der Einsatz des Personals ist durch den AN wie folgt zu kalkulieren: Gefordert werden eine zügige Erbringung der Leistung und ein dem Leistungsbild angemessene Baustellenbesetzung, welche die zuvor beschriebenen Leistungen umfassend abdeckt. Durch [das Planungsbüro] wird festgehalten, dass die geforderten Leistungen zu diesem Preis zu erbringen sind, eine Preisanpassung kann nicht erfolgen. Eine Anpassung des Angebots ist nicht vorgesehen.
[Bietergespräch] Erläuterung Bieter zu (3)
Im Rahmen des Gesprächs erläutert der Bieter, dass durch ihn der Vortext der Position so verstanden wurde, dass hier, trotz des umfangreichen Leistungsbildes, nur ein Mann anzubieten sei. Durch die Angabe der Stundenzahl wurde durch den Bieter angenommen, dass sich hieraus die geforderte Mannstärke definiert. Der Bieter weist darauf hin, dass in seinem Verständnis, wenn eine erhöhte Mannstärke gefordert wird, ebenso die entsprechende Stundenanzahl erhöht werden muss. ([Das Planungsbüro] erläutert, dass dies im Widerspruch zu den Beschreibungen im LV steht und verweist auf LV-Text Pos. 2.2.3.10.)"
Mit Schreiben vom 25.05.2023 teilte die Antragsgegnerin mit, dass ihr Angebot gemäß "VOB/A § 16d" auszuschließen sei, weil "[i]soliert betrachtet (...) die bepreiste Personalposition "Baulogistikleistung B" nicht auskömmlich kalkuliert worden" sei. "Gefordert [sei] ein dem Leistungsbild angemessene Baustellenbesetzung, welche die zuvor beschriebene Leistung umfassende" abdecke. "Dies [sei] mit einer Person nicht realisierbar. Das zur Submission vorliegende Personalkonzept sowie die Angaben FFB 221" zeigten, dass das vorgesehene Personal für die Ausführung der Leistung durchschnittlich mit einer Gesamt-MA-Anzahl von 3 MA definiert wurde".
Mit Rüge vom 01.06.2023 beanstandete die Antragstellerin die Ausschlussentscheidung. Sie trug vor, dass schon kein unangemessen niedriger Preis im Sinne des § 16d VOB/A vorläge. Maßgeblich sei insoweit, ob der Gesamtpreis nachweislich unzukömmlich sei. Wenn die Antragsgegnerin vortrage, dass allein die Personalposition "Baulogistikleistung B" unauskömmlich kalkuliert sei, rechtfertige dies keinen Ausschluss wegen Unauskömmlichkeit. Der Gesamtpreis der Antragstellerin sei auskömmlich, dies ergebe sich bereits daraus, dass der Angebotspreis nahe den Angebotspreisen der übrigen Bieter läge.
Im Übrigen sei auch die Kostenkalkulation des Titels 2.2.3. nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin sei von einem Mitarbeiter á 50 Stunden pro Woche ausgegangen. Dies ergebe sich aus der Vorbemerkung zum Titel 2.2.3. Dort stehe:
"Die Leistungszeiten der Baulogistik (hier: Leistungspaket "Personal Baulogistikleistung B") auf der Baustelle sind wie folgt definiert:
montags bis freitags von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhrsamstags nur nach Aufforderung des AG
50,00 h/Woche Personalkosten je Monat."
Entsprechend haben die Antragstellerin davon ausgehen dürfen, dass die Personalkosten des Titels 2.2.3 auf Grundlage eines Monatspreises für 50 Stunden pro Woche zu bepreisen sei. Im Übrigen stünde es der Antragstellerin frei, wie er für die einzelnen Positionen im Leistungsverzeichnis die Preise kalkuliere. Ob Kosten vollständig berücksichtigt würden und die Preise sachlich und der Höhe nach zutreffend seien, obliege der Kalkulationsfreiheit des Bieters auf Grundlage seiner betriebswirtschaftlichen Entscheidungen.
Die von der Antragstellerin erläuterte Kalkulation führe nicht dazu, dass die entsprechende Leistung zwingend nur mit einem Mitarbeiter durchgeführte würde. Es handle sich ausschließlich um die Grundlage der Kalkulation der Leistungen. Das eingereichte Personalkonzept verhalte sich zum tatsächlichen Einsatz der Mitarbeiter.
Nachdem die Antragsgegnerin der Beanstandung nicht abhalf, stellte die Antragstellerin am 02.06.2023 Antrag auf Nachprüfung. Dabei hält sie zunächst am Vorbringen aus der Rüge fest. Ergänzend trägt sie zusätzlich vor, dass es sich bei der betreffenden Leistung nicht um eine Bauleistung, sondern vielmehr um eine Dienstleistung handeln würde. Insoweit hätte die Ausschreibung anhand der gesetzliche Vorgaben der VgV durchgeführt werden müssen.
In der Sache bleibe es dabei, dass kein unauskömmlicher Angebotspreis vorläge. Wie bereits in der Rüge ausgeführt, läge der Angebotspreis der Antragstellerin lediglich weniger als 10 % niedriger als der Angebotspreis des nächstgünstigsten Angebots. Ein Ausschluss wegen eines unauskömmlichen Preises auf Grund einer isolierten Preisposition sei nach wie vor vergaberechtswidrig, Maßstab sei alleine der Gesamtpreis.
Auch der erstmalig im Nachprüfungsverfahren benannte Ausschluss gemäß § 16 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A-EU komme nicht zum Tragen. Die Antragstellerin habe ihre Leistungen entsprechend der Vorgabe der Vergabeunterlagen angeboten. Unzutreffend sei, dass die Antragstellerin in ihrem Angebot zur Baulogistikleistung B mindestens drei Mitarbeiter hätte anbieten müssen. Eine derartige Anforderung ergebe sich nicht aus den Vergabeunterlagen. Vielmehr habe die Antragsgegnerin offensichtlich gefordert, dass die Bieter ihr Personalkonzept zur Baulogistikleistung B dahingehend kalkulierten, dass in der Zeit von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr - mithin 10 Stunden pro Arbeitstag - und an den Wochentage Montag bis Freitag (an fünf Arbeitstagen pro Woche) eine Baustellenbesetzung angeboten werden solle. Somit sei der Personaleinsatz von den Bietern anhand des vorgegebenen und pauschalen Stundenkontingents von 50 Stunden pro Woche zu ermitteln. Insoweit habe die Antragstellerin einen Wert von 1,0 eintragen müssen, andernfalls hätte sie das Stundenkontingent vergaberechtswidrig erweitert. Hätte die Antragsgegnerin eine Mindestbesetzung von drei Mitarbeiter verlangen wollen, hätte sie entsprechend das Stundenkontingent auf 150 erhöhen müssen. Stattdessen trage die Antragstellerin im Verfahren selbst vor, dass keine festgelegte Personalstärke im Personalpaket definiert worden sei. Dies decke sich auch mit den Ausführungen im Vergabevermerk, in dem es heiße, dass im Rahmen der Ausschreibung der Personalleistungen keine festgelegten Personalstärken je Personalpaket definiert worden sei, sondern der zu erbringende Leistungsumfang definiert werde.
Somit entspreche das Angebot der Antragstellerin den Vergabeunterlagen. Darüber hinaus halte die Antragstellerin eine ausreichende Baustellenbesetzung vor, sodass auch drei Mitarbeiter eingesetzt werden könnten, sofern dies zur Leistungserbringung erforderlich sei. Sofern allerdings das Stundenkontingent von 50 Stunden ausgeschöpft werde, müssten weitere notwendige Arbeitsstunden zusätzlich vergütet werden.
Ergänzend trägt sie vor, dass der erst in der mündlichen Verhandlung bekannt gewordene Umstand, dass auch ein weiterer Bieter nur mit insgesamt 50 Stunden pro Woche kalkuliert habe, die Erwägung bestärke, dass die Leistungsbeschreibung, wie von der Antragstellerin verstanden, ausgelegt werden durfte.
Sie beantragt daher,
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 ff. GWB
2. den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin vom 14.02.2023 durch die Antragsgegnerin für vergaberechtswidrig zu erklären und die Antragsgegnerin anzuweisen das Vergabeverfahren "xxx" in den Stand vor Angebotswertung zurückzuversetzen sowie den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 14.02.2023 zu erteilen,
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären und
4. der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zunächst sei - jedenfalls für das Nachprüfungsverfahren - unerheblich, ob die streitgegenständliche Ausschreibung nach den Regelungen der VgV oder der VOB/A-EU hätte erfolgen müssen. Einerseits wurde die gewählte Verfahrensregelung nicht gerügt, andererseits sei - unabhängig davon, welche Regelung man zu Grunde legte - der Ausschluss vergaberechtskonform erfolgt.
Zwar sei das Angebot der Antragstellerin nicht gemäß § 16d VOB/A-EU - mithin wegen eines unangemessen niedrigen Angebotspreises - auszuschließen. Insoweit sei das Schreiben vom 25.05.2023 missverständlich. Der Ausschluss erfolge gemäß § 16 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A-EU. Denn die Antragstellerin haben nämlich eine Leistung angeboten, die den Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht entsprechen würde. Die Antragstellerin habe nämlich für die Baulogistikleistung B (2.2.3) in ihrem Angebot nur den Einsatz eines Mitarbeiters eingeplant und angeboten. Dies habe sie zum einen ausdrücklich im Aufklärungsgespräch bestätigt und zum anderen im vorgelegten Personalkonzept niedergelegt. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, dass die Baulogistikleistung B nicht zwingend nur von einem Mitarbeiter ausgeführt würden, sondern diese Angabe lediglich kalkulatorischer Natur sei, könne nicht mit dem Personalkonzept in Einklang gebracht werden. Hier sei nur der Wert 1,0 aufgeführt. Das Personalkonzept diene als Grundlage für die Einschätzung, ob ein Bieter ausreichend Personal für die jeweiligen Leistungen einplane. Darüber hinaus würde anhand des Personalkonzepts während der Bauleistung geprüft, ob im Falle von Verzögerungen auch das eingeplante Personal anwesend sei. Der Auftragnehmer habe aber die Möglichkeit, jederzeit Personal abzuziehen, sofern die ordnungsgemäße Leistungserbringung dadurch nicht gefährdet wäre.
Der Einsatz von nur einem Mitarbeiter sei jedoch eindeutig und erkennbar unzureichend, um den Leistungsumfang zu erfüllen. Aus den vorgesehenen Leistungsbestandteilen und der Dezentralität der Baustelleneinrichtungsfläche ergebe sich, dass mindestens drei Personen erforderlich seien. Dies habe die Antragsgegnerin auch im Vergabevermerk dargelegt. Den Anforderungen, dass mindestens drei Personen für die abgefragten Leistungen eingesetzt werden müssten, würde das Angebot der Antragstellerin nicht gerecht.
Im Übrigen sei auch die Auffassung der Antragstellerin, sie könne ihr Angebot frei und so kalkulieren, wie sie es für auskömmlich halte, nicht vollumfänglich zutreffend. So habe der BGH mit Entscheidung vom 13.09.2022 (Az. XIII ZR 9/20) festgestellt, dass der öffentliche Auftraggeber ein geschütztes Interesse daran habe, dass die Preise durchweg korrekt angegeben würden. Auch vorliegend habe die Antragstellerin in ihrem Angebot Preise angegeben, die nicht die geforderten Leistungen umfassten. Insoweit sei die Rechtsprechung des BGH auf das gegenständliche Nachprüfungsverfahren übertragbar.
Abschließend teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Baulogistikhandbuch und die Leistungsbeschreibung versehentlich von unterschiedlichen Arbeitszeiten ausgehen würde. Tatsächlich müsse die Baustelle von 06:45 Uhr bis 17:15 Uhr besetzt sein und entsprechend unter Position 2.2.3.10 kalkuliert werden.
Mit Beschluss vom 21.06.2023 wurde die Beigeladene dem Nachprüfungsverfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu erstatten,
3. die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für die Beigeladene für notwendig zu erklären.
Sie ist der Ansicht, dass die Antragstellerin nicht geeignet sei, den Auftrag durchzuführen, außerdem habe sie Änderung an den Vergabeunterlagen vorgenommen. Insoweit erfolgte der Ausschluss vergaberechtskonform. So sei von der Antragsgegnerin zutreffend ermittelt worden und für ein fachkundiges Unternehmen ohne weiteres erkennbar, dass für die Position "Baulogistikleistung B" drei Mitarbeiter eingesetzt werden müssten. Die Antragstellerin sei aber offenkundig nicht in der Lage, ausreichend Personal einzusetzen. Insoweit könne sie auch keinen ausreichenden Personalbestand nachweisen. Zudem sei sie auf Grund fehlender Fachkunde nicht in der Lage, den Personalbedarf korrekt zu ermitteln. Darüber hinaus habe sie Vergabeunterlagen abgeändert, indem sie für die Position "Baulogistikleistung B" nur einen Mitarbeiter einzusetzen gedenke. Damit würde sie gegen die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses verstoßen, das "eine dem Leistungsbild angemessene Baustellenbesetzung, welche die beschriebene Leistung abdeckt," erfordere. Auf Grund der geforderten Parallelität der Andienung der Entladezonen sei es unmöglich, mit nur einem Mitarbeiter die Position "Baulogistikleistungen B" zu kalkulieren. Dies habe die Antragstellerin als ein am Markt tätiges Unternehmen erkennen können und müssen. Die Beigeladene selbst würde fortlaufend Leistungsbeschreibungen bearbeiten, die die Anforderungen der streitgegenständlichen Leistungsbeschreibung aufwiesen. Im Übrigen sei auch das Personalkonzept keine nur unverbindliche Kalkulationsangabe. Darüber hinaus wies die Beigeladene darauf hin, auch das Leistungsverzeichnis hinsichtlich der Arbeitszeit eindeutig sei. Insbesondere sei die Arbeitszeit für das auf- und abschließen der Baustelle von einer anderen Preisposition umfasst.
Die Frist für die Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 GWB wurde bis zum 31.08.2023 verlängert. Am 27.07.2023 hat eine mündliche Verhandlung in den Räumen der Vergabekammer Westfalen stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeunterlagen und die Niederschrift aus der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Vergabekammer Westfalen ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vorgangs gemäß § 159 Abs. 3 GWB i.V.m. § 2 Abs. 1 VK ZuStV NRW örtlich zuständig. Der geschätzte Auftragswert sowie die Angebotssummen liegen über dem maßgeblichen Schwellenwert. Ob die streitgegenständliche Beschaffung in den Anwendungsbereich der VgV oder VOB/A-EU fallt, muss nicht abschließend entschieden werden. Ungeachtet der Tatsache, dass der Ausschlussgrund, den die Antragsgegnerin in Felde führt, in beiden Vorschriften identisch ausgestaltet und die hierzu ergangene Rechtsprechung kongruent ist, hätte ein möglicher Verstoß wohl unverzüglich gerügt werden müssen (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 18.03.2015, 1/SVK/001-15). Die Antragstellerin hat diesen Punkt erst mit dem Nachprüfungsantrag gerügt und ist jedenfalls in diesem Fall präkludiert. Die übrigen Beanstandungen wurden allerdings fristgerecht erhoben, so dass die Kammer hierrüber entscheiden muss.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, weil der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin vergaberechtrechtswidrig erfolgte.
Es ist - sowohl nach § 53 Abs. 7 VgV als auch nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A-EU - unzulässig, Änderungen an den Vergabeunterlagen vorzunehmen. Sofern mit einem Angebot Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen werden, ist es nach § 57 Abs. 1 Nr. 7 VgV respektive § 16 Nr. 2 VOB/A-EU zwingend auszuschließen. Dies ist auch nur konsequent. Das Verbot der Änderung der Vergabeunterlagen dient einerseits der Sicherstellung der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (vgl. Gesetzesbegründung zur VgV, Seite 115). Außerdem soll gewährleistet sein, dass der öffentliche Auftraggeber nicht ein Angebot bezuschlagt, dass seinen Anforderungen nicht entspricht (vgl. Gesetzesbegründung zur VgV, aaO). So ist ein echter und unverfälschter Wettbewerb nur dann gewährleistet, wenn in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote vorliegen, denen eine identische Vertragsgrundlage zu Grunde liegt (vgl. schon: BGH, Beschluss vom 18.02.2003, X ZB 43/02; zur identischen Vertragsgrundlage etwa: Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.01.2014, 3 VK LSA 49/13).
Dabei ist der Begriff der Änderung der Vergabeunterlagen weit zu verstehen (vgl. schon OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2012, 11 Verg 11/11 sowie VK Sachsen, Beschluss vom 27.02.2020, 1/SVK/044-19). Nicht erforderlich ist dabei, dass das Unternehmen den Wortlaut der Ausschreibung als solchen - etwa durch Ergänzungen oder Streichungen - abändert (vgl. BR Drs. 87/16), mithin also "gestalterisch" auf die Vergabeunterlagen einwirkt (vgl. OLG Frankfurt aaO.). Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt regelmäßig auch dann vor, wenn das Unternehmen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen inhaltlich abweicht, im Ergebnis ein Aliud, also eine andere als die ausgeschriebene Leistung, anbietet (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2006, Verg 77/05). Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt auch dann vor, wenn der Bieter ein Produkt oder Leistung anbietet, die von den eindeutigen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung abweicht (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 11.05.2016, 54 Verg 3/16).
Ein Angebotsausschluss wegen Änderungen der Vergabeunterlagen kommt nur in Betracht, wenn die Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind. Unklarheiten gehen dabei immer zu Lasten des Auftraggebers (vgl. statt vieler und mit weiteren Nachweisen: VK Rheinland, Beschluss vom 06.01.2023, VK 23/22).
Steht der Ausschluss eines Angebots wegen Änderungen der Vergabeunterlagen im Raum, ist (i.) zunächst festzustellen, was die Vergabeunterlagen eindeutig fordern, um (ii.) in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das in Rede stehende Angebot tatsächlich von den eindeutigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung abweicht. Vorliegend sind die Vergabeunterlagen nicht eindeutig (nachfolgend unter a., so dass es auf den Inhalt des Leistungsangebots der Antragstellerin nicht mehr ankommt (nachfolgend unter b.).
a. Zwar dürfte die Antragsgegnerin ausweislich der Ausführungen im Vergabevermerk vor Augen gehabt haben, dass die Bieter jedenfalls mehr als einen Mitarbeiter einsetzen und demzufolge auch den Pauschalpreis entsprechend kalkulieren. Inwieweit diese Vorstellung mit der angebotenen Personalstärke der Antragstellerin erfüllt werden kann, ist zwar zweifelhaft, muss aber nicht entschieden werden. Denn die Leistungsbeschreibung gestaltet sich unter der Ziffer 2.2.3.10 als nicht eindeutig, so dass die unzureichende Mengenangabe der Antragstellerin nicht den Ausschluss rechtfertigen kann.
Ob eine Änderung oder Ergänzung vorliegt, ist anhand des verobjektivierten Empfängerhorizontes nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Insbesondere muss eindeutig eine Abweichung von den Vorgaben aus den Vergabeunterlagen vorliegen, um einen Ausschluss zu rechtfertigen (vgl. schon VK Bund, Beschluss vom 05.12.2016, VK 2 - 107/16). Das Vorliegen einer Änderung ergibt sich aus dem Vergleich der Vergabeunterlagen mit dem Angebot (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.2017, 11 Verg 11/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017, Verg 17/17; OLG Naumburg, Beschluss vom 12.09.2016).
Maßgeblicher Bedeutung kommt dabei der Leistungsbeschreibung zu. Die Unternehmen müssen ihre Angebote an den geforderten Spezifikationen ausrichten (vgl. § 121 Abs. 1, S. 2 GWB). Deshalb müssen Vergabeunterlagen so gefasst werden, dass alle "durchschnittlich fachkundigen Bieter" sie bei Anwendung "der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen" können (vgl. nur EuGH, Urteil vom 02.06.2016, Rs. C-27/15 und Urteil vom 14.12.2016, Rs. C-171/15). Daher statuiert § 121 Abs. 1 GWB, § 31 Abs. 2 Nr. 2 VgV respektive § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU die Pflicht, dass der Auftraggeber den Auftragsgegenstand - und dazu zählen auch die Ausführungsvorgaben - so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreibt.
Dies bedeutet freilich nicht, dass die Leistungsbeschreibung zwingend nur eine Auslegungsmöglichkeit enthält. Die Sprache selbst ist selten völlig eindeutig und das Verständnis stets auch vom Empfängerhorizont mitbestimmt. Auch bei sorgfältiger Erstellung einer Leistungsbeschreibung kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass geringe Unklarheiten auftreten (vgl. schon OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.07.2014, 15 Verg 5/14). Ob mehrere Deutungsmöglichkeiten bestehen, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Leistungsbeschreibung ist Teil des anzubahnenden Vertragswerks für den Auftrag. Auf sie finden die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB Anwendung (vgl. schon und immer noch gültig: BGH, Beschluss vom 10.06.2008, X ZR 78/07).
Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters (vgl. ständige Rechtsprechung des BGH, beginnend mit Beschluss vom 22.04.1993, VII ZR 118/92). Mit anderen Worten: Es kommt mithin nicht darauf an, wie der einzelne Bieter die Leistungsbeschreibung verstanden hat, "sondern wie der durchschnittliche Bieter des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder durfte" (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2020, Verg 36/19). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (vgl. instruktiv: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018, Verg 52/17).
In diesem Sinne nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen dann, wenn auch nach Auslegungsbemühungen durch fachkundigen Unternehmen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben (vgl. schon BGH, Urteil vom 10.06.2008,- X ZR 78/07) oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder geleistet werden kann (vgl. jüngst und m.w.N. OLG Schleswig, Beschluss vom 19.09.2022, 54 Verg 3/22). Konsequenz dessen ist auch, dass bei der Auslegung der Vergabeunterlagen diejenigen Dokumente mit einbezogen werden dürfen, die dem Bieter bis zum Angebotsschluss bekannt waren. Erwägungen oder Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers, die er nur in internen Dokumenten niedergelegt hat, können bei der Auslegung freilich keine Rolle spielen.
Diesen Anforderungen folgend, waren die Vergabeunterlagen und namentlich das Leistungsverzeichnis nicht mehr eindeutig. Vielmehr erfolgten widersprüchliche Angaben. Unbeachtlich ist insoweit zunächst, dass die Antragsgegnerin in ihrem nicht veröffentlichten Vergabevermerk feststellt, dass die Mannstärke zwingend >1 sein muss. Diesem Umstand kann allenfalls indizielle Wirkung zukommen und einen Rückschluss auf das Interesse der Antragstellerin zulassen. Da er aber den Bietern bis zur Angebotsfrist nicht bekanntgegeben wurde, ist er für den Inhalt der Auslegungsbemühungen insoweit nicht heranzuziehen. Erst Recht können mittels eines unveröffentlichten Vergabevermerks keine wirksamen Mindestanforderungen aufgestellt werden.
Vorliegend sind die Ausführungen und Vorgaben im Leistungsverzeichnis maßgeblich, wobei auch die weiteren Vergabeunterlagen und namentlich die übersandte Baustellenkarte und das Baulogistikhandbuch zu berücksichtigten sind.
Zunächst wird unter Ziffer 2.2.3. das Aufgabenbild beschrieben, das Leistungen im Rahmen der Versorgungslogistik, Leistungen im Rahmen des Flächenmanagements sowie Entsorgungsleistungen und Reinigungsleistungen umfasst. Außerdem erfolgt der Zusatz, dass der Personaleinsatz "wie folgt zu kalkulieren ist: Gefordert werden eine zügige Erbringung der Leistung und ein dem Leistungsbild angemessene Baustellenbesetzung, welche die zuvor beschriebenen Leistungen umfassend abdeckt." Einerseits kann der dieser Zusatz zunächst als deklaratorische Anforderungswiedergabe eines jeden Baulogistikvertrages gewertet werden. Geschuldet wird vom jeweiligen Baulogistiker - wie von jedem anderen Dienstleister auch - die zügige Erbringung der Leistung. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn - wie etwa bei komplexen Bauvorhaben - verschiedene Leistungsabschnitte nacheinander durchgeführt werden. In diesem Fall überträgt sich eine Verzögerung in einem Leistungsabschnitt einem Dominoeffekt entsprechend, gleichermaßen auf die anderen, nachfolgenden Leistungsabschnitte. Andererseits weist diese Formulierung die Bieter auch darauf hin, dass die Antragsgegnerin kein festes Personalkonzept vorgegeben hat, es mithin den Bietern überlasst, sowohl für diese Leistungsposition als auch für die übrigen Leistungspositionen, die eine Personalnotwendigkeit haben, die entsprechenden Bedarf zu ermitteln und damit zu kalkulieren. Anhand der den Vergabeunterlagen beigefügten Baustellenkarte dürfte einem fachkundigen Unternehmen klar sein, dass die abgefragten Baustellenlogistikleistungen unter Ziffer 2.2.3.10 nicht nur mit einem anwesenden Mitarbeiter im Zeitraum von 7 Uhr bis 17 Uhr bewerkstelligen ist, sondern in diesem Zeitraum mehrere Mitarbeiter tätig sein müssen.
Allerdings wird diese Anforderung durch eine weitere Vorgabe im Leistungsverzeichnis konterkariert. So heißt es dort unmittelbar, bevor die Personalmonatskosten eingetragen und als Gesamtkosten angegeben werden müssen: "50,00 h/Woche Personalkosten je Monat". Die Angabe bezieht sich - jedenfalls kann man in vertreterbarer Weise dieser Sichtweise folgen - auf die Eintragungen, die unter Ziffer 2.2.3.10 zu erfolgen haben. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Leistungsverzeichnisses lässt dieses in nachvollziehbarer Weise den Schluss zu, dass das Personal mit einer Wochenarbeitszeit von insgesamt 50 Stunden pro Woche kalkuliert werden muss. Dafür, dass diese Sichtweise nicht ganz fernliegend ist, spricht auch die Tatsache, dass zwei von vier Bietern im Rahmen ihres Angebots mit einer Leistung von einer Mannstärke kalkuliert haben.
Insoweit verbietet es sich ausgehend von der vorstehend skizzierten Sichtweise, mit mehr als 50 Stunden pro Woche zu kalkulieren. Andernfalls würde es sich der Gefahr des Vorwurfs einer Mischkalkulation ausgesetzt sehen, da der angegebene Preis für die Arbeitsstunden nicht zutreffen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.02.2009, Verg 66/08).
Darüber hinaus ist das Leistungsverzeichnis auch dahingehend ungenau, als dass es zwar von 50,00 h/Woche spricht und diese aus der vorgegebenen Baustellenbesetzung von 7 Uhr bis 17 Uhr herleitet. Andererseits heißt es im Baulogistikhandbuch:
"Die Leistungszeiten der Baulogistik auf der Baustelle sind, mit jeweils einem 15-minütigen Vor- und Nachlauf, wie folgt definiert:
- montags bis freitags von 06:45 - 17:15
- samstags nur nach Aufforderung des AG"
Insoweit besteht ein nicht unerheblicher Widerspruch zu den Anforderungen der Leistungsbeschreibung. Während das Baulogistikhandbuch von einer Wochenstundenzahl von 52,5 Stunden ausgeht, sieht das Leistungsverzeichnis auf Grund der eindeutigen schriftlichen Vorgabe eine Wochenstundenzahl von 50,0 Stunden vor. So trägt die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 21.07.2023 vor, dass das
"Stundenkontingenz (...) nämlich nur den Zeitraum [definiert], in dem das zu kalkulierende Personal die Leistung gemäß definiertem Umfang zu erbringen hat."
Dieser Widerspruch zeigt sich auch in dem Umstand, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass auch die "Schließzeiten" unter der Position 2.2.3.10 zu kalkulieren sind, während jedenfalls die Beigeladene davon ausgeht, dass diese Zeiten unter einer anderen Position zu kalkulieren sind. Inwieweit sich dieser Unterschied auch während des "gelebten Vertrages" ausgewirkt hätte, bleibt spekulativ und muss von der Kammer nicht näher beleuchtet werden. Festzustellen bleibt für die Kammer allein, dass sich auch in diesem Punkt die Vergabeunterlagen widersprechen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass auch mit fachkundiger Auslegung dem Leistungsverzeichnis mehrere Auslegungsmöglichkeiten innewohnen, es mithin nicht eindeutig ist.
Auch dürfte das miteinzureichende Personalkonzept dem Leistungsverzeichnis nicht zur Eindeutigkeit verhelfen. Zwar dürfte die Antragstellerin mit ihren Angaben einen reibungslosen Baustellenablauf nicht gewährleisten können, wie ihn die Antragsgegnerin ausweislich des nicht veröffentlichten Vergabevermerks vor Augen hatte. Jedoch entfaltet nach dem Vortrag der Verfahrensbeteiligten das Personalkonzept keine wie auch immer geartete bindende Wirkung. Nachvollziehbar für die Kammer ist der Sinn und Zweck, den die Antragsgegnerin mit der Vorgabe, ein Personalkonzept einzureichen, verfolgen wollte. Dieser bestand ausweislich des Vortrags der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung darin, während der Vertragslaufzeit bei Verzögerungen im Rahmen der Baustellenabfertigung zu prüfen, ob die entsprechende Personalmenge auch tatsächlich eingesetzt wird. Allerdings besteht nach Vortrag der Parteien keine Verpflichtung, die angegebene Personalmenge zu jedem Zeitpunkt "vor Ort" zu haben. Auch im Falle einer Bauzeitverzögerung entfaltet das Personalkonzept keine Verpflichtung, das einzusetzende Personal anderweitig einzusetzen oder für einen anderen aus der Verzögerung verspäteten Zeitraum vorzuhalten.
Da die Antragsgegnerin den Ausschluss gemäß § 16d Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU nicht mehr aufrecht hält, muss die Kammer hierrüber nicht mehr befinden. Sehr gute Gründe sprechen allerdings dafür, dass der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen eines unangemessen niedrigen Preises vergaberechtswidrig erfolgen würde. Maßgeblich für die Einschätzung, ob ein unangemessen niedriger Preis vorliegt, ist die Gesamtkostenhöhe.
b. Eingedenk der vorstehende Erwägungen ist es nicht mehr entscheidungserheblich, was genau die Antragstellerin angeboten hat.
III.
Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 1 GWB auch in ihren Rechten verletzt. Denn der vergaberechtswidrige Angebotsausschluss wegen der Änderung der entsprechenden Vergabeunterlagen führt dazu, dass sie keine Chance auf den Zuschlag hat.
Gemäß § 168 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Anträge haben keine den Streitgegenstand umgrenzende Funktion (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2019, Verg 30/18). Unter mehreren möglichen Maßnahmen zur Beseitigung muss sich die Vergabekammer für diejenige entscheiden, die die Interessen der Beteiligten am wenigsten beeinträchtigen (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 13/19).
Vorliegend ist eine Auftragsvergabe auf Grundlage der bestehenden Vergabeunterlagen nicht möglich. Da die Korrektur der Leistungsbeschreibung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer möglich und zulässig ist, war daher - bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - das Vergabeverfahren in den Stand vor Bereitstellung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen. Es ist für die Vergabekammer kein anderes milderes Mittel ersichtlich, welches die Heilung der Vergaberechtsverstöße in dem laufenden Vergabeverfahren ermöglichen würde.
Der Vergabekammer ist bewusst, dass damit und unter Berücksichtigung der bereits bekanntgemachten Preise auch in die Wettbewerbsposition der Antragstellerin eingegriffen wird, sieht dies hier jedoch als einzigen Weg an, um ein transparentes und faires Vergabeverfahren zu ermöglichen und schließlich vergleichbare Angebote zu erhalten.
Der guten Ordnung halber weist die Kammer darauf hin, dass die Frist zur neuen Angebotserstellung maßgeblich davon abhängt, wie umfangreich die Änderungen und die damit verbundenen neuen Mehraufwände ausfallen. Vorliegend handelt es sich lediglich um eine Kostenposition, die - vereinfacht gesprochen - entsprechend der einzusetzenden Personalanzahl multipliziert werden muss. Insoweit dürfte eine eher kürzere Frist noch angemessen sein.
IV.
Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.
Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Abs. 2 GWB mindestens 2.500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden. Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Abs. 3 GWB die Kosten zu tragen.
Die Kammer setzt vorliegend eine Gebühr in Höhe von ### Euro fest. Für die Berechnung der Verfahrensgebühr zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2005, Verg 30/05). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzliche die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2011, X ZB 5/10).
Als unterlegene Parteien ist die Verfahrensgebühr der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aufzuerlegen. Durch eigenen Vortrag und die Stellung eigener Anträge hat sich die Beigeladene ins Kostenrisiko begeben (vgl. statt vieler OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.04.2022, Verg 32/21). Die Antragsgegnerin genießt Kostenfreiheit gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2009, Verg 20/09), so dass keine Zahlungspflicht hinsichtlich der hälftigen Verfahrensgebühr besteht.
Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Abs. 4 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war notwendig, da die Verfahrensführung in einem Nachprüfungsverfahren für rechtliche Laien häufig unübersichtlich ist und schnell zu Fehlentscheidungen führt. Insbesondere waren vorliegend schwierige und komplexe vergaberechtliche Fragen streitentscheidend. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können. Die notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Antragstellerin werden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen jeweils zur Hälfte auferlegt.
V.
(...)
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VK Lüneburg
Beschluss
vom 01.03.2023
VgK-3/2023
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags in einem Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Abfrage bei der zuständigen Registerbehörde vorzunehmen. Die erforderliche Abfrage zum Wettbewerbsregister kann noch im Zuge des Vergabenachprüfungsverfahrens erfolgen.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat ein berechtigtes Interesse, die aufwändige Prüfung der Einhaltung von DIN-Normen aus dem Vergabeverfahren auszulagern und stattdessen die Vorlage von bereits im Vorfeld erlangten Prüfergebnissen in Form von Zertifikaten zu verlangen, die durch akkreditierte Zertifizierungsunternehmen nach entsprechender Prüfung ausgestellt werden.
3. Zweck einer geforderten verlangten Zertifizierung ist es, dem öffentlichen Auftraggeber eigene aufwändige Ermittlungen zu ersparen. Bezieht sich das Zertifikat auf das benannte Unternehmen oder auf den benannten Standort oder die Betriebsstätte des Unternehmens, hat der öffentliche Auftraggeber keinen Anlass, die Eignung des benannten Unternehmens für die zertifizierten Dienstleistungen im Wege der Aufklärung zu hinterfragen.
4. Bei der Prüfung der Angemessenheit des angebotenen Preises handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage der Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht per se gehindert, den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen.
5. Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bei Liefer- und Dienstleistungen kann sich der Auftraggeber an einer 20%-Schwelle orientieren.
6. Eine Teilschwärzung von Passagen des schriftsätzlichen Vortrags durch die Verfahrensbeteiligten ist in dem Rahmen zulässig, der auch aus wichtigen Gründen des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zulässig und geboten ist.
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten werden auf ... Euro festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
4. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für den Antragsgegner als auch die Beigeladene notwendig.
Begründung:
I.
Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom ... 2022 und Änderungsbekanntmachung vom ... 2022 das Einsammeln von kommunalem Müll im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Streitgegenständlich ist Los 1 die Behälterabfuhr. Diese Leistungen wurden und werden durch die Antragstellerin als Bestandsunternehmerin erbracht.
Die Leistung von Los 1 wird nach Ziffer II.2.4) der Bekanntmachung wie folgt beschrieben:
"- Abfuhr von Restmüll in 2-wöchentlichem Turnus, Einsatz eines ldent-Systems mit Verwiegung; Zielanlage ist die ...-Anlage in ... (im Kreisgebiet) bzw. ab 2029 eine eventuell zu stellende eigene Umschlaganlage,
- Eventuell: Umschlag von Restabfällen ab 2029
- Abfuhr von Biomüll in 2-wöchentlichem Turnus, Einsatz eines ldent-Systems mit Verwiegung, mit dem Bioabfall ist gebündelter Baum- und Strauchschnitt abzufahren; Zielanlage ist das Kornpostwerk in ...;
- Abfuhr von Altpapier in 4-wöchentlichem Turnus, Zielanlage ist eine vom Bieter zu benennende Umschlaganlage,
- Behälteränderungsdienst, Beschaffung von Behältern"
Die Laufzeit des Vertrages soll gemäß Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung am 01.01.2024 beginnen und am 31.12.2031 enden.
Nach Ziffer II.2.5) ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium. Nach den Ziffern II.2.10) und II.2.11) sind Varianten/Alternativangebote nicht zulässig und Optionen nicht vorgesehen.
Für die Teilnahmebedingungen gilt nach Ziffer III.1.1) zum Nachweis der Befähigung zur Berufsausübung:
"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
BB 1 Unternehmensbeschreibung
Als Anlage ist eine eigene Darstellung, Broschüre o.Ä. beizufügen, aus der Angaben zum Unternehmen, zur Unternehmensstruktur (z.B. Muttergesellschaften, Konzernzugehörigkeit) sowie ggf. zur zuständigen Niederlassung hervorgehen.
BB 2 Registereintrag
Als Anlage ist ein aktueller Auszug aus dem Berufs- oder Handelsregister nach Maßgabe des Landes, in dem der Bieter ansässig ist, beizufügen."
Nach Ziffer III.1.2) gilt zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit:
"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
WL 1 Angaben zum Gesamtumsatz der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 20192021.
WL 2 Angaben zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021
- Los 1 die behältergestützte Abfuhr (typischerweise Restabfälle, Bioabfälle, PPK o.ä.), [...]"
Nach Ziffer III.1.3) gilt zum Nachweis für die Technische und berufliche Leistungsfähigkeit:
"Für jeden Bieter, mindestens ein Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
BL 1 Qualitätssicherung
Nachweis für die Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb für Los 1: für die Tätigkeit "Sammeln", Abfallschlüsselnummer 20 03 01 [...]
Bei ausländischen Bietern: gleichwertige Qualitätssicherung
BL 2 Referenzen mindestens je eine Referenz im Kommunalauftrag für mindestens 50.000 Einwohner für (Los 1) die Abfallabfuhr von mindestens zwei Fraktionen mittels Umleerbehältern [...]"
Ergänzend wird unter VI.3) "Zusätzliche Angaben" festgelegt:
Zu III.1 Teilnahmebedingungen, für Bietergemeinschaften:
"Eine Bietergemeinschaft hat im Angebotsformular ihre Mitglieder aufzuführen und eine von allen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung abzugeben,
- dass im Auftragsfall eine Arbeitsgemeinschaft gebildet wird,
- dass der benannte Vertreter gegenüber der Auftraggeberin im Vergabeverfahren und im Vertragsvollzug alle Mitglieder rechtsverbindlich vertritt,
- dass alle Mitglieder als Gesamtschuldner haften, und in der die beabsichtigte Arbeitsteilung sowie die Gründe und Motive der Zusammenarbeit angegeben sind."
Zu III.1 Teilnahmebedingungen, bei Einsatz von Unterauftragnehmern und bei Eignungsleihe:
"Falls Leistungen von einem Unterauftragnehmer ausgeführt werden sollen, ist im Angebotsformular die Erklärung zum Einsatz von Unterauftragnehmern auszufüllen.
Beruft sich ein Bewerber zum Nachweis seiner Eignung (wirtschaftliche und finanzielle sowie technische und berufliche Leistungsfähigkeit) auf die Kapazitäten anderer Unternehmen (sog. Eignungsleihe), so ist durch Vorlage einer Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers nachzuweisen, dass dieser dem Bieter die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stellt.
Ein Bieter kann im Hinblick auf Nachweise für die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit oder die einschlägige berufliche Erfahrung die Kapazitäten anderer Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen, wenn diese als Unterauftragnehmer die Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden (vgl. § 47 Abs. 1 VgV).
zu III.1 Für vorzulegende leistungsbezogene Unterlagen siehe Kap. 5 der Vergabeunterlagen."
Nach Ziffer 2.7 "Unterauftragnehmer" der Vergabeunterlagen wird u.a. festgelegt:
"Mit Blick auf die Eignungsprüfung sind für Unterauftragnehmer je nach Leistungsbereich bestimmte Unterlagen vorzulegen. Diese sind Kap. 5.3 - 5.6 zu entnehmen."
In Ziffer 2.10 der Leistungsbeschreibung führt der Antragsgegner zu den einzureichenden Unterlagen aus:
"[...] Der AG weist darauf hin, dass gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV Angebote, die die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen nicht enthalten, ausgeschlossen werden.
Der AG kann die Bieter jedoch gemäß § 56 Abs. 2 VgV unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. [...]"
Nach Ziffer 3.2.4.5 der Leistungsbeschreibung
"betreibt der AG ein System für die elektronische Identifizierung der Abfallbehälter (Identsystem) mit Verwiegung. Alle im Einsatz befindlichen Rest- und Bioabfallbehälter sind mit Transponderchips ausgestattet.
Das System ist gebührenscharf und dient als Abrechnungsgrundlage der Leistungsgebühr von Rest- und Bioabfall. Der AN hat bei der Einsammlung von Rest- und Bioabfall ein IdentSystem mit Verwiegung zu verwenden und die ständige Betriebsbereitschaft des Systems sicherzustellen.
Ältere Behälter wurden mit Read/write-Transpondern ausgestattet. Seit 2014 wurden auch handelsübliche Read-only-Chips nach dem BDE-Standard verwendet. Die vom AN eingesetzte Technik muss beide Transpondertypen lesen können.
[...]
Der AN hat die fahrzeugseitigen und sonstigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche Daten automatisiert (außer Entsorgungsmeldungen) und vom Fahrer unbeeinflusst geschrieben werden. Die einschlägigen Normen DIN 30745 (Elektronische Identifikation von Abfallsammelbehältern durch Transpondertechnologie mit Frequenzen unter 135 kHz) und DIN EN 14803 (Identifikation und/oder Mengenbestimmung von Abfall) sind zu beachten."
Zudem verweist der Antragsgegner auf die von ihm eingesetzte Software ... der Fa. .... Die Datenübergabe müsse dieser Software entsprechen. Die Schnittstellendefinition der Fa. ... werde dem AN frühzeitig übermittelt.
Zu den Leistungspflichten gehört nach Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung:
"(1) Der AN hat im Kreisgebiet eine Umschlaganlage zu betreiben. Diese dient als Zielanlage für die Abfuhr von Altpapier sowie für die Verladung des Altpapiers in die Fahrzeuge des AN Los 2 und in die der Systeme.
(2) Der AN hat dem AG spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung den Standort der Umschlaganlage mitzuteilen. Sofern der AN diese nicht selbst betreibt, hat er den AG zugleich um Genehmigung zur Einschaltung eines Nachunternehmers nach § 4 Entsorgungsvertrag zu ersuchen."
Nach Ziffer 3.2.4.7 besteht für die Antragsgegnerin ein einheitliches System der Altpapiererfassung, welches durch Betreiber von Rücknahmesystemen nach VerpackG mitbenutzt wird.
"[...] Der AN Los 1 wird also zukünftig PPK entsprechend dem Mengenanteil der jeweiligen Systeme in die Fahrzeuge der von Systemen beauftragten Spediteure laden. Der kommunale Anteil sowie der Anteil der Systeme, welche keine Herausgabe fordern, werden in die Fahrzeuge des AN Los 2 geladen.
[...]
Als Nebenleistung hat der AN Los 1 die Nachweispflichten zu erbringen, welche der Antragsgegnerin obliegen, und auch die Weiterverladung an die Systeme datenmäßig abzuwickeln."
Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 19.01.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass deren Angebot für Los 1 nicht berücksichtigt werden solle, da es nicht das wirtschaftlichste sei. Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.01.2023, dass es der Bieterinformation an mitzuteilenden Gründen für die Nichtberücksichtigung fehle. Die formelhafte Information erfülle nicht die Zielsetzung, dem jeweiligen Bieter die Abschätzung der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens zu ermöglichen. Zudem sei die Angebotswertung in Los 1 in der Sache fehlerhaft. Das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen verfüge nicht über die geforderte Umschlaganlage für Altpapier und werde sie auch nicht binnen der vorgegebenen Frist zur Verfügung stellen können. Zudem verfüge es nicht über ein geeignetes Ident-System. Auch der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig. Das Angebot der Antragstellerin sei äußerst knapp kalkuliert und Kosten für die Ersterrichtung einer Umschlaganlage würden für sie nicht anfallen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Preisprüfung durchgeführt worden sei.
Insgesamt werde die mangelnde Eignung und Fähigkeit der Beigeladenen einschließlich ihrer Nachunternehmer für die ordnungsgemäße Leistungserbringung gerügt. Die Beigeladene könne die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen ausschließlich mit Nachunternehmern sicherstellen. Es werde bestritten, dass alle Nachunternehmer ihrerseits die Eignungsanforderungen erfüllen und für alle Nachunternehmer ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen vorliegen würden.
Mit Rügeantwort vom 25.01.2023 teilte der Antragsgegner mit, dass das Angebot der Antragstellerin für Los 1 auf dem 2. Rang liegen würde. Weiter wurde mitgeteilt, dass den Rügen nicht abgeholfen werde. Daraufhin reichte die Antragstellerin am 26.01.2023 einen Nachprüfungsantrag ein.
Die der Antragstellerin mitgeteilte Zuschlagsabsicht für das Los 1 sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Der Antrag sei sowohl zulässig als auch begründet.
Mit den Ausführungen zur Rangfolge im Informationsschreiben, soweit es sich um eine zutreffende Darstellung des Ergebnisses des Bieterwettbewerbes handele, sei die Informationspflicht hinsichtlich Los 1 erfüllt.
Nach Kenntnis der Antragstellerin könne die Beizuladende die Anforderungen an die zu gestellende und zu betreibende Umschlaganlage für Altpapier nicht erfüllen. Sie verfüge selbst nicht über eine solche Umschlaganlage und eine Neuerrichtung sei trotz des Zeitnachlasses von sechs Monaten ab Zuschlagserteilung offenkundig nicht möglich. Sollte sich die Beigeladene insoweit eines Nachunternehmers bedienen wollen, gäbe es derzeit auch keine andere geeignete und den Anforderungen entsprechende Umschlaganlage im Kreisgebiet. In jedem Falle bedürfte es der Erlangung zusätzlicher (Änderungs-)Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und einer baulichen Änderung bestehender Anlagen, für die notwendige Lagerhalle ggf. sogar einer Neuerrichtung. Dies sei im vorgegebenen Zeitrahmen nicht möglich.
Es sei beurteilungs- und rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsgegner auf die diesbezüglichen Rügen lediglich darauf verweise, dass er auf die Einhaltung vertraglicher Leistungsanforderungen durch die Bieter vertrauen dürfe. Die Vergabestelle habe sich vielmehr angemessen und hinreichend mit der Frage zu befassen, ob aufgrund des Bieterangebotes und etwaiger weiterer Aufklärungen prognostisch mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei.
Sinngemäß gelte dies auch für die Beschaffung der benötigten Sammelfahrzeuge, die zudem mit einem Wiege- und Ident-System auszustatten seien, das amtlich geeicht sein müsse. Bei einer notwendigen Neuanschaffung sei eine Lieferung und Bereitstellung zum Leistungsbeginn am 01.01.2024 nicht mehr rechtzeitig möglich. Der Antraggegner vernachlässige, dass die zu beschaffenden technischen Einrichtungen auf den Fahrzeugen installiert und geeicht werden müssten.
Unbeantwortet bleibt der Hinweis der Antragstellerin, dass ein hoher Anteil der vorhandenen Abfallbehälter - wohl ca. 50% - mit älteren 4-Mhz-Chips ausgestattet seien, die von den meisten Ident-Systemen nicht ausgelesen werden können. Es scheint dem Antragsgegner nicht bewusst zu sein, dass nicht alle am Markt angebotenen Ident-Systeme hier einsetzbar seien. Es sei auch nicht erkennbar, ob er das Angebot der Beizuladenden insoweit auf technische Umsetzbarkeit geprüft habe.
Dem Antragsgegner fehle es an Problembewusstsein hinsichtlich der erforderlichen personellen und sächlichen Ressourcen und ihrer rechtzeitigen Beschaffung durch den Auftragnehmer. Personal sei in hinreichendem Umfang zu schaffen, dazu die notwendige soziale Infrastruktur (z.B. Umkleide- und Sanitärräume), ferner weitere Infrastruktur und sächliche Ausstattung (z.B. Abstellplätze für Fahrzeuge). Die Angebotswertung leide offensichtlich unter einem maßgeblichen Aufklärungsdefizit und an dem Unterlassen der geforderten prognostischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der Befähigung der Beizuladenden. Denn mit der Frage, wie die Beizuladende, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Fachkräftemangels (insbesondere Fahrermangels), die rechtzeitige Einstellung aller notwendigen, entsprechend geschulten und befähigten Arbeitskräfte rechtzeitig zum Leistungsbeginn sicherzustellen beabsichtige, habe er sich in der Angebotsprüfung offensichtlich nicht befasst. Es könne nicht damit gerechnet werden, dass sich ein zukünftiger Auftragnehmer aus dem Personalbestand des Bestandsauftragnehmers "bedienen" könne.
Zudem werde die Verpflichtung zur Preisaufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV verletzt, denn der Antragsgegner habe hinsichtlich der vorgenannten Neuerrichtung und dem Betrieb der Umschlaganlage, sowie den damit einhergehenden Mehrkosten für die Planungs-, Bau- und Genehmigungsmaßnahmen, nicht berücksichtigt, dass diese bei dem Bestandsauftragnehmer nicht anfallen würden.
Die Antragstellerin beantragt,
1.festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
2.dem Antragsgegner die Zuschlagserteilung in Los 1 zu untersagen;
3.den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung nach Maßgabe der Feststellungen der Vergabekammer zu wiederholen;
4.hilfsweise, andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin gebotene Anordnungen zu treffen;
5.dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin, aufzuerlegen;
6.festzustellen, dass die Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch die Antragstellerin erforderlich war;
7.der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
1.Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 26.01.2023 wird zurückgewiesen.
2.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.
3.Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Antragstellerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum sie der Ansicht sei, dass die Beigeladende ein ungewöhnlich niedriges Angebot abgegeben haben könnte. Die bloße Behauptung, dass ein Angebotspreis zwangsläufig unauskömmlich sein müsse, soweit dieser unterhalb des von der Bestandsunternehmerin kalkulierten Angebotspreises liege, dürfte den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag nicht genügen. Eine Rechtsverletzung käme nur in Betracht, wenn objektive Anhaltspunkte vorgetragen würden.
Bei der Prüfung der Angebotspreise habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass das Angebot der Beigeladenen ungewöhnlich niedrig und damit aufklärungsbedürftig sei. Dass die Beigeladene noch nicht über die entsprechende Umschlaganlage verfüge, sei kein Anhaltspunkt für ein ungewöhnlich niedriges Angebot. Die frühzeitige Ausschreibung der Leistungen ermögliche die erforderliche Rüstzeit und gewähre den Bietern die Chancengleichheit im Wettbewerb zur Bestandsunternehmerin. Der Antragsgegner dürfe sich darauf verlassen, dass die Beigeladene zum Leistungsbeginn leistungsbereit sein wird.
Auch die Behauptung, dass die Beigeladene nicht in der Lage sei, sechs Monate nach Zuschlag eine entsprechende Umschlaganlage zu benennen und die Umschlaganlage bis zum Leistungsbeginn am 1. Januar zu betreiben, sei unsubstantiiert. Der Standort der Umschlagsanlage sei dem Antragsgegner bekannt, so dass keine Zweifel an diesem Leistungsversprechen bestünden.
Zudem würden hinsichtlich der Leistungsversprechen zur Beschaffung der Sammelfahrzeuge und der entsprechenden Wiege- und Ident-Vorrichtungen keine Zweifel bestehen. Die Beigeladene gehöre zu einer leistungsfähigen Unternehmensgruppe und könne sowohl über den Gebrauchtwagen- als auch den Neuwagenmarkt entsprechende Fahrzeuge erhalten. Zum Thema Ident- und Verwiegungs-Systeme habe der Antragsgegner Erkundigungen eingeholt und von einem bekannten Fachunternehmen eine Kopie des Angebotes erhalten, welches dieses Unternehmen den Teilnehmern der hier streitgegenständlichen Ausschreibung unterbreitet habe. Danach liege die Regellieferzeit für Fahrzeugsysteme inklusive deren Installation bei ca. 10 Wochen ab schriftlicher Beauftragung.
Es fehle der Antragstellerin auch an der Antragsbefugnis wegen des unsubstantiierten Vortrages zur unzureichenden Personalressourcenausstattung. Der Antragsgegner habe keine Anhaltspunkte feststellen können, an dem Leistungsversprechen der Beigeladenen zu zweifeln.
Aufgrund der unsubstantiierten Behauptungen der Antragstellerin dürfte die Rüge hinsichtlich der Eignungs- und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen aus prozessualer Sicht als nicht existent einzuordnen sein. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag versuche, an weitere Informationen zu gelangen, um so ihre Behauptungen substantiieren zu können. Wenn sich dies bestätigen sollte, wäre der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch offensichtlich unbegründet. Bei Anwendung der bekanntgemachten Maßstäbe für die Zuschlagsentscheidung sei der Zuschlag zu Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Der Antragsgegner habe den ihm eingeräumten Beurteilungsspiel ordnungsgemäß ausgeübt. Bei einem Preisabstand von unter 10% zum nächst höherem Angebot bestehe regelmäßig kein Anlass für eine Aufklärung der Angemessenheit der Preise. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass die Angebotspreise zwischen den Anbietern nur geringfügig voneinander abweichen. Da die Angebotspreise der Antragstellerin und der Beigeladenen mit ca. ... % Differenz unterhalb jeglicher Aufgreifschwellen gelegen hätten und Mangels sonstiger belastbarer Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis, sei keine weitere Preisaufklärung geboten gewesen. Im direkten Vergleich des Bestandsangebotes im Kontext der gegenwärtigen Preissteigerungen mit den Angebotspreisen der Beigeladenen und der Antragstellerin habe kein Anhaltspunkt bestanden, von einem ungewöhnlich niedrigen Angebot der Beigeladenen auszugehen.
Die Mutmaßungen hinsichtlich eines angeblich unplausiblen Leistungsversprechens der Beigeladenen seien verfehlt. Der Auftraggeber sei nach den anerkannten obergerichtlichen Maßgaben grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Vielmehr dürfe er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Weder das Angebot der Beigeladenen selbst, noch die übrigen eingereichten Bieterunterlagen oder sonstigen Auskünfte, hätten Zweifel am Leistungsversprechen der Belgeladenen begründen können.
Auch die etwaigen Behauptungen zu etwaigen Verstößen gegen § 134 Abs. 1 GWB würden in der Sache keinen Erfolg haben. Es liege ersichtlich kein Verstoß gegen das Begründungserfordernis nach § 134 Abs. 1 GWB vor. Denn in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass in den Fällen, in denen der niedrigste Preis das alleinige Zuschlagskriterium darstelle, der Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit des eingereichten Angebotes ausreichen müsse. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie der angeblich erforderliche Hinweis auf die Rabattierungen die Einschätzung der Antragstellerin hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines etwaigen Nachprüfungsverfahrens hätte verbessern können. Selbst wenn, wäre dieser etwaige Verstoß spätestens mit dem Schreiben vom 25.01.2023 geheilt worden. Zudem führe ein Verstoß gegen die Begründungspflicht allein nicht automatisch zu einer Rechtsverletzung und einem daraus folgenden Schaden.
Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages dürfte die Akteneinsicht zu versagen sein. Hilfsweise wäre zu beachten, dass der Umfang auf den zur effektiven Durchsetzung subjektiver Rechte erforderlichen und entscheidungserheblichen Teil der Akte zu beschränken sei.
Wegen der teilweise komplexen rechtlichen Erwägungen sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig.
Die Beigeladene beantragt,
1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2.die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen;
3.die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.
Die Antragstellerin versuche ins Blaue hinein Eignungszweifel zulasten der Beigeladenen zu säen ohne dafür Tatsachen benennen zu können. Sämtliche Einwürfe und Vorhaltungen der Antragstellerin verblieben im Unklaren und Ungefähren. Die Beigeladene sei in der Lage, eine hinreichende Anzahl an qualifizierten Mitarbeitenden und Fahrzeugen aufzubringen, denn allein die ... Unternehmensgruppe verfüge über ... Mitarbeitende an ... Standorten in Deutschland und habe aktuell ca. ... Fahrzeuge im Einsatz. Angesichts der Größe und Bedeutung der Unternehmensgruppe der Beigeladenen wäre es an der Antragstellerin gewesen, aufzuzeigen, warum es der Beigeladenen nicht möglich sein soll, neue Mitarbeitende zu rekrutieren oder vorhandene Mitarbeitende mit der Auftragserfüllung zu betrauen. Die Beigeladene habe zudem für 2023 eine Zusage eines Herstellers für mindestens 30 neue Fahrzeuge. Auch die Bauplätze für den Einbau des Wiege- und Ident-Systems seien bereits blockiert, so dass einem Einsatz von geeigneten Sammelfahrzeugen zum 01.01.2024 nichts entgegenstehe.
Den überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners, dass der vorgelegte Antrag unzulässig sein dürfte, weil es bereits an der Antragsbefugnis der Antragstellerin fehle, werde sich umfassend angeschlossen. Ergänzend und vertiefend wird ausgeführt, dass willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen prozessual unbeachtlich seien. Die Mutmaßung der Antragstellerin, die Beigeladene sei nicht in der Lage, einige Fahrzeuge zum 01.01.2024 zu organisieren oder qualifizierte Mitarbeitende vorzuhalten, sei abwegig. Angeblich fehlende Mitarbeitende mit dem allgemeinen Hinweis auf den Fachkräftemangel in Deutschland zu begründen, genüge nicht um potentielle Rechtsverstöße geltend zu machen. Gleiches gelte für die Ausführungen, dass die Beigeladene nicht wie gefordert eine Umschlaganlage benennen könne.
Die Antragstellerin behaupte, nur sie sei in der Lage, das notwendige fachlich geschulte Personal aufzubringen, die notwendigen Fahrzeuge auch in Bezug auf die Auslesung älterer Chip-Modelle zur Verfügung zu stellen und eine taugliche Umschlaganlage zu benennen. Diese Argumentation würde letztlich auf die Verteidigung einer Monopolstellung hinauslaufen. Hierfür müsste die Antragstellerin substantiiert darlegen, woraus sich die Monopolstellung ergeben solle und nicht nur mutmaßen und spekulieren. Wenn strukturelle Vorteile dazu führen könnten, dass der Wettbewerb ausgeschlossen werde, liefe das den wettbewerblichen Anforderungen des Vergaberechts von vornherein zuwider.
Die Begründung der Antragstellerin bleibe hinter den Erfordernissen der Darlegungsverpflichtung weit zurück. In Bezug auf die übrigen rechtlichen Aspekte werde sich auch hier in vollem Umfang den Ausführungen des Antragsgegners angeschlossen.
Nach erhaltener Akteneinsicht hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.02.2023 ihren Vortrag aus dem Antragsschriftsatz vertieft und zu den Erwiderungen ergänzend Stellung genommen. Sie beanstandet, dass der Antragsgegner Teile seines offensichtlich für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrages durch "Schwärzungen" in einem Umfang unkenntlich gemacht habe, dass die Antragstellerin diese nicht nachvollziehen und sich hierzu auch nicht einlassen könne. Dies habe nach der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin zur Folge, dass Parteivortrag, der den anderen Parteien nicht zugänglich gemacht werde, zur Vermeidung einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör bei der Verhandlung und Entscheidung der Sache unberücksichtigt bleiben müsse.
Der Nachprüfungsantrag sei entgegen der Auffassungen des Antragsgegners und der Beigeladenen auch zulässig. Insbesondere seien die Rügen hinreichend substantiiert. Sie könne als unterlegene Bieterin die Einzelheiten des auf Seiten des Antragsgegners stattgefundenen Wertungsvorganges naturgemäß gar nicht kennen. Aber auch nach erfolgter Akteneinsicht, könne sie sich wegen zahlreicher vorgenommener "Schwärzungen" der maßgeblichen Bestandteile der Vergabeakte den Vorgang nur teilweise erschließen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Das Angebot der Beigeladenen sei aus mehreren Gründen nicht zuschlagsfähig. Aus der eingeschränkten Akteneinsicht sei für die Antragstellerin nicht ersichtlich, ob sich der Antragsgegner mit den Ausschlussgründen nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 VgV hinreichend auseinandergesetzt hat. Defizitär sei der Umgang des Antragsgegners mit den "personenbezogenen" Ausschlussgründen nach §§ 123, 124 GWB. Diesbezüglich werde festgestellt, dass alle Bieter und vorgesehenen Nachunternehmer in diesem Sinne "negative" Eigenerklärungen abgegeben haben. Feststellungen zu der Frage, ob anderweitig gegenteilige Erkenntnisse des Auftraggebers vorliegen, würden fehlen. Vor allem aber fehle der Hinweis auf die gemäß § 6 Abs. 1 Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) gebotene Abfrage von über das zur Zuschlagserteilung vorgesehene Unternehmen im Wettbewerbsregister des Bundes etwa enthaltenen Eintragungen. Zweifel bestünden auch hinsichtlich des unterbliebenen Ausschlusses wegen fehlender Unterlagen (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV).
Aus der Dokumentation gehe hervor, dass die Beigeladene ihrem Angebot nicht alle verlangten Unterlagen vollständig beigefügt habe. Vielmehr würden zum einen geforderte Unterlagen für einen Unterauftragnehmer, bei dem es offensichtlich um den Betreiber der Umschlaganlage für Altpapier handeln solle, zum anderen für einen offensichtlich durch die Beigeladene in Anspruch genommenen "Eignungsleihgeber" fehlen. Fehlende Unterlagen für den "Eignungsleihgeber" seien offensichtlich erst mehr als 14 Tage später nachgereicht worden als die für den "Unterauftragnehmer". Dies werfe für die Antragstellerin die nicht überprüfbare Frage auf, ob es die Beigeladene möglicherweise versäumt habe, auf eine erste Nachforderung hin fehlende Unterlagen vollständig nachzureichen. Die Beigeladene könne offensichtlich die Eignungsmindestanforderungen nicht unmittelbar selbst, sondern nur mit Hilfe einer Eignungsleihe im Sinne von § 47 VgV erfüllen. Eine Eignungsleihe in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit sei gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV aber nur dann möglich, wenn der Eignungsverleiher die betreffenden Leistungen auch tatsächlich erbringt. Der hier so bezeichnete "Eignungsleihgeber" hätte folglich seitens der Beigeladenen als Unterauftragnehmer bzw. Nachunternehmer für die Sammelleistungen als solche benannt werden müssen, was aber nicht geschehen sei.
Das Angebot der Beigeladenen sei auch deshalb nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vom Vergabewettbewerb auszuschließen, weil es in Bezug auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage nicht die geforderten Unterlagen enthalten habe und enthalten könne. Dass auch in Bezug auf die erfolgten Nachforderungen betreffend dieses Unterauftragnehmers das Nachforderungsermessen nicht erkennbar ausgeübt wurde, spiele vor diesem Hintergrund zwar keine Rolle mehr, sei aber ebenfalls zu beanstanden.
Auch die dokumentierte Eignungsprüfung und Bejahung der Eignung der Beigeladenen sei fehlerhaft. Dass das in der Angebotsauswertung als "Eignungsleihgeber" bezeichnete Unternehmen tatsächlich im Zuschlagsfall anstelle der Beigeladenen die im Los 1 ausgeschriebene Kernleistung, nämlich das Einsammeln von Abfällen, durchführe, sei bislang an keiner Stelle der Angebotsauswertung und auch nicht in den schriftsätzlichen Äußerungen des Antragsgegners zur Eignung der Beigeladenen für die Leistungserbringung erörtert worden. Liege aber keine zulässige bzw. wirksame Eignungsleihe vor, könne die Beigeladene das in ihrer (Rechts-)Person bestehende Eignungsdefizit nicht ausgleichen.
Dasselbe gelte für den seitens der Beigeladenen benannten Unterauftragnehmer für die Umschlagsleistungen. Für diesen seien nicht einmal die gemäß Bekanntmachung und Vergabeunterlagen geforderten Eignungsnachweise eingefordert worden.
Der Antragsgegner sei als öffentlicher Auftraggeber, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bieter Schwierigkeiten bei der Erfüllung des "Leistungsversprechens" haben könnte, verpflichtet, solchen Zweifeln nachzugehen. Das sei hier in mehrfacher Hinsicht der Fall, ohne dass der Antragsgegner den hieraus resultierenden Zweifeln an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und der prognostisch drohenden nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Leistung nachgegangen wäre. Dies gelte auch in Bezug auf die Umschlaganlage, das Ident- und Verwiege-System, die Fahrzeugbeschaffung und die Beschaffung des notwendigen Personals.
Der Antragsgegner habe es ferner unterlassen, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises zu prüfen, obwohl er dafür Anlass gehabt habe.
Schließlich sei für die Antragstellerin auch nicht ersichtlich, dass die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote ordnungsgemäß erfolgt sei.
Daraufhin erwidert die Beigeladene mit Schriftsatz vom 16.02.2023 und trägt ergänzend vor, dass die Stellungnahme der Antragstellerin sich im Wesentlichen in Mutmaßungen und Scheinargumenten erschöpfe.
Selbst wenn eine Abfrage beim Wettbewerbsregister nicht erfolgen sollte, sei dies nicht berücksichtigungsfähig, denn die Abfragepflicht sei als solche nicht bieterschützend (BTDrucksache 18/12051). Es gäbe auch keine Unstimmigkeiten in Bezug auf die Nachforderung von Unterlagen gegenüber der Beigeladenen. Die Beigeladene sei beiden Begehren innerhalb von 24 Stunden nachgekommen. Die Entscheidung für die Nachforderung sei dadurch dokumentiert, dass der Auftraggeber diese Nachforderung im Rahmen der Unterlagen zur Angebotsauswertung niedergeschrieben und das Ergebnis dokumentiert habe. Zudem könne eine Dokumentation auch im Nachprüfungsverfahren noch nachgeholt werden.
Die Mutmaßung der Antragstellerin in Bezug auf die Leihe würden auch im Übrigen fehlgehen, da diese gar nicht in Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen worden sei. Es seien nur unterstützende Leistungen benannt worden und es gehe nicht um die Eignungsleihe in Bezug auf technische und berufliche Leistungsanforderungen. Für die Umschlaganlage seien die von der Antragstellerin benannten Eignungsnachweise nicht beizubringen. Es komme daher gar nicht auf die Frage an, ob der Eignungsleihgeber zur eigenständigen Auftragserfüllung verpflichtet wäre, denn die Frage nach der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit beziehe sich nur auf das Sammeln der Abfälle. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Entsorgungsvertrag. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner für eine Umschlaganlage derartige Nachweise nicht verlange.
Die Antragstellerin würde auch keine schlüssigen und substantiierten Nachweise vorbringen, dass die Beigeladene nicht dazu in der Lage wäre, die Leistungspflichten zu erfüllen. Dass die unterschiedlichen Beschaffungswege erschöpft wären, ausgeschlossen wären oder sonst nicht zur Verfügung stünden, könne die Antragstellerin nicht überzeugend vortragen. Die Beigeladene verfüge bereits über eine Zusage für 30 neue Fahrzeuge im Jahr 2023. Zudem beschaffe die Beigeladene in 2023 mindestens 60 weitere Fahrzeuge. Kapazitäten für die parallele Ausstattung von Abfallsammelfahrzeugen mit Identifikations- und Wiegesystem seien konkret für diese Ausschreibung reserviert. Die Fertigungszeit sei mit 10 Wochen angegeben worden. Das Identifikationssystem werde ausdrücklich dazu in der Lage sein, die vorhandenen älteren Chips auszulesen.
Auch der Antragsgegner erwidert auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 14.02.2023 und führt zur angeblichen Vorenthaltung des Parteivortrages aufgrund der übermäßigen Schwärzungen aus, dass es bei der zitierten Entscheidung des KG Berlin nicht um das Akteneinsichtsrecht nach Maßgabe des § 165 GWB gehe. § 165 Abs. 3 GWB erlaube es, Unterlagen kenntlich zu machen, bei denen die Beteiligten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet sehen würden.
Der Antrag sei offensichtlich unzulässig, da die Spekulationen und Behauptungen keine hinreichende Begründungstiefe erreichen. Der Nachprüfungsantrag bleibe auch unbegründet. Der Antragsgegner habe sich gemäß dem nachgereichten Prüfungsvermerk vom 19.01.2023 den Vergabevermerk und die Auswertungsschritte ausdrücklich zu eigen gemacht. Eine unterbliebene Abfrage aus dem Wettbewerbsregister sei nicht angreifbar, da es sich nicht um eine bieterschützende Norm handele. Zudem sei dies am 15.02.2023 nachgeholt worden. Eintragungen für die Beigeladene würden nicht vorliegen.
Auch der Ermessensspielraum sei bei den Nachforderungen ordnungsgemäß ausgeübt worden und auf Seite 10 der Angebotsauswertung dokumentiert. Überspannte Anforderungen an die Dokumentation erscheinen nicht angezeigt, auch eine Nachholung der Dokumentation sei zulässig. Ausschlussgründe wegen fehlender Unterlagen würden nicht vorliegen, da die nachgeforderten Unterlagen jeweils am ersten Tag nach Zugang des Nachforderungsschreibens vorgelegt worden seien. Zudem habe die Beigeladene ihre Eignung bereits dadurch nachgewiesen, dass sie sämtliche der geforderten Eignungsnachweise selbst erbracht habe. Fragestellungen zu etwaigen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Eignungsleihe würden sich damit nicht mehr stellen.
Formale Mängel mit Blick auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage seien nicht erkennbar. Dieser sei nicht zwingend zu benennen gewesen, und für die Eignungsprüfung seien nur Unterlagen für seinen jeweiligen Leistungsbereich vorzulegen gewesen. Die geforderten Eigenerklärungen zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen (WL 2) zu Los 1 würden allein die behältergestützte Abfuhr betreffen und nicht die Umschlagleistungen. Überobligatorisch sei für den Unterauftragsnehmer ein Efb-Zertifikat eingereicht worden. Auch die geforderten Referenzen seien auf die Abfallabfuhr beschränkt worden.
Bezüglich des Leistungsversprechens des Bieters seien hier keine Beurteilungsfehler ersichtlich, denn das Angebot der Beigeladenen enthalte keine Anhaltspunkte für ein unplausibles Leistungsversprechen. Der Standort der Umschlagsanlage sei bekannt und zudem besichtigt worden. Das vorgelegte Angebot eines bekannten Fachunternehmens belege, dass die älteren 4-MHz-Chips ausgelesen werden könnten. Der Markt für einschlägige Neu- und Gebrauchtwagen habe sich entspannt.
Die Preise seien angemessen, da sie vergleichbar über dem Preisniveau des laufenden Vertrages liegen würden. Eine Preisaufklärung sei nicht geboten gewesen, da die Aufgreifschwelle von 20% nicht erreicht worden sei.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2023 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat die gesamte Angebotswertung von der Vollständigkeits- und Eignungsprüfung bis zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vergaberechtskonform allein und vollständig auf der Grundlage der in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen festgelegten Anforderungen und Nachweise durchgeführt und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.
Der Antragsgegner hat nach der in der Vergabeakte dokumentierten Prüfung zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene die geforderten Eignungsnachweise vollständig vorgelegt hat. Er hat sich auch im Hinblick auf die nachgeforderten Erklärungen und Unterlagen im Rahmen des § 56 VgV und des § 15 Abs. 5 VgV gehalten (im Folgenden 2.a).
Der Antragsgegner hat die Eignung der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Antragstellerin in der gebotenen Tiefe geprüft und sich dabei im Rahmen der den öffentlichen Auftraggebern durch § 122 GWB und den §§ 42 ff. VgV eingeräumten Beurteilungsspielraum gehalten. Er war insbesondere weder gehalten noch berechtigt, die Eignung der Beigeladenen aufgrund einer vermeintlich erfolgten, nach § 47 Abs. 1 Satz 3 GWB unwirksamen Eignungsleihe für den Nachweis der erforderlichen beruflichen Leistungsfähigkeit zu verneinen (im Folgenden 2.b).
Der Antragsgegner hat auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Er hatte keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen zu prüfen. Zum einen wird die von der Rechtsprechung entwickelte Aufgreifschwelle von 20% für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, durch den Abstand zum vorliegend zweitplatzierten Angebot der Antragstellerin nicht erreicht. Zum anderen gibt der Sachverhalt auch keinen sonstigen Anlass für die Vermutung, dass der Angebotspreis der Beigeladenen, der wie die anderen Angebote auch deutlich über den Bestandskosten des noch laufenden Entsorgungsvertrages liegt, unangemessen niedrig ist (im Folgenden 2.c).
Schließlich ist die Antragstellerin, durch die vom Antragsgegner in den Fassungen seiner Schriftsätze für die Antragstellerin vorgenommenen Teilschwärzungen auch nicht in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit die Schwärzungen in der Antragserwiderung vom 03.02.2023 über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen unbedingt notwendige Maß hinausgegangen sind, ist dieser Mangel durch den vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.02.2023 geheilt (im Folgenden 2.d).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der RL 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 Euro gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftragswert wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten bereits für das vorliegend allein verfahrensgegenständliche Los 1 den Schwellenwert deutlich.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, obwohl der Antragsgegner weder die Vollständigkeit der abgeforderten und von der Beigeladenen eingereichten Eignungsnachweise geprüft noch die Eignungsprüfung selbst in der vergaberechtlich gebotenen Tiefe vorgenommen habe. Es sei beurteilungs- und rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsgegner auf die diesbezüglichen Rügen lediglich darauf verweise, dass er auf die Einhaltung vertraglicher Leistungsanforderungen durch die Bieter vertrauen dürfe. Die Vergabestelle habe sich vielmehr angemessen und hinreichend mit der Frage zu befassen, ob aufgrund des Bieterangebotes und etwaiger weiterer Aufklärungen prognostisch mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei. Auch der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig. Das Angebot der Antragstellerin sei bereits äußerst knapp kalkuliert und Kosten für die Ersterrichtung einer Umschlaganlage würden für sie als Bestandsunternehmer nicht anfallen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Preisprüfung durchgeführt worden sei.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52).
Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/ Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06 -). Der Anspruch an die Substantiierung des antragsbegründenden Vortrags wird durch den Stand der Kenntnis des Antragstellers von dem der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzt und muss damit korrespondieren. Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.
Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bieterinformation vom 19.01.2023 nach § 134 Abs. 2 GWB mitgeteilt, dass er beabsichtige, den Zuschlag für das streitgegenständliche Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Die Antragstellerin rügte daraufhin mit Schreiben vom 23.01.2023 das Vergabeverfahren.
Gerügt wurde, dass das übersandte Informationsschreiben nicht die Anforderungen des § 134 GWB erfülle. Zudem sei der beabsichtigte Zuschlag auf die Beigeladene vergaberechtswidrig, da das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen nicht über die geforderte Umschlaganlage für Altpapier verfüge. Es werde diese auch nicht binnen der vorgegebenen Frist zur Verfügung stellen können. Zudem verfüge es nicht über ein geeignetes Ident-System. Die Beigeladene könne die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen ausschließlich mit Nachunternehmern sicherstellen. Es werde bestritten, dass alle Nachunternehmer ihrerseits die Eignungsanforderungen erfüllen und für alle Nachunternehmer ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen vorliegen würden. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises überprüft habe, obwohl dazu Anlass bestehe. Der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig, da bereits das Angebot der Antragstellerin äußerst knapp kalkuliert sei, obwohl sie im Gegensatz zur Beigeladenen bereits über eine Umschlaganlage verfüge und diese nicht erst errichten müsse.
Die Rüge der Antragstellerin erfolgte innerhalb der Frist von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen und die Entscheidung, auf dieses Angebot den Zuschlag zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Beigeladene hat sämtliche geforderte Eignungsnachweise erbracht. Der Antragsgegner war nicht gehalten, die Eignungsprüfung der Beigeladenen über das in der Vergabeakte dokumentierte Maß hinaus zu vertiefen und die Eignung weiter zu hinterfragen. Schließlich hatte der Antragsgegner vorliegend auch keinen Anlass, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises gemäß § 60 VgV zu überprüfen:
a. Der Antragsgegner hat nach der in der Vergabeakte dokumentierten Prüfung zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene die geforderten Eignungsnachweise vollständig vorgelegt hat. Er hat sich auch im Hinblick auf die nachgeforderten Erklärungen und Unterlagen im Rahmen des § 56 VgV und des § 15 Abs. 5 VgV gehalten.
Für die Teilnahmebedingungen hatte der Antragsgegner nach Ziffer III.1.1) zum Nachweis der Befähigung zur Berufsausübung folgende Anforderungen festgelegt:
"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
BB 1 Unternehmensbeschreibung
Als Anlage ist eine eigene Darstellung, Broschüre o.Ä. beizufügen, aus der Angaben zum Unternehmen, zur Unternehmensstruktur (z.B. Muttergesellschaften, Konzernzugehörigkeit) sowie ggf. zur zuständigen Niederlassung hervorgehen.
BB 2 Registereintrag
Als Anlage ist ein aktueller Auszug aus dem Berufs- oder Handelsregister nach Maßgabe des Landes, in dem der Bieter ansässig ist, beizufügen".
Nach Ziffer III.1.2) gilt zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit:
"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
WL 1 Angaben zum Gesamtumsatz der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021.
WL 2 Angaben zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021
- Los 1 die behältergestützte Abfuhr (typischerweise Restabfälle, Bioabfälle, PPK o.ä.), [...]"
Nach Ziffer III.1.3) gilt zum Nachweis für die Technische und berufliche Leistungsfähigkeit:
"Für jeden Bieter, mindestens ein Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.
BL 1 Qualitätssicherung
Nachweis für die Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb für Los 1: für die Tätigkeit "Sammeln", Abfallschlüsselnummer 20 03 01 [...]
Bei ausländischen Bietern: gleichwertige Qualitätssicherung
BL 2 Referenzen
mindestens je eine Referenz im Kommunalauftrag für mindestens 50.000 Einwohner für (Los 1) die Abfallabfuhr von mindestens zwei Fraktionen mittels Umleerbehältern [...]"
Die Beigeladene hat ausweislich der Vergabeakte und des dort enthaltenen Angebotes nebst Anlagen vom 10.11.2022 fristgerecht bereits ein vollständiges Angebot mit allen Erklärungen und Eignungsnachweisen für das eigene Unternehmen eingereicht, die mit dem Angebot vorzulegen waren. In ihrem Angebotsformular hat die Beigeladene auf die beigefügte Anlage 04 verwiesen. Aus dieser Anlage ergibt sich, dass die Beigeladene für das deutschlandweite Sammeln sämtlicher Abfallarten zertifiziert ist.
Der Antragsgegner hatte jedoch im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung gemäß § 56 Abs. 1 VgV festgestellt, dass die Beigeladene für Teilleistungen, für die sie einen Eignungsleihgeber benannt hat, im Formblatt nicht sämtliche Angaben gemacht hatte. Es fehlten Angaben zur Unternehmensbeschreibung, zum Registereintrag und zum Gesamtumsatz und zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen.
In der Bekanntmachung hatte der Antragsgegner zu III.1 Teilnahmebedingungen, bei Einsatz von Unterauftragnehmern und bei Eignungsleihe gefordert:
"Falls Leistungen von einem Unterauftragnehmer ausgeführt werden sollen, ist im Angebotsformular die Erklärung zum Einsatz von Unterauftragnehmern auszufüllen. Beruft sich ein Bewerber zum Nachweis seiner Eignung (wirtschaftliche und finanzielle sowie technische und berufliche Leistungsfähigkeit) auf die Kapazitäten anderer Unternehmen (sog. Eignungsleihe), so ist durch Vorlage einer Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers nachzuweisen, dass dieser dem Bieter die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stellt."
Mit Nachricht vom 20.12.2022 forderte der Antragsgegner daher für das als Eignungsleihgeber benannte Unternehmen gemäß § 56 Abs. 2 VgV die Angaben und Unterlagen BB 1 Unternehmensbeschreibung, BB 2 Registereintrag, WL 1 Gesamtumsatz, WL 2 Umsatz mit ähnlichen Leistungen (Lose 1 und 3A) und BL 1 Efb-Zertifikat (BL 2 lag bereits vor) nach und bat um Vorlage bis zum 27.12.2022. Bereits mit Nachricht vom 21.12.2022 legte die Beigeladene sämtliche Angaben und Nachweise vor.
Bereits mit Nachricht vom 05.12.2023 hatte der Antragsgegner für die als Unterauftragnehmer für den Umschlag von PPK, Sperrmüll und ggf. Restabfällen benannte Firma die Eignungsnachweise Unternehmensbeschreibung, Registerauszug und Gesamtumsatz bis zum 12.12.2022 nachgefordert. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Beigeladene diesen Unteraufnehmer sogar schon mit Angebotsabgabe und damit frühzeitig benannt hatte. Denn für den Umschlag hatte der Antragsgegner unter Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung festgelegt:
"(1) Der AN hat im Kreisgebiet eine Umschlaganlage zu betreiben. Diese dient als Zielanlage für die Abfuhr von Altpapier sowie für die Verladung des Altpapiers in die Fahrzeuge des AN Los 2 und in die der Systeme.
(2) Der AN hat dem AG spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung den Standort der Umschlaganlage mitzuteilen. Sofern der AN diese nicht selbst betreibt, hat er den AG zugleich um Genehmigung zur Einschaltung eines Nachunternehmers nach § 4 Entsorgungsvertrag zu ersuchen."
Auch dieser Aufforderung kam die Beigeladene fristgerecht mit Nachricht vom 06.12.2022 nach.
Die erforderliche Abfrage zum Wettbewerbsregister ist zwar erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens am 15.02.2023, aber gleichwohl rechtzeitig erfolgt. Denn gemäß § 6 Abs. 1 WRegG ist ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags in einem Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Abfrage bei der zuständigen Registerbehörde vorzunehmen. Der Zuschlag wurde vorliegend noch nicht erteilt. Ausweislich der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 17.02.2023 als Anlage AG 3 vorgelegten Auskunft des Bundeskartellamtes liegen für die Beigeladene keine Eintragungen im Wettbewerbsregister vor.
Das Angebot der Beigeladenen lag somit - auch bezüglich sämtlicher Eignungsnachweise - entgegen der Vermutung der Antragstellerin vollständig und fristgerecht zur Angebotswertung vor.
b. Der Antragsgegner hat die Eignung der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Antragstellerin in der gebotenen Tiefe geprüft und sich dabei im Rahmen der den öffentlichen Auftraggebern durch § 122 GWB und den §§ 42 ff. VgV eingeräumten Beurteilungsspielraum gehalten. Er war insbesondere weder gehalten noch berechtigt, die Eignung der Beigeladenen aufgrund einer vermeintlich erfolgten, nach § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV unwirksamen Eignungsleihe für den Nachweis der erforderlichen beruflichen Leistungsfähigkeit zu verneinen.
Gemäß § 122 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.
Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Diese Regelung ist Ausfluss des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWBVergaberecht, 5. Aufl., § 122 GWB, Rn. 47). Dabei kann der Auftraggeber als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit die Vorlage der in § 46 Abs. 3 VgV aufgeführten Unterlagen wie geeignete Referenzen, Angabe der technischen Fachkräfte und der Beschreibung der technischen Ausrüstung etc. verlangen. Zu beachten ist dabei aber, dass der öffentliche Auftraggeber gemäß § 48 Abs. 2 VgV im Grundsatz gehalten ist, vorrangig (nur) die Vorlage von Eigenerklärungen anzufordern. Durch das vorrangige Anfordern von Eigenerklärungen sollen unnötige bürokratische Lasten für Bewerber bzw. Bieter vermieden und das Vergabeverfahren beschleunigt und vereinfacht werden (Mager in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 48 VgV, Rn. 28, m. w. N.). Legt der Bieter - wie im vorliegenden Fall - sämtliche geforderte Eignungsnachweise vor, ist der Auftraggeber nur dann zu einer weiter vertiefenden Prüfung der Eignung gehalten und berechtigt, wenn das Angebot des Bieters oder der Sachverhalt im übrigen zu weiterem Aufklärungsbedarf oder gar Zweifeln beim Auftraggeber führen. Zu diesem Zweck steht dem Auftraggeber bei Bedarf das Instrument der Aufklärung gemäß § 15 Abs. 5 VgV zur Verfügung.
Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Prüfung der Eignung eines Bieters grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der der Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Das gilt namentlich für die Überprüfung von Referenzen und die Beurteilung von deren Vergleichbarkeit (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 - Verg 14/10; OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 - Verg 23/12; Müller-Wrede/Schwabe, VOL, 4. Aufl., § 15 EG, Rn. 62).
Der Auftraggeber ist aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2014 - 11 Verg 1/14) und darf hiervon nicht nachträglich zugunsten oder zuungunsten einzelner Bieter abweichen, indem er bei der Eignungsprüfung oder der Wertung von Teilnahmeanträgen an die Eignung höhere oder geringere als die allgemein bekannt gemachten Anforderungen stellt.
Die Überprüfung der Vergleichbarkeit durch die Nachprüfungsinstanzen ist darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist, allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben.
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist die Prüfung und Bewertung der Eignung der Beigeladenen auf der Grundlage der - wie oben unter 2.a ausgeführt - vollständig und fristgerecht von der Beigeladenen vorgelegten Eignungsnachweise nicht zu beanstanden:
Die Antragstellerin geht davon aus, dass die Beigeladene ihre Eignung - selbst, wenn sie formal die Eignungsnachweise mit dem Angebot oder auf Nachforderung vorgelegt haben sollte - im Ergebnis nicht nachweisen konnte. Der Auftraggeber sei bei der Eignungsprüfung "zu lässig" vorgegangen. Die Beigeladene könne offensichtlich die Eignungsmindestanforderungen nicht unmittelbar selbst, sondern nur mit Hilfe einer Eignungsleihe im Sinne von § 47 VgV erfüllen. Eine Eignungsleihe in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit sei gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV aber nur dann möglich, wenn der Eignungsverleiher die betreffenden Leistungen auch tatsächlich erbringt. Der hier so bezeichnete "Eignungsleihgeber" hätte folglich seitens der Beigeladenen als Unterauftragnehmer bzw. Nachunternehmer für die Sammelleistungen als solche benannt werden müssen, was aber nicht geschehen sei.
Die Beigeladene bedient sich ausweislich ihres Angebotes und der Dokumentation in der Vergabeakte (Vergabeempfehlung, Nr. 3.4.1, Seite 20 ff.) des von ihr benannten Eignungsleihgebers, jedoch nicht in Bezug auf die Sammelleistungen. Diese führt sie im eigenen Betrieb durch und ist dafür - wie oben unter 2 a ausgeführt - zertifiziert. Der Vorlage des entsprechenden Zertifikats des Eignungsleihgebers hätte es daher gar nicht bedurft und ist daher überobligatorisch erfolgt. § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV ist daher vorliegend nicht einschlägig.
Gemäß der beigefügten Verpflichtungserklärung sollen durch den Eignungsleihgeber lediglich Unterstützung und Wissenstransfer wie folgt stattfinden:
- Aufbau und Betrieb des Behälter-Ident-Systems an den Fahrzeugen sowie der entsprechenden IT-Infrastruktur
- Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit der Software und Hardware an den Fahrzeugen
- Unterstützung der Tourenplanung und Erstellung der Tagesreviere mit täglicher Übertragung der zu leerenden Behälter an die Fahrzeuge.
Der benannte Eignungsleihgeber verpflichtet sich, die Beigeladene im Zuschlagsfall bei der Vorbereitung und Durchführung der vertraglichen Leistungen zu unterstützen, und haftet gesamtschuldnerisch.
Ein Widerspruch zwischen den diesbezüglichen Erklärungen der Beigeladenen im Angebotsanschreiben und in den Vordrucken, der Anlass zu Zweifeln hätte geben können, liegt somit aus dem Empfängerhorizont des Antragsgegners nicht vor.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Beigeladene die Anforderungen an die zu gestellende und zu betreibende Umschlaganlage für Altpapier nicht erfüllen kann. Sie verfüge selbst nicht über eine solche Umschlaganlage und eine Neuerrichtung sei trotz der zur Verfügung stehenden Zeit von sechs Monaten ab Zuschlagserteilung offenkundig nicht möglich. Sollte sich die Beigeladene insoweit eines Nachunternehmers bedienen wollen, gäbe es derzeit auch keine andere geeignete und den Anforderungen entsprechende Umschlaganlage im Kreisgebiet. In jedem Falle bedürfte es der Erlangung zusätzlicher (Änderungs-)Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und einer baulichen Änderung bestehender Anlagen, für die notwendige Lagerhalle ggf. sogar einer Neuerrichtung. Dies sei im vorgegebenen Zeitrahmen nicht möglich.
Das Angebot der Beigeladenen sei jedenfalls nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vom Vergabewettbewerb auszuschließen, weil es in Bezug auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage nicht die geforderten Unterlagen enthalten habe und enthalten könne.
Auch diese Vermutung der Antragstellerin wird jedoch durch die in der Vergabeakte dokumentierten Erklärungen und Nachweise der Beigeladenen widerlegt. Wie oben unter 2.a. ausgeführt, hat die Beigeladene die von ihr für den Zuschlagsfall vorgesehene Umschlaganlage und den entsprechenden Unteraufnehmer sogar schon mit Angebotsabgabe und damit frühzeitig benannt - obwohl sie dies nach Ziffer 3.3.4 Abs. 2 der Leistungsbeschreibung erst spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung mitteilen musste. Auf Nachforderung des Antragsgegners vom 05.12.2023 übersandte die Beigeladene für diesen Nachunternehmer die Eignungsnachweise Unternehmensbeschreibung, Registerauszug und Gesamtumsatz. Ferner übersandte sie bezüglich der Qualitätssicherung (BL 1) das Efb-Zertifikat des Nachunternehmers für den benannten, im Kreisgebiet des Antragsgegners liegenden Standort. Das Zertifikat liegt ebenfalls mit der Vergabeakte vor. Es erstreckt sich auf das Lagern und Verwerten. Die Forderung von Zertifikaten zum Nachweis eines Qualitäts- bzw. Umweltmanagements ist nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber hat ein berechtigtes Interesse, die aufwändige Prüfung der Einhaltung von DIN-Normen aus dem Vergabeverfahren auszulagern und stattdessen die Vorlage von bereits im Vorfeld erlangten Prüfergebnissen in Form von Zertifikaten zu verlangen, welche durch speziell hierauf ausgerichtete Fachunternehmen, die akkreditierten Zertifizierungsunternehmen, nach entsprechender fachkundiger Prüfung ausgestellt werden. Das belegt § 49 Abs. 1 VgV.
Zweck der verlangten Zertifizierung ist es somit gerade, dem öffentlichen Auftraggeber eigene aufwändige Ermittlungen zu ersparen (vgl. VK Bund, Beschluss vom 28.05.2020 - VK 2-29/20, zitiert nach ibr-online). Bezieht sich das Zertifikat auf das benannte Unternehmen oder - wie im vorliegenden Fall - sogar spezifisch auf den benannten Standort oder die Betriebsstätte des Unternehmens (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 122, Rn. 89), so hat der öffentliche Auftraggeber keinen Anlass, die Eignung des benannten Unternehmens für die zertifizierten Dienstleistungen im Wege der Aufklärung zu hinterfragen. Vorliegend hat der Antragsgegner nach eigenem Vortrag gleichwohl den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zum Anlass genommen, am 02.02.2023 im Rahmen eines überobligatorischen Besichtigungstermins die betreffende Umschlaganlage zu besichtigen. Dabei habe sich die positive Einschätzung bezüglich der Tauglichkeit der betreffenden Anlage zu Los 1 bestätigt.
Die Beigeladene hat dem Antragsgegner daher, wie gemäß Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung im Zuschlagsfall gefordert, den Betrieb einer ordnungsgemäßen Umschlaganlage im Kreisgebiet durch Einschaltung eines Nachunternehmers nachgewiesen. Auch diesbezüglich hatte und hat der Antragsgegner keinen Anlass, am Leistungsversprechen der Beigeladenen zu zweifeln.
Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch für das Leistungsversprechen hinsichtlich des Ident- und Verwiege-Systems, der Fahrzeugbeschaffung und der Beschaffung des notwendigen Personals. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der Antragsgegner bei der aus ihrer Sicht gebotenen Hinterfragung des Leistungsversprechens der Beigeladenen im Rahmen seiner Prognose zu dem Schluss gelangt wäre, dass im Falle einer Beauftragung der Beigeladenen nicht mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei. Dies gelte für die Beschaffung der benötigten Sammelfahrzeuge die zudem mit einem Siegel- und Ident-System auszustatten seien, das amtlich geeicht sein müsse. Bei einer notwendigen Neuanschaffung sei eine Lieferung und Bereitstellung zum Leistungsbeginn am 01.01.2024 nicht mehr rechtzeitig möglich. Der Antragsgegner habe vernachlässigt, dass die zu schaffenden technischen Einrichtungen auf den Fahrzeugen installiert und geeicht werden müssten. Ferner müsste ein hoher Anteil der vorhandenen Abfallbehälter mit älteren 4-Mhz-Chips ausgestattet sein, die mit den meisten Ident-Systemen nicht ausgelesen werden könnten. Neben den tatsächlichen Ressourcen sei auch das notwendige Personal rechtzeitig zu beschaffen. Dabei habe sich der Antragsgegner offenbar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Beigeladene, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Fachkräftemangels und hier insbesondere des akuten Fahrermangels, die rechtzeitige Einstellung aller notwendigen, entsprechend geschulten und befähigten Arbeitskräfte rechtzeitig zum Leistungsbeginn sicherstellen kann.
Bezüglich der im Zuschlagsfall zu stellenden Fahrzeuge, deren Ausrüstung mit Ident-System und der Frage, inwieweit die entsprechenden Systeme die älteren 4-MHz-Chips auslesen können, hat der Antragsgegner zu Recht auf die mit Schriftsatz vom 02.02.2023 als Anlage AG 1 übersandte Angebot eines entsprechenden Fachunternehmens vom 03.11.2022 hingewiesen. Danach beträgt die Regellieferzeit für die Fahrzeugsysteme mit der auf 9 Seiten beschriebenen, ausschreibungsgemäßen Neuausstattung aktuell bei 10 Wochen ab schriftlicher Beauftragung. Das Fachunternehmen behält sich allerdings vor, dass aufgrund von Schwierigkeiten bei Materialbeschaffung und Produktionseinschränkung durch Corona diese angegebene Lieferzeit nicht garantiert werden könne, und es könne trotzdem noch zu Verzögerungen kommen.
Mit diesen pandemiebedingt möglichen Verzögerungen wären allerdings sämtliche Bieterunternehmen mit Ausnahme der Antragstellerin als Bestandsbieter konfrontiert. Dies darf nicht dazu führen, dass von einem Wettbewerb vorliegend abzusehen wäre, nur um jegliche irgendwie denkbare Verzögerung zu vermeiden.
Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 08.02.2023 als Anlage B2 eine per E-Mail übersandte Zusage eines Herstellers für die Lieferung der benötigten Fahrzeuge vom 07.02.2023 übersandt. Dort heißt es:
"Anbei bestätige ich Ihnen, dass ... mindestens 30 Nutzfahrzeuge für die Produktion 2023 bestellt hat, die auch wie geplant im Jahr 2023 ausgeliefert werden."
Die Beigeladene hat überdies mit Schriftsatz vom 08.02.2023 als Anlage B3 eine E-Mail eines Fachunternehmens vom 08.02.2023 vorgelegt, mit der das Unternehmen der Beigeladenen eine Lieferzeit von 10 Wochen für die Ausstattung ihrer Abfallsammelfahrzeuge mit Ident- und Wiege-System für das Projekt ... bestätigt. Dort heißt es:
"Wir verfügen über die erforderlichen Kapazitäten, um die notwendige Anzahl an Fahrzeugen parallel auszustatten und Konformitätsbewertung durchzuführen. Unsere Lösung umfasst auch alle im Projekt ... erforderlichen speziellen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel den Einsatz von Readern/Antennen für 4 MHz, 125 kHz HITAG und 134,2 kHz sowie die Lieferung von Wiegesystemen mit geforderten Wiegegenauigkeiten. Wir haben bereits erfolgreich ähnliche Projekte mit genau diesen Anforderungen umgesetzt."
Die Beigeladene und der Antragsgegner gehen zu Recht davon aus, dass die Beigeladene damit nachgewiesen hat, dass ihr im Zuschlagsfall bereits 2023 und damit rechtzeitig zum ausgeschriebenen Vertragsbeginn mindestens 30 neue Fahrzeuge mit der erforderlichen, in den Vergabeunterlagen geforderten Ausstattung zur Verfügung stehen.
Dies gilt auch für die Anwerbung und Einstellung des im Zuschlagsfalle benötigten Personals. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass von den Bieterunternehmen im Rahmen eines vergaberechtskonformen Eignungsnachweises nicht verlangt werden kann, erforderliches zusätzliches Personal oder auch zusätzliche sächliche Ausstattung bereits einzustellen bzw. zu beschaffen und vorzuhalten, bevor das Bieterunternehmen weiß, dass es den Zuschlag auch tatsächlich erhalten wird. Zudem durfte der Antragsgegner im Rahmen seiner Eignungsprognose auch zugunsten der Beigeladenen berücksichtigen, dass ihre Unternehmensgruppe über ... Mitarbeitende an ... Standorten in Deutschland verfügt und aktuell ca. ... Fahrzeuge im Einsatz hat. Der Betrieb der Beigeladenen selbst verfügt bereits über ... Fahrzeuge.
Der Antragsgegner hatte daher keinen Anlass, die vollständig nachgewiesene Eignung der Beigeladenen zu hinterfragen und in eine Angebotsaufklärung nach § 15 Abs. 5 VgV einzutreten.
c. Der Antragsgegner hat auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Er hatte keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen zu prüfen. Zum einen wird die von der Rechtsprechung entwickelte Aufgreifschwelle von 20% für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, durch den Abstand zum vorliegend zweitplatzierten Angebot der Antragstellerin nicht erreicht. Zum anderen gibt der Sachverhalt auch keinen sonstigen Anlass für die Vermutung, dass der Angebotspreis der Beigeladenen, der wie die anderen Angebote auch deutlich über den Bestandskosten des noch laufenden Entsorgungsvertrages liegt, unangemessen niedrig ist.
Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV kann der Zuschlag auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, abgelehnt werden, wenn der Auftraggeber die Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Stellt der Auftraggeber fest, dass der Preis oder die Kosten des Angebots deshalb ungewöhnlich niedrig sind, weil die Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, ist dem Auftraggeber untersagt, auf das Angebot den Zuschlag zu erteilen (§ 60 Abs. 3 Satz 2 VgV). Erscheint dem Auftraggeber ein Angebotspreis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat er gemäß § 60 Abs. 1 VgV vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf der dritten Wertungsstufe verfolgt den Zweck, auf der vierten und letzten Wertungsstufe, die die abschließende Angebotswertung zum Gegenstand hat, nur ernsthaft kalkulierte Angebote zuzulassen. Normzweck ist zwar vorrangig der Schutz des Auftraggebers. Beim Zuschlag auf ein ungewöhnlich niedriges Preis- oder Kostenangebot besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber zumal dann, wenn der Vertrag einen größeren Umfang oder eine längere Laufzeit haben soll, infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten leistungsunfähig wird, dass schlecht geleistet wird oder Nachforderungen gestellt werden, die zu Verteuerungen der Beschaffung führen (vgl. Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 3; Horn in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rn. 172). Der BGH hat jedoch mit Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16 (zitiert nach ibr-online) bekräftigt, dass diese Vorschrift auch subjektiven Bieterrechtsschutz entfaltet. Erscheine ein Preis für eine zu erbringende Leistung ungewöhnlich niedrig, habe jeder Bieter einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber Aufklärung über die Preisbildung verlange. Auf das tradierte Kriterium der "Marktverdrängungsabsicht" komme es laut BGH in der Zulässigkeitsprüfung des Nachprüfungsantrags nicht an, da es einem Antragsteller regelmäßig unmöglich sei, hierzu Konkretes vortragen zu können.
Zum Zweck der Angemessenheitsprüfung muss der Auftraggeber vom Bieter die Erläuterung der Kalkulation des Angebotes verlangen und bei der Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit des Angebotes das Ergebnis dieser Überprüfung berücksichtigen.
Bei der Angemessenheitsprüfung des § 60 VgV handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage der Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine derartige Überprüfung im Wege der Aufklärung vorzunehmen, wenn ihm das preislich günstigste Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint. Auch kann sich der Auftraggeber nicht allein auf eigene Kalkulationen stützen, sondern er muss darauf hinwirken, die erforderlichen Informationen über die konkrete Preisbildung vom betreffenden Bieter zu verlangen (vgl. Horn in: Mütter-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rn. 180). Trägt der Bieter durch nachvollziehbare Angaben zur Aufklärung bei, ist der Auftraggeber nicht per se gehindert, den Zuschlag sogar auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001 - 13 Verg 12/01; Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 32, m. w. N.) Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nichtauskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen.
Der Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit Preisen eingegangener Konkurrenzangebote, aber auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung - z.B. anhand früherer vergleichbarer Ausschreibungen - gewonnen werden (vgl. Dicks in; Kulartz/Kus/Marx/Portz/ Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 6). Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist das nächsthöhere Angebot (= 100%) - vorliegend also das Angebot der Antragstellerin. Eine Vereinheitlichung dieser Werte ist allerdings nicht geboten. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an (vgl. Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 8, 9, m. w. N). Gemäß § 7 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (Nds. GVBI. Nr. 20/2013, S. 259 ff., neu gefasst durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20.11.2019, Nds. GVBl. S. 354) können öffentliche Auftraggeber die Kalkulation eines (vermeintlich) unangemessen niedrigen Angebotes, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot sind sie dazu verpflichtet. Diese gesetzliche Aufgreifschwelle gilt jedoch ausdrücklich nur für öffentliche Bauaufträge. Für Liefer- und Dienstleistungen im Sinne der VgV gibt es eine derart verbindliche Aufgreifschwelle nicht. Rechtsprechung und Schrifttum orientieren sich zumindest für den Liefer- und Dienstleistungsbereich mehrheitlich an einer 20%-Schwelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2005 - Verg 77/04; OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 30.03.2004 - 11 Verg 4/04; BayObLG, VergabeR 2004, S. 242 ff.; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rn. 215, m. w. N.; Horn in: Müller-Wrede, a. a. O., § 19, Rn. 178). Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.01.2008 - Verg 36/07) hat ebenfalls entschieden, dass in einem Fall, in dem der Abstand des Angebotes der dort erstplatzierten Beigeladenen zu 1 zu dem nächst höheren Angebot der dortigen Beigeladenen zu 2 sowie der Abstand zwischen diesem und dem nächst platzierten Angebot eines dritten Bieters weniger als 20% betrug, die Aufgreifschwelle, die einen im Verhältnis zu der angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert, nicht erreicht ist.
Vorliegend wird diese Aufgreifschwelle bei weitem nicht erreicht. Der Antragsgegner hat in der Vergabeakte (Vermerk Angebotsauswertung und Vergabeempfehlung final, dort Seite 25 unter Nr. 3.5) dokumentiert, dass er sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob eine Angemessenheitsprüfung gemäß § 60 VgV vorzunehmen ist. Zu Recht ist er zu dem Schluss gelangt, dass die von der Rechtsprechung anerkannte Aufgreifschwelle vorliegend nicht erreicht wird und er angesichts der geringfügigen Unterschreitung des Angebotes der Beigeladenen zum nächsthöheren Angebot der Antragstellerin nicht gehalten ist, eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen.
d. Schließlich ist die Antragstellerin, durch die vom Antragsgegner in den Fassungen seiner Schriftsätze für die Antragstellerin vorgenommenen Teilschwärzungen auch nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit die Schwärzungen in der Antragserwiderung vom 03.02.2023 über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen unbedingt notwendige Maß hinausgegangen sind, ist dieser Mangel durch den vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.02.2023 geheilt.
Die Antragstellerin hat sich auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Kammergerichts berufen. Mit Beschluss vom 18.05.2022 - Verg 7/21 - hat das KG Berlin entschieden, dass Schriftsätze und sonstige Unterlagen, die Beteiligte im Vergabenachprüfungsverfahren mit der Maßgabe zu den Akten reichen, dass sie ganz oder teilweise den übrigen Beteiligten oder einem Teil von ihnen nicht zur Kenntnis gelangen sollen (sog. "geschwärzte" Unterlagen), weder Gegenstand der Akten der Vergabekammer noch Bestandteil der Gerichtsakten werden, die der Entscheidung und der Verhandlung zugrunde gelegt werden können.
Im Hinblick auf das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der übrigen Beteiligten müssten diese Unterlagen bei der Verhandlung und Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen unberücksichtigt bleiben (ebenso bereits KG, Beschluss vom 01.07.2020 - Verg 1001/20).
Die Vergabekammer Niedersachsen berücksichtigt auch derartigen, für jeweils gegnerische Verfahrensbeteiligte teilgeschwärzten schriftsätzlichen Vortrag. Sie vertritt die Auffassung, dass sich die strenge Auffassung des KG nur mit dem im normalen Zivilprozessrecht geltenden strikten Beibringungsgrundsatz (§ 282 ZPO) rechtfertigen lässt. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gilt jedoch der - wenn auch eingeschränkte - Amtsermittlungsgrundsatz (§ 163 GWB). Außerdem kollidiert die Rechtsauffassung des KG mit der Intention des Gesetzgebers, die dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zugrunde liegt. Das Kammergericht hat die diesbezüglichen, in § 165 Abs. 2 normierten Restriktionen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH auch grundsätzlich nicht infrage gestellt. Danach hat die Vergabekammer die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist.
Die Vergabekammer vertritt deshalb die Auffassung, dass eine Teilschwärzung von Passagen des schriftsätzlichen Vortrags durch die Verfahrensbeteiligten in dem Rahmen zulässig ist, der auch aus wichtigen Gründen des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zulässig und geboten ist. Andernfalls liefe der Zweck des § 165 Abs. 2 GWB leer.
Vorliegend hat die Antragstellerin allerdings zu Recht beanstandet, dass der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 02.02.2023 in den Ausfertigungen für die Antragstellerin (wie auch identisch in der Ausfertigung für die Beigeladene) bei den Teilschwärzungen teilweise über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse notwendige Maß hinausgegangen ist. Dies gilt nach Auffassung der Vergabekammer jedenfalls für die umfangreichen Schwärzungen auf der Seite 15. Dort hätte es genügt, zu Darlegung seines Vortrags, dass auf Seiten der Beigeladenen keine Unterkalkulation vorliegt, die konkreten Prozentzahlen und die Preise zu schwärzen. Die Offenlegung der Textpassagen im Übrigen wäre nicht nur völlig unschädlich gewesen, sondern sie hätte den diesbezüglichen Vortrag des Antragsgegners für die Antragstellerin und die Beigeladene plausibler gemacht.
Diesen Mangel hat der Antragsgegner jedoch selbst durch den wiederholenden und vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz vom 17.02.2023 geheilt. Zudem wurde die durch die Schwärzungen betroffene Thematik in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 21.02.2022 ausführlich und vollständig mit den Beteiligten erörtert.
Die Antragstellerin ist daher vorliegend nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt.
Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Gegenstandswertwert beträgt ... Euro (brutto). Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin inkl. Umsatzsteuer für das verfahrensgegenständliche Los 1 unter Berücksichtigung des angebotenen Rabatts (Vergabedokumentation, Vermerk Angebotswertung und Vergabeempfehlung final, 3.1.2, Seite 7 und 8) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Bei einer Gesamtsumme von ... Euro ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.
Aufwendungen des Antragsgegners:
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung einer Rechtsanwaltskanzlei war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.
Das vorliegende Nachprüfungsverfahren betrifft jedoch rechtlich wie tatsächlich komplexe und anspruchsvolle Fragestellungen. Die verfahrensbevollmächtigte ..., war gemeinsam mit der ..., vom Antragsgegner bereits mit der Vorbereitung und Durchführung der vorliegenden europaweiten Ausschreibung beauftragt worden (Vergabeakte, Vorlauf, Vorlage Eckpunkte vom 10.03.2022). Es erscheint zur Abarbeitung des Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal dann auch für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012 - VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012 - VgK-36/2012).
Aufwendungen der Beigeladenen
Gemäß Ziffer 4 des Tenors sind auch die Kosten der Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010 - 13 Verg 47/10, zit. nach ibr-online) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn der Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, anhand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008 - 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich die Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Röwekamp//Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Auflage, § 182, Rn. 45; OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012 - 13 Verg 9/11).
Die Beigeladene förderte das Verfahren maßgeblich mit Schriftsätzen und stellte eigene Anträge. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von ... Euro unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen: ...
IV.
(...)
Auftraggeber hat die Wahl unter verschiedenen Bewertungsmethoden!
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5 | Zum dritten verwies der Antragsgegner die Antragstellerin auf § 58 Abs. 3 S. 1 VgV sowie auf die veröffentlichte Auftragsbekanntmachung und auf die Leistungsbeschreibung, in der die Zuschlagskriterien transparent beschrieben worden seien. |
6 | Schließlich führte der Antragsgegner die sachlichen Gründe dafür auf, die die in den Vergabeunterlagen unter der lfd. Nr. 2.1 sowie 2.2 festgelegte Ausgabegeschwindigkeit (Anlage 3) rechtfertigen. Die Ausgabegeschwindigkeit des Drucks habe eine wichtige Bedeutung für den Antragsgegner als Auftraggeber, da Ausdrucke beim Antragsgegner ausschließlich über die "Follow-me"-Funktion erfolgen. Dies bedeute, dass die Mitarbeiter durch ihre Anmeldung am Multifunktionsgerät den Druckvorgang auslösen. Eine möglichst hohe Druckgeschwindigkeit sei damit ein wichtiger Akzeptanzfaktor für die Druckerlösung im Haus. Außerdem habe die Antragstellerin zwar eine Bieterfrage zur Aufwärmphase der Geräte gestellt, die in der Bewertungsmatrix dargestellte Abstufung der Bewertung dieses Kriteriums dagegen nicht kritisch hinterfragt. Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.07.2023 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 Abs. 1 GWB bei der Vergabekammer. Am 07.07.2023 hat der Antragsgegner daraufhin über die Vergabeplattform an alle am Verfahren beteiligten Bieter eine Nachricht verschickt, dass die Zuschlagsfrist aufgrund von § 169 Abs. 1 GWB auf den 25.08.2023 verschoben werde. Die Antragstellerin begründete ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Die Antragstellerin habe sich an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt, indem sie am 30.05.2023 ihr Angebot eingereicht habe. Mit Schreiben vom 26.06.2023 habe der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt, dass laut der Auswertung und Prüfung der Angebote die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Das übermittelte Ergebnis der Bewertung habe aufseiten der Antragstellerin für Verwunderung gesorgt, da im Rahmen der Angebotsprüfung der Antragsgegner die Antragstellerin nach § 60 VgV aufgefordert habe, ihr Angebot wegen eines möglicherweise unangemessen niedrigen Preises aufzuklären. Der Abstand des Angebotes der Antragstellerin betrage mehr als 20 % zum nächsthöheren Angebot. Rein klarstellend weise die Antragstellerin darauf hin, dass die Rüge hinsichtlich der Vorabinformation des Antragsgegners gemäß § 134 GWB mit Blick auf die nachgeschobenen Informationen im Rahmen des Nichtabhilfeschreibens nicht weiter aufrechterhalten werde. Der Antragsgegner habe dennoch durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften subjektive Rechte der Antragstellerin i. S. v. § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Maßstab für die Rügeobliegenheit i. S. v. § 160 Abs. 3 GWB sei die Erkennbarkeit für das Unternehmen bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Die Antragstellerin verweist hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, laut der dieser Maßstab auf einen durchschnittlich fachkundigen Unternehmer abzustellen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 12.03.2015 - Rs. C-538/13 "eVigilo" -; so auch OLG Düsseldorf, Beschluss, vom 11.07.2018 - Verg 24/18). Eine Rügepräklusion komme nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auch ohne eingehende Überprüfung der Vergabeunterlagen auffallen müssen. Ebenso bestehe keine Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit von Bekanntmachung und Vergabeunterlagen durch einen Vergabejuristen prüfen zu lassen. Vor diesem Hintergrund gelangt die Antragstellerin zum Ergebnis, dass während der Angebotsphase keine Rügepflicht der Antragstellerin bestanden habe. Die Bekanntmachung habe keinerlei Angaben zu den hier streitgegenständlichen Fragen enthalten, so dass es ohnehin allein auf eine Kenntnis nach Einsichtnahme der Vergabeunterlagen i. S. v. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ankommen würde. Der Nachprüfungsantrag sei begründet, denn der Antragsgegner habe das Angebot der Antragstellerin unter Missachtung der vergaberechtlichen Vorschriften bei seiner Entscheidung über die Auswahl des jeweiligen Bestbieters nicht berücksichtigt. Im Weiteren werden die bestehenden Beanstandungen im Einzelnen erörtert. Die unter der lfd. Nr. 1.13 sowie 1.14 der Bewertungsmatrix (Anlage 3) beschriebenen Zuschlagskriterien zur "automatischen Erkennung des Papiergewichtes" diskriminierten (hier zusammenfassend dargestellt) die Antragstellerin, da offensichtlich nur der Hersteller ### dieses Merkmal bei seinen Druckern anbieten könne. Es handele sich letztlich um ein hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium, das zu einem Wertungsvorsprung für den Bestbieter geführt habe, der sachlich durch nichts gerechtfertigt sei. Die Zuschlagskriterien müssten so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde. Im Nichtabhilfeschreiben vom 04.07.2023 werde insoweit ausgeführt, dass das Zuschlagskriterium deshalb aufgenommen worden sei, da mit den zu beschaffenden Geräten vielfältige Ausdrucke erstellt und ausgegeben würden. Diese Drucke würden sich auch durch das Gewicht des Papiers unterscheiden. Unter Umständen wäre als ein vermeidbarer Arbeitsschritt bei der Druckerstellung ein zusätzliches Fach auszuwählen, aus dem das Multifunktionsgerät die Zuführung des Papiers durchführen soll; dieses sollte bestenfalls automatisch ablaufen. Die Anwahl eines bestimmten Druckerfaches könne jedoch auch bei dem von der Antragstellerin angebotenen Produkt systemseitig voreingestellt werden, so dass der von dem Antragsgegner beschriebene vermeidbare Arbeitsschritt für den Anwender auch bei der Druckerlösung der Antragstellerin entfalle. Dies hätte nach Auffassung der Antragstellerin von dem Antragsgegner im Rahmen der Vergabekonzeption aufgeklärt werden müssen. Das habe er offensichtlich unterlassen, anders sei die Wendung "unter Umständen" nicht zu erklären. Ferner verstoße die Ausschreibung zudem gegen § 58 Abs. 3 VgV. Danach ist von dem öffentlichen Auftraggeber die Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen angegeben. Eine solche Angabe fehle vorliegend. Soweit der Antragsgegner in der Nichtabhilfemitteilung vom 04.07.2023 auf die Angabe in der Leistungsbeschreibung verweise, wonach die "Einfache Richtwertmethode" angewendet werde, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Bei der "Einfachen Richtwertmethode" handele es sich um eine Wertungsformel und nicht um ein Zuschlagskriterium oder dessen Gewichtung. Außerdem sei die Ausgestaltung zu den Unterkriterien 2.1 und 2.2 (Ausgabegeschwindigkeit) ebenso vergaberechtswidrig wie die konkrete Bewertung durch den Antragsgegner. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Abstufung beim Erfüllungsgrad führe dazu, dass ein Bieter einen eklatant hohen Wertungsvorteil erziele, wenn das angebotene Produkt auch nur eine Seite mehr pro Minute ausgebe. Erst nach vertiefter Prüfung ergebe sich aus der Bewertungsmatrix, dass der Antragsgegner diese beiden Unterkriterien so ausgestaltet habe, dass es einen erheblichen Wertungssprung zwischen dem Leistungsmerkmal 44 Seiten/Minute sowie 45 Seiten/Minute gebe. Anders als etwa bei der Bewertung der Scangeschwindigkeit habe der Antragsgegner den mittleren Erfüllungsgrad ganz aus der Bewertung herausgenommen. Zwar stehe es einem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei, bestimmte Abstufungen für die Bewertung zu wählen und dabei auch Wertungssprünge in Kauf zu nehmen. Dies bedürfe aber einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche sachliche Rechtfertigung sei hier nicht gegeben. Der Antragsgegner trage im Nichtabhilfeschreiben vom 04.07.2023 insoweit vor, dass Ausdrucke ausschließlich über die "Follow-Me-Funktion" erfolgen. Dies bedeute, dass die Mitarbeiter durch ihre Anmeldung am Multifunktionsgerät den Druckvorgang auslösen. Eine möglichst hohe Druckgeschwindigkeit sei damit ein wichtiger Akzeptanzfaktor für die Druckerlösung im Haus. Entscheidend in diesem Zusammenhang dürfte aber nach Einschätzung der Antragstellerin sowohl das Leistungsmerkmal "Erstkopie bei betriebsbereitem System" als auch die "Aufwärmphase" sein. Ob der Drucker danach in der Lage sei, 44 Seiten/Minute oder 45 Seiten/Minute auszuwerfen, sei dann nach Auffassung der Antragstellerin nicht mehr so entscheidend, dass sie solche erheblichen Wertungssprünge rechtfertigt. Mit Schriftsatz vom 24.07.2023 wiederholte und vertiefte die Antragstellerin ihre Beanstandungen. Die Zuschlagskriterien zur automatischen Erkennung des Papiergewichtes seien sachlich nicht gerechtfertigt. Sie verstießen dem Grunde nach gegen § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV. Es liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung vor. Die fehlende Produktneutralität könne sich nicht nur aus der Vorgabe eines bestimmten Produkts oder Verfahrens ergeben, sondern der Tatbestand sei auch dann erfüllt, wenn bestimmte technische Anforderungen so präzise definiert sind, dass dem Bieter keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr bleibt oder Alternativangebote niedriger gewichtet werden. Als Grund für die Zuschlagskriterien benenne der Antragsgegner eine Vereinfachung des Druckvorgangs dadurch, dass der entsprechende Mitarbeiter vor dem Druck nicht das anzusteuernde Papierfach auswählen muss. Die Anwahl eines bestimmten Druckerfaches könne aber auch bei den von der Antragstellerin angebotenen Produkten systemseitig voreingestellt werden, so dass der von dem Antragsgegner beschriebene vermeidbare Arbeitsschritt für den Anwender auch bei der Druckerlösung der Antragstellerin entfalle. Dies hätte dem Antragsgegner bei einer sorgfältigen Erstellung der Leistungsbeschreibung auffallen müssen. Stattdessen habe er sich den Möglichkeiten des Marktes verschlossen. Die Antragstellerin sei auch insoweit nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Dabei dürften die Anforderungen an den Bieter nicht überspannt werden. Ein durchschnittlicher Bieter müsse insbesondere nicht die vergaberechtliche Rechtsprechung kennen. Nach der vergaberechtlichen Literatur seien insbesondere Verstöße gegen das Gebot zur produktneutralen Ausschreibung für den Bieter häufig wenig deutlich, zumal die Rechtsprechung insoweit stark einzelfallabhängig sei. Von der Antragstellerin habe nicht erwartet werden können, den Verstoß gegen das Gebot zur produktneutralen Ausschreibung zu erkennen. Die Antragstellerin sei eine Bürotechnik- und Büromöbel-Händlerin, von der nicht erwartet werden könne, die von der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur als besonders komplex eingestufte Frage nach der Vergaberechtskonformität einer produktneutralen Ausschreibung zutreffend zu bewerten. Der Antragsgegner habe es versäumt, die Gewichtung der Zuschlagskriterien bekannt zu geben. Der Hinweis auf die "Einfache Richtwertmethode" genüge dafür nicht. Der Antragstellerin habe die "Einfache Richtwertmethode" nicht bekannt sein müssen. Auch bezüglich dieser Beanstandung sei die Antragstellerin nicht präkludiert, da von der Antragstellerin nicht erwartet werden konnte, die unübersichtliche und aus mehreren Dokumenten bestehende Gewichtung der Zuschlagskriterien vollumfänglich nachzuvollziehen. Dies gelte auch bezüglich der Beanstandung des Bewertungskriteriums der Ausgabegeschwindigkeit. Erst nach fachanwaltlicher Prüfung sei es für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass es einen erheblichen Wertungssprung zwischen den Leistungsmerkmalen 44 Seiten/Minute und 45 Seiten/Minute gibt. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22.08.2023 trägt die Antragstellerin in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach, dass sie in der von den Bietern auszufüllenden Bewertungsmatrix Multifunktionsgeräte unter der lfd. 4.1 "Virenscans" möglich" angegeben habe, dass Virenscans nur beim Systemstart möglich seien. Dies sei grundsätzlich richtig. Im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung habe die Antragstellerin vom Hersteller ### aber eine vollständige Beschreibung der bereits im System standardmäßig vorhandenen Funktionen erhalten, in der es heiße: "Im Gegensatz zu einem klassischen Antivirus, das eine Systemplattform aufgrund einer publizierten Liste von bekannter Malware analysiert, funktioniert der ### so, dass nur ein zulässiger Code ausgeführt werden kann (Code-Authentifizierung). ### untersucht laufend den aktiven Speicher (RAM) und verhindert durch Integritätsprüfungen (Hash-Wert-Überprüfungen) die Ausführung von authentifizierten Binärdateien, also Daten, die nicht vom Hersteller definiert sind. Es ist nicht auf Malware-Signaturen angewiesen, wie dies bei Antiviren-Software der Fall ist, und kann sowohl aktuelle als auch zukünftige Malware blockieren. Insoweit ist ### einem Antivirus überlegen." Noch verständlicher werde die Funktionsweise durch einen Vergleich zum Abgleich zwischen einer echten und einer gefälschten Unterschrift. So werde hier mit dem ### ständig überwacht, ob der ankommende Code authentisch sei oder, es sich um Malware handele. Deshalb hätte die Antragstellerin das auszufüllende Feld bei der lfd. Nr. 4.1 der Bewertungsmatrix mit der Bemerkung versehen können, dass Virenscans in Echtzeit möglich seien, mit täglicher Überprüfung, ob aktuellere Updates verfügbar seien. Insofern hätte sie dann auch eine höhere Punktzahl bei der Bewertung der Qualitätskriterien erreicht, die wohl schon für sich genommen ausgereicht hätte, um den Zuschlag zu erreichen. Die Antragstellerin beantragt, 1. den Antragsgegner vorbehaltlich einer dauerhaften Aufgabe des Beschaffungswillens anzuweisen, das Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungen zur Lieferung und Einrichtung von Multifunktionsprintern im Mietmodell mit Full-Service-Leistungen für Verwaltungseinrichtungen (Vergabe-Nr.: ###) in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen; 2. hilfsweise: dem Antragsgegner zu untersagen, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen; 3. die Vergabeakten des Antragsgegners beizuziehen und der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren; 4. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen; 5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Der Antragsgegner beantragt, 1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als teilweise unzulässig und 2. im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen. Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und unbegründet. Die Antragstellerin begründe ihren Nachprüfungsantrag mit einer vermeintlichen Diskriminierung durch das Zuschlags-/Bewertungskriterium "Automatische Erkennung des Papiergewichts", einer vermeintlich fehlenden Bekanntgabe der Zuschlagskriterien sowie der erfolgten Bewertung des Zuschlags-/Bewertungskriteriums der Ausgabegeschwindigkeit. Der Antragsgegner hält fest, dass alle diese Aspekte die Zuschlagskriterien in diesem Vergabeverfahren betreffen. Diese müssten gemäß § 127 Abs. 4 GWB so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Diesen gesetzlichen Ansprüchen entspreche die Vorgehensweise des Antragsgegners in diesem Vergabeverfahren. Dem öffentlichen Auftraggeber werde auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Festlegung der Zuschlagskriterien ein weiter Handlungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 - X ZB 3/17 -, Rn. 34). Im Weiteren geht der Antragsgegner im Einzelnen auf die beanstandeten Aspekte ein. Zum einen wird Stellung (hier zusammenfassend dargestellt) zu dem Zuschlagskriterium "Automatische Erkennung des Papiergewichts" genommen. Da die beiden von der Antragstellerin benannten Kriterien 1.13 und 1.14 lediglich 4,0 % der erreichbaren Leistungspunkte entsprechen, könne der Vorwurf einer Diskriminierung der Antragstellerin durch den Antragsgegner nicht nachvollzogen werden, insbesondere da sich aufgrund der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch die "Einfache Richtwertmethode" eine noch entsprechend niedrigere Gewichtung dieser Kriterien für die Zuschlagsentscheidung ergebe. Im Nachprüfungsantrag beanstande die Antragstellerin diese Zuschlags-/Bewertungskriterien als hersteller- bzw. produktbezogen. Aus Sicht des Antragsgegners werde hierbei jedoch das Bestimmungsrecht des Auftraggebers nicht überschritten. Der Antragsgegner habe das Bewertungskriterium mit aufgenommen, da die zu liefernden Geräte im gesamten Netz des Antragsgegners eingesetzt, die einzelnen Kassetten aber gerade bei Spezialpapier nicht immer identisch bestückt werden. Da die Benutzer ihre Drucke jedoch an allen Geräten abrufen können ("Follow me"), sei es sehr wichtig, dass Ausdrucke nicht mit falschem Papier ausgegeben werden. Der Antragsgegner macht darauf aufmerksam, dass die Antragstellerin während der Angebotsphase eine Bieterfrage zwar zu einer gestellten Leistungsanforderung eingereicht, aber ein vermeintlich hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium hinsichtlich der lfd. Nrn. 1.13 sowie 1.14 nicht erwähnt oder beanstandet habe. Vor diesem Hintergrund zweifelt der Antragsgegner die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB an. Zum anderen reagiert der Antragsgegner auf den Vortrag der Antragstellerin bzgl. der fehlenden Informationen über die Gewichtung der Zuschlagskriterien. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes finde laut Abschnitt 4 der Leistungsbeschreibung auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der Angebotspreise statt ("Einfache Richtwertmethode"). Der Antragsgegner vertritt hierbei die Auffassung, dass die Leistungsbeschreibung mit dem Verweis auf die "Einfache Richtwertmethode" sowie auf weitere Ausführungen zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes hinreichend klare Angaben zur Gewichtung von Preis und Leistung enthält. Der Antragsgegner untermauert seine Ansicht mit der Feststellung durch die Vergabekammer des Bundes in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009, dass das Verhältnis von Leistung und Preis bei der "Einfachen Richtwertmethode" durch die Bildung eines entsprechenden Quotienten bestimmt werde (2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 22.12.2009 - VK 2-204/09). Der Antragsgegner habe die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung somit hinreichend transparent bekannt gemacht. Schließlich geht der Antragsgegner auf den Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Bepunktung der Ausgabegeschwindigkeit ein. Das Angebot der Antragstellerin umfasse eine Ausgabegeschwindigkeit von 40 Seiten für die LK 1 bzw. 25 Seiten für die LK II und erfülle damit gerade die Mindestanforderung. Die bekannt gegebene Bewertungsmatrix lasse eindeutig und ohne erforderliche Vertiefung erkennen, dass eine höhere Ausgabegeschwindigkeit zu einer höheren Bewertung des Kriteriums geführt hätte. Es sei der Antragstellerin somit unbenommen gewesen, eine höhere Ausgabegeschwindigkeit anzubieten. Der Antragsgegner macht in der Antragserwiderung darauf aufmerksam, dass mit der Ausschreibung vor allem ein leistungsfähiges System beschafft werden solle. Vergleichsweise habe der Antragsgegner die Nachfrage eines anderen Unternehmens während der Angebotsphase nach Streichung oder Abschwächung des geforderten Festplattenspeichers von min. 200 GB SSD unter Hinweis auf das gewünschte performante System abgelehnt. Auch die geforderten Aufwärmzeiten bzw. deren Bewertung ließen erkennen, dass die Geschwindigkeit des gesamten Druckvorgangs große Bedeutung für den Auftraggeber habe. Das gewählte Zuschlagskriterium der Ausgabegeschwindigkeit stehe somit im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand. Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert. Mit Verfügung vom 07.08.2023 hat die Vergabekammer die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 06.09.2023 verlängert. Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2023 Bezug genommen. II. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Er ist wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus der den Bietern für die Kalkulation ihrer Angebote mit den Vergabeunterlagen übersandten Bewertungsmatrix erkennbare, wertungsrelevante Berücksichtigung der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat (im Folgenden 1). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zulässig, aber unbegründet. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Er hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte auch ausschließlich unter Berücksichtigung beider Zuschlagskriterien (Preis und Leistung) und sämtlicher qualitativer, in der Bewertungsmatrix bekannt gegebener qualitativer Unterkriterien und der festgelegten Gewichtung durchgeführt (im Folgenden 2 a). Der Antragsgegner hat auch nicht gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen. Die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix mit insgesamt 40 von 1000 erreichbaren Gewichtungspunkten ist sachlich gerechtfertigt und hält sich in einem angemessenen Rahmen (im Folgenden 2 b). 1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 und 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 Euro gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftrag über die ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (Vergabeakte, Gesamtvermerk Vergabemanagementsystem, Seite 2, a3. Verfahren) wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich. Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen auf der Grundlage einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung zu erteilen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen - Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg - Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06 -). Der Anspruch an die Substantiierung des antragsbegründenden Vortrags wird durch den Stand der Kenntnis des Antragstellers von dem der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzt und muss damit korrespondieren. Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt. Die Antragstellerin hat allerdings nicht hinsichtlich aller verfahrensgegenständlicher Beanstandungen ihrer Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig zu rügen. Sie beruft sich darauf, dass sie erst nach erfolgter Information gemäß § 134 GWB und anwaltlicher Beratung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten die mit ihrem Nachprüfungsantrag geltend gemachten Verstöße positiv erkannt hat und diese sodann innerhalb der 10-Tagesfrist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB und damit rechtzeitig gerügt habe. Die Präklusionsregeln gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB seien in ihrem Fall nicht einschlägig, weil die Verstöße für sie weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen seien. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus der den Bietern für die Kalkulation ihrer Angebote mit den Vergabeunterlagen übersandten Bewertungsmatrix erkennbare, wertungsrelevante Berücksichtigung der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat. Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind. Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Bei der Feststellung der Erkennbarkeit wird daher nach herrschender Meinung auf einen objektiven Maßstab abgestellt. Beim Maßstab der Erkennbarkeit ist nicht auf den Vergaberechtsexperten, sondern auf diejenigen abzustellen, die Adressaten der Bekanntmachung sind, nämlich die fachkundigen Bieter; diese prägen den objektiven Empfängerhorizont, aus dem die Erkennbarkeit zu beurteilen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018 - Verg 2/18; VK Lüneburg, Beschluss vom 14.05.2018 - VgK-11/2018; Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2. Aufl., § 160, Rn. 72, 73, m. w. N.). Erkennbar ist daher, was dem fachkundigen Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs war vorliegend eine Erkennbarkeit der Wertungsrelevanz der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls für die Antragstellerin als fachkundigem Unternehmen, das sich ausweislich der im eigenen Angebot benannten Referenzen bereits an mehreren Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber beteiligt hat, nach Auffassung der Vergabekammer bereits bei der Kalkulation und Legung des Angebots gegeben. Diese Relevanz ging für alle Bieter unmissverständlich aus der den Bietern vom Antragsgegner mit den Vergabeunterlagen übersandten "Bewertungsmatrix Multifunktionsgeräte (MFG)" hervor. Dort hatte der Antragsgegner unter "2. Druckmodul" Leistungsklassen LK I und LK II ausdrücklich festgelegt, dass insgesamt max. 200 Punkte (20 % von 1.000 Punkten) erzielt werden können, die wie folgt aufgeteilt werden: "2.1. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK I: - >= 40 Seiten: 0 - 3 Punkte - >= 45 Seiten: 8 - 10 Punkte." "2.2. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK II: - >= 25 Seiten: 0 - 3 Punkte - >= 30 Seiten: 8 - 10 Punkte." Daraus ergab sich für das durch die vorliegende Ausschreibung angesprochene Bieterfeld - seien es, wie im Falle der Antragstellerin und der Beigeladenen - Fachhändler oder auch Hersteller selbst - ohne weiteres, dass und wie besonders hohe Ausgabegeschwindigkeiten im Rahmen der Angebotswertung honoriert werden. Die Antragstellerin hat auf Vorhalt des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer auch nicht bestritten, dass sie in der Lage gewesen wäre, Geräte des ihrem Angebot zugrunde liegenden Herstellers ### anzubieten, die ebenfalls die für die Höchstpunktzahl erforderliche Ausgabegeschwindigkeit ermöglichen. Sie hat jedoch davon abgesehen und diese Entscheidung damit erläutert, dass ihr bei Legung des Angebotes nicht richtig klar geworden sei, dass vorliegend wirklich Hochleistungsprodukte gewünscht wurden. Sie sei darauf bedacht gewesen, ein möglichst kostengünstiges Angebot zu unterbreiten und habe lediglich darauf geachtet, dass diese Mindestvorgabe von 40 bzw. 25 Seiten/Minute durch das eigene angebotene Produkt gewährleistet wird. Es ist jedoch ureigenste Aufgabe des Bieters, sich im Rahmen der Angebotskalkulation zu entscheiden, ob er sein Angebot eher zugunsten eines niedrigen Preises oder einer besonders hohen Erfüllung der qualitativen Zuschlagskriterien ausrichtet, um ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten und die Chance auf den Zuschlag zu erhöhen. Soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus den Vergabeunterlagen erkennbare Wertungsrelevanz der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat, ist der Nachprüfungsantrag daher wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bereits unzulässig. Demgegenüber ist eine Erkennbarkeit der beiden anderen von der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag beanstandeten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße nach Auffassung der Vergabekammer zumindest nicht evident: Die Antragstellerin beanstandet, der Antragsgegner sei seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nicht nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Dem steht zwar entgegen, dass der Antragsgegner neben der detaillierten Bewertungsmatrix in der Leistungsbeschreibung auf Seite 29 dargestellt hat, wie er die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung festgelegt hat. Er hat sich dabei aber hinsichtlich der Gewichtung darauf beschränkt, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der feststehenden Angebotspreise aufgrund des sich aus dem Preisblatt 1 ergebenden monatlichen Gesamtpreises stattfindet, und den Klammerzusatz (""Einfache Richtwertmethode")" aufgenommen. Ob dieser kurze Hinweis auf die ""Einfache Richtwertmethode"" den Anforderungen des § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV an die Bekanntgabe der Gewichtung der Hauptzuschlagskriterien "Preis" und "Leistung" genügt oder ob diesbezüglich bei ihr aus der Bieterperspektive Zweifel angebracht waren, konnte die Antragstellerin ohne rechtskundliche Beratung nicht ohne weiteres erkennen. Über diese Beanstandung hatte die Vergabekammer daher im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden (dazu unter 2 a). Dies gilt nach Auffassung der Vergabekammer auch für die Beanstandung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen, indem er eine automatische Erkennung des Papiergewichtes und damit letztlich ein Exklusivmerkmal der von der Beigeladenen angeboten Produkte des Herstellers ### gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix punktemäßig berücksichtigt hat. Die Frage, ob die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes nach der Begründung des Antraggegners sachlich gerechtfertigt war oder ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität vorliegt, war daher ebenfalls im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden (dazu unter 2 b). Bezüglich dieser Beanstandungen ist der Nachprüfungsantrag somit zulässig. 2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die von ihr beanstandeten Wertungskriterien noch durch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nach der einfachen Richtwertmethode entsprechend UfAB 2018 in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt: a. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Er hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte auch ausschließlich unter Berücksichtigung beider Zuschlagskriterien (Preis und Leistung) und sämtlicher qualitativer, in der Bewertungsmatrix bekannt gegebener qualitativer Unterkriterien und der festgelegten Gewichtung durchgeführt. Gemäß § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistung-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung. Das europäische oder das nationale Vergaberecht schreiben keine bestimmte Methode vor (Opitz in: Beck`scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 127 GWB, Rn. 126). Es unterfällt dem - nur auf Einhaltung der rechtlichen Grenzen kontrollierbaren - Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2011 - 15 Verg 8/11; OLG München, Beschluss vom 27.01.2006 - Verg 1/06 = Vergaberecht 2006, Seite 537). Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein (VK Sachsen, Beschluss vom 19.05.2015 - 1/SVK/014-15). Die Zuschlagskriterien spiegeln dementsprechend wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben (vgl. VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 - VK-96/22 -, zitiert nach ibr-online). Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben und dieses zutreffenden Maßstabes ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Zuschlagskriterien selbst und auch die Unterkriterien ausreichend dargestellt sind, da im Kontext mit den Darstellungen in der Leistungsbeschreibung den Bietern auch eine detaillierte Bewertungsmatrix mit allen wertungsrelevanten technischen Merkmalen und Eigenschaften übersandt wurde. Auch in der Bekanntmachung wurde bereits dargestellt, dass der Preis nicht das alleinige Kriterium ist. § 127 Abs. 5 GWB schreibt vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Das gilt grundsätzlich sowohl für die Hauptzuschlagskriterien selbst als auch für die Unterkriterien (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 - X ZB 3/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020 - Verg 26/19; OLG Celle, Beschluss vom 25.03.2021 - 13 Verg 1/21; EuGH, Urteil vom 14.07.2016 - Rs. C-6/15). Während die Gewichtung des Zuschlagskriteriums "Leistung" und sämtlicher diesbezüglich festgelegter Unterkriterien durch die den Bietern mit den Vergabeunterlagen bekannt gegebene Bewertungsmatrix diesen Anforderungen zweifellos genügen, ist dies für die Gewichtung der beiden Hauptzuschlagskriterien zueinander nicht so offenkundig. Zweifelhaft könnte vorliegend deshalb sein, ob die Frage der Gewichtung der Zuschlagskriterien "Preis und Leistung" ausreichend dargestellt ist. Der Antragsgegner hat in der Leistungsbeschreibung auf Seite 29 dargestellt, wie er die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung festgelegt hat. Er hat sich dabei aber hinsichtlich der Gewichtung darauf beschränkt, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der feststehenden Angebotspreise aufgrund des sich aus dem Preisblatt 1 ergebenden monatlichen Gesamtpreises stattfindet, und den Klammerzusatz "("Einfache Richtwertmethode")" aufgenommen. Die "Einfache Richtwertmethode" ist ebenso wie die erweiterte Richtwertmethode eine übliche Wertungsmethode für Beschaffungen im IT-Bereich. Sie wird in der UfAB 2018 (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung) empfohlen und erläutert. In der Rechtsprechung wird die "Einfache Richtwertmethode" ausdrücklich für zulässig erachtet (OLG Dresden, Beschluss vom 05.01.2001 - WVerg 11 und 12/00; OLG Rostock, Beschluss vom 18.10.2000 - 17 W 12/00). Bereits im Jahre 2003 wurde mit der UfAB III die "Einfache Richtwertmethode" (Z = L : P) eingeführt. L steht für die tatsächlich erreichten Leistungspunkte. P steht für den angebotenen Preis. In Prozent ausgedrückt enthält die "Einfache Richtwertmethode" - immer - eine verlautbarte Gewichtung des Preises und der Leistung von je 50 % (vgl. (Opitz in: Beck`scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 127 GWB, Rn. 146). Andere Gewichtungen sind mit dieser Formel nicht umsetzbar (Delcuvé in: Müller-Wrede, GWB, 2. Aufl., § 127 GWB, Rn. 64). Legt sich der öffentliche Auftraggeber auf die "Einfache Richtwertmethode" fest und gibt dies gegenüber den Bietern bekannt, so ergibt sich sowohl für den Auftraggeber wie auch für die Bieter eine zwingende Gewichtung von Preis und Leistung mit jeweils 50 %. Der Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie bei Legung ihres Angebotes davon ausgegangen sei, dass dem Zuschlagskriterium Preis ein höheres Gewicht zugemessen wird als dem Zuschlagskriterium Leistung, überzeugt daher nicht. Da bei Zugrundelegung der "Einfachen Richtwertmethode" keine andere Gewichtung möglich ist, hat der Antragsgegner mit der Festlegung dieser Wertungsmethode in den Vergabeunterlagen zugleich auch die Gewichtung von Preis und Leistung zueinander gemäß § 127 Abs. 5 GWB in den Vergabeunterlagen aufgeführt. Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte im Rahmen der Angebotswertung die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 127 GWB und § 58 VgV auch ausschließlich und vollständig anhand der festgelegten und den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und Gewichtung durchgeführt und Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 GWB genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Die Angebotswertung ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden. b. Der Antragsgegner hat auch nicht gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen. Die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix mit insgesamt 40 von 1000 erreichbaren Gewichtungspunkten ist sachlich gerechtfertigt und hält sich in einem angemessenen Rahmen. Vorliegend hat der Antragsgegner in der Leistungsbeschreibung kein Leitfabrikat oder eine sonstige herstellerspezifische Produktbezeichnung aufgenommen. Auch die streitbefangene Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes ist ausdrücklich nicht als Ausschlusskriterium, sondern als Wertungskriterium in der Bewertungsmatrix festgelegt worden. Die Antragstellerin vertritt jedoch die Auffassung, dass durch diese Berücksichtigung im Rahmen der Angebotswertung eine verdeckte hersteller- und produktspezifische Ausschreibung einhergeht, weil nur der Hersteller ###, dessen Produkte - unstreitig - Gegenstand des Angebots der Beigeladenen sind, dieses Merkmal bei seinen Druckern anbieten könne. Es handele sich letztlich um ein hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium, das zu einem Wertungsvorsprung für den Bestbieter geführt habe, der sachlich durch nichts gerechtfertigt sei. Der Bedarf des Antragsgegners könne auch durch andere technische Maßnahmen, wie etwa ein zusätzliches Fach, das ausgewählt werden könne, aus dem die Multifunktionsgeräte die Zuführung des Papiers durchführen sollen, gewährleistet werden. Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für eine bestimmte Leistung frei (sog. Bestimmungsfreiheit). Diese Entscheidung erfolgt vor dem eigentlichen Vergabeverfahren. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur wie (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2021 - 19 Verg 2/21). Konsequenz dessen ist, dass die Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich auch nur das "Wie" ins Auge fassen. Da das Vergaberecht jedoch den Zweck erfüllt, das öffentliche Beschaffungswesen für den Wettbewerb zu öffnen und die Warenverkehrsfreiheit im europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten, sind der Bestimmungsfreiheit Grenzen gesetzt. Vor diesem Hintergrund statuiert § 31 Abs. 6 VgV sowie die korrespondierenden Vorschriften - etwa § 7 Abs. 2 VOB/A - das Gebot der produktneutralen und das Verbot der produktspezifischen Ausschreibung (vgl. BT-Drs. 18/7318, Seite 172; VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2022 - VK 2-7/22). Nach dieser Vorschrift darf in der Leistungsbeschreibung nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt oder der Auftragsgegenstand kann nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden. Eine produktspezifische Ausschreibung ist daher nur dann vergaberechtskonform, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden - daher festzustellen und notfalls erwiesen sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 66/18 sowie Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 47/15, und Beschluss vom 01.08.2012 - Verg 10/12; OLG München, Beschluss vom 26.03.2020 - Verg 22/19; OLG Jena, Beschluss vom 25.06.2014 - 2 Verg 1/14; OLG Celle Beschluss vom 31.03.2020 - 13 Verg 13/19). Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist durch die Nachprüfungsinstanzen voll überprüfbar (vgl. VK Bund, Beschluss vom 16.03.2015 - VK 2-9/15). Die Entscheidung muss allerdings "lediglich" nachvollziehbar begründet und dokumentiert - mithin plausibel - sein (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 30.08.2016 - 1/SVK/016-16, und VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2015 - 3 VK LSA 62/15). Wird die Plausibilität der Erwägungen des öffentlichen Auftraggebers bejaht, beanstanden die Nachprüfungsinstanzen die Entscheidung nicht mehr in fachlicher Hinsicht (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, 01.08.2012 - Verg 10/12, VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2022 - VK 2-7/22). Der öffentliche Auftraggeber ist nicht per se gehalten, Ausschreibungen so zu gestalten, dass sämtliche interessierten Unternehmen die ihnen favorisierten Produkten anbieten können oder sich bewerben dürfen oder bei der qualitativen Bewertung im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gegenüber Konkurrenten den gleichen Rang erreichen. Allerdings müssen die Gründe, die aus Sicht des Auftraggebers für eine produktscharfe Ausschreibung streiten, dokumentiert und die Erwägungen, die zu den maßgeblichen Entscheidungen geführt haben, niedergelegt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 66/18). Denn die Darlegungslast für die Notwendigkeit einer herstellerbezogenen Leistungsbeschreibung liegt beim öffentlichen Auftraggeber (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 66/18; OLG Celle, Beschluss vom 31.03.2020 - 13 Verg 13/19). Dieser zutreffende Maßstab und diese Anforderungen gelten nach Auffassung der Vergabekammer grundsätzlich auch, wenn und soweit der öffentliche Auftraggeber zwar - wie im vorliegenden Fall - kein Produkt eines bestimmten Herstellers vorgibt, aber in der Leistungsbeschreibung oder in den Zuschlags(-unter)kriterien Produktmerkmale oder technische Spezifika aufnimmt oder berücksichtigt, die aufgrund ihrer Exklusivität die Produkte eines bestimmten Herstellers bevorzugen. Diesen Anforderungen an die Plausibilität der Gründe für die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes im Rahmen der Angebotswertung genügen die von dem Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Erwägungen. Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass das Bewertungskriterium mit aufgenommen worden sei, weil die zu liefernden Geräte im gesamten Netz des ### eingesetzt, die einzelnen Kassetten aber gerade bei Spezialpapier nicht immer identisch bestückt werden. Da die Benutzer ihre Drucke jedoch an allen Geräten abrufen können sollen sei es durchaus von Bedeutung, dass Ausdrucke nicht mit falschem Papier ausgegeben werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner unter Vertiefung seines schriftsätzlichen Vortrages die Motivation, ein solches Kriterium im Rahmen der Wertung abzufragen bzw. zu honorieren damit begründet, dass die Druckaufträge regelmäßig von den Sachbearbeitern auch an unterschiedlichen Druckern ausgedruckt werden können müssen. Die abgefragte Gewichtserkennung fördere das sog. "Follow-me-System". Dieses hat der Antragsgegner bereits unter 3.6.2 der Leistungsbeschreibung (dort unter "Softwareanforderungen inkl. Anmeldungen am MFP", Seite 21 ff., 24, 25) erläutert. "Follow me" bedeutet für den Antragsgegner in diesem Zusammenhang, dass der Mitarbeiter, der den Druckauftrag auslöst, an ein beliebiges Druckergerät im Hause gehen und dann ohne größere Einstellungen dafür sorgen kann, dass das Papiergewicht auch erkannt werde. Dies gelte z. B. für Urkunden, wo eine höhere Qualität, ein höheres Papiergewicht benötigt werde als für normale Dokumente. Diese Funktion sei bislang nur bei den neuesten Druckern im Hause schon vorhanden. Man wolle diesen Komfort aber eben auch bei den verfahrensgegenständlichen neu zu beschaffenden Multifunktionsprintern gewährleisten, zumal der Antragsgegner intern dazu übergehen werde, dass mehrere Arbeitsplätze im Wege des Desk-Sharing von mehreren Mitarbeitern benutzt werden. Diese sollen dann wiederum auch an unterschiedlichen Zentraldruckern ihre Druckaufträge ausdrucken können, um unnötige Wartezeiten zu vermeiden. Der Antragsgegner hat auf Nachfrage der Antragstellerin erklärt, dass ihm gleichwertige Alternativen zu dieser Gewichtserkennung nicht bekannt seien. Man sei aber überzeugt von dieser Funktion und habe aus den genannten Gründen dieses Kriterium bewusst zwar nicht als Mindestkriterium in der Leistungsbeschreibung, wohl aber als Wertungskriterium mit in die Bewertungsmatrix aufgenommen. Diese Begründung ist zumindest plausibel, tragfähig und nach Auffassung der Vergabekammer ausreichend, um eine um die Entscheidung des Antragsgegners für eine Berücksichtigung der Ausstattung der Multifunktionsgeräte mit einer automatischen Erkennung des Papiergewichts im Rahmen der Angebotswertung zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner dieses Ausstattungsmerkmal ausweislich der Bewertungsmatrix nur äußerst maßvoll punkteerhöhend gewichtet hat. Aus der mit den Vergabeunterlagen bekannt gegebenen Bewertungsmatrix zur Ermittlung der Leistungspunkte geht hervor, dass hierbei maximal 1.000 Leistungspunkte erreicht werden können. Bei den hier maßgeblichen Kriterien 1.13 (Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK 1) und 1.14 (Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK II) konnten jeweils maximal 20 Leistungspunkte vergeben werden, was 4,0 % der erreichbaren Leistungspunkte entspricht. Der damit einhergehende Wertungsbonus zugunsten der Produkte des Herstellers, der nach vom Antragsgegner unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin dieses Ausstattungsmerkmal exklusiv anbietet, besteht somit in einem derartig geringen Umfang, dass dieser durch Angebote von Bietern, die auf Konkurrenzprodukten basieren, ohne weiteres ausgeglichen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Preis mit einer Gewichtung von 50 % zum Tragen kommt. Die Vergabekammer teilt daher im Ergebnis die Auffassung des Antragsgegners, dass die Berücksichtigung dieses Kriteriums vom Bestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt ist. Zumindest aber ist sie i. S. d. § 31 Abs. 6 Satz 1 VgV durch Auftragsgegenstand gerechtfertigt. |
5 | Der Nachprüfungsantrag war daher, soweit er zulässig ist, als unbegründet zurückzuweisen. III. Kosten Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro. Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert. Für die Ermittlung des Gegenstandswertwertes ist vorliegend zunächst ein Betrag in Höhe von ### Euro (brutto) zugrunde zu legen. Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin über die ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (Vergabeakte, Zusammenstellung der Angebote, VHB Bund-Formblatt 313) und damit ihrem Interesse am Auftrag. Es ist jedoch eine Verlängerungsoptionen um 12 Monate zu berücksichtigen. Die Verlängerungsoptionen stellen einen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Ausschreibungsgegenstand innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13). Somit beträgt Gegenstandswert und damit das Interesse der Antragstellerin am Auftrag den 4,5-fachen Jahreswert ihres Angebots, mithin ### Euro (brutto). Bei einer Gesamtsumme von ### Euro ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ### Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte. Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von ### Euro unter Angabe des Kassenzeichens ### auf folgendes Konto zu überweisen: ### IV. (...) |
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VK Lüneburg
Beschluss
vom 08.05.2023
VgK-08/2023
1. Der öffentliche Auftraggeber muss mit der Vorabinformation den unterliegenden Bietern den frühestes Zeitpunkt nennen, ab wann sie mit dem Vertragsschluss mit dem erfolgreichen Bieter rechnen müssen.
2. Dabei handelt es sich um eine Mindestwartefrist, die der öffentliche Auftraggeber bewusst verlängern kann.
3. Die den Informationsadressaten mitgeteilte Stillhaltefrist schafft einen Vertrauenstatbestand und bindet den Auftraggeber.
In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen Vergabeverfahren Flüchtlingsunterkunft xxxxxx, Los 3 Bewachungsdienstleistungen,
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende ORR'in von dem Knesebeck, MR Gause als hauptamtlicher Beisitzer und die ehrenamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Anne-Kristin Menneke auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2023
beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin teilweise in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
2. Die Kosten werden auf xxxxxx Euro festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3 zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.
4. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/3 zu erstatten. Die Antragstellerin hat ihrerseits der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwenigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung:
I.
Die Antragsgegnerin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2022 europaweit in drei Losen den Abschluss eines Dienstleistungsvertrages über die soziale Betreuung und Gebäudemanagement, Reinigung sowie Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft in der xxxxxx im offenen Verfahren ausgeschrieben.
Streitgegenstand ist vorliegend das Los 3 Bewachung der Flüchtlingsunterkunft für die Vertragslaufzeit 01.12.2022 bis zum 01.12.2025 mit vorbehaltener einseitiger einjähriger Verlängerung durch die Antragsgegnerin. Der Preis ist laut Bekanntmachung nicht das einzige Zuschlagskriterium. Alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt.
Danach sollten bei der Bewertung der Angebote sowohl der Angebotspreis als auch das Sicherheitskonzept berücksichtigt werden. Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 20 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 20 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 18 Punkten (= 20 Punkte - 20 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein.
Das Sicherheitskonzept wird ebenfalls mit (maximal) 20 Punkten, aufgeteilt auf vier Bereiche mit unterschiedlicher Punktzahl, bewertet. Zwischenpunkte sind hierbei nicht möglich: Die Punkte für das Sicherheitskonzept gehen sodann zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 3 ein. Den Zuschlag für Los 3 erhält der Bieter mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und Konzept.
Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgerecht neben acht weiteren Bietern Angebote ab. Die in der Vergabeakte dokumentierte Angebotswertung durch die Antragsgegnerin ergab, dass die Beigeladene das insgesamt wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. Zwar erzielte die Antragstellerin für das Zuschlagskriterium Sicherheitskonzept die Höchstpunktzahl, lag mit ihrem Angebotspreis jedoch nur auf Rang 8. Demgegenüber erreichte die Beigeladene beim Sicherheitskonzept die zweithöchste Punktzahl des Bieterfeldes, lag mit ihrem Angebotspreis jedoch deutlich vor der Antragstellerin auf Rang 3.
Mit Schreiben vom 03.02.2023 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 134 GWB, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, da sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Zur Erläuterung teilte die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin und der Beigeladenen erzielte Gesamtpunktzahl mit. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 31.03.2023 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2023 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Sie und nicht die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Sie selbst habe die geforderten Dienstleistungen zu einem Stundensatz von xxxxxx Euro bei 12Stunden-Schichten angeboten. Dieser liege damit knapp über dem aktuellen Mindestlohn von 12,43 Euro. Aufgrund eigener Branchenkenntnisse gehe sie davon aus, dass die Beigeladene ihren Mitarbeitern diesen Mindestlohn bezahle. Gemäß § 3 S. 1 ArbZG dürfe die Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Auch wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden, dürfe die Arbeitszeit maximal auf zehn Stunden verlängert werden. Eine Ausnahme, über diese acht bzw. zehn Stunden hinauszugehen, gelte nur für tarifgebundene Betriebe, die ihre Beschäftigten entsprechend den sodann geltenden Arbeitszeit-, Vergütungs- und Urlaubsvorschriften beschäftigten. Dies sei bei ihr selbst im Gegensatz zur für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen der Fall, weshalb sie in der Lage sei, 12-Stunden-Schichten bei einer Vergütung über dem Mindestlohn anzubieten. Für die für den Zuschlag vorgesehene Beigeladene bedeute dies, dass sie entweder unzulässigerweise 12-Stunden-Schichten anbiete, obwohl sie nicht tarifgebunden operiere, oder kürzere Schichten angeboten habe.
Letzteres führe faktisch jedoch zu häufigeren Schichtwechseln und dem Einsatz von mehr Personal, wodurch der Antragsgegnerin in der Summe letztlich höhere Kosten entstünden, als es bei dem Angebot der Antragstellerin der Fall wäre. Damit verstoße die geplante Bezuschlagung der Beigeladenen gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde ggf. mittelbar sogar einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern.
Auch bezweifelte die Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin überhaupt eine Vergleichbarkeit der Angebote erreicht habe. Indem sie die Stunden- bzw. Schichtenangaben frei den Bietern überlassen habe, habe sie bei der Prüfung auf o.g. Sachverhalte kaum eingehen können.
Zudem hätten offenbar mögliche oder gar vorhersehbare Änderungen während der Vertragslaufzeit, bspw. die ab 01.04.2023 eintretende Erhöhung des Mindestlohns auf 13,00 Euro, keine Berücksichtigung gefunden.
Eine Erwiderung der Antragsgegnerin auf das Rügeschreiben der Antragstellerin erfolgte nicht.
Stattdessen wartete die Antragsgegnerin den von ihr selbst im Informationsschreiben gemäß § 134 GWB gegenüber der Antragstellerin festgelegten und bekannt gegebenen Termin für die Zuschlagserteilung nicht ab und schloss vorzeitig mit der Beigeladenen den verfahrensgegenständlichen Vertrag. Mit Schreiben vom 14.02.2023 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Vertragsunterzeichnung auf. Der Vertrag wurde im Anschluss von der Antragsgegnerin gegengezeichnet.
Die Antragstellerin stellte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.03.2023 einen Nachprüfungsantrag. Zur Begründung wiederholte sie die bereits in ihrem Rügeschreiben vom 11.02.2023 dargelegten Auffassungen bezüglich der beanstandeten Vergaberechtsverstöße.
Mit Schriftsatz vom 20.04.2023 vertieft sie ihren Vortrag. Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin handele es sich bei dem Angebot der Beigeladenen nicht um das wirtschaftlichste. Jedenfalls sei es für die Beigeladene und damit die von ihr einzusetzenden Mitarbeiter unauskömmlich und könne deshalb nicht den Zuschlag erhalten. Anhand von Rechenbeispielen legt die Antragstellerin ihre Auffassung dar, dass durch die Lohnkosten der Beigeladenen von mindestens xxxxxx Euro/Std (xxxxxx %), unter Zugrundelegung des gesetzlichen Mindestlohns für die einzusetzenden Mitarbeitern in Höhe von 12,00 Euro/Std im besten Fall die Sozialversicherung und Lohnfolgekosten abgedeckt seien. Kosten für Gewerbesteuer, Betriebshaftpflicht, Verwaltung etc. seien in diesem Wert noch gar nicht enthalten. Dieser Wert bedeute zusätzlich noch, dass es nur 20 Urlaubstage geben darf und die Mitarbeitenden im Schnitt nur max. 10 Tage im Jahr krank sein dürften.
Auch die Angabe, dass zwei Azubis beschäftigt würden, könne dem nicht abhelfen. Der Mindestlohn für einen Azubi im ersten Lehrjahr liege bei xxxxxx Euro brutto, zzgl. Sozialabgaben ergebe das mindestens xxxxxx Euro im Monat, auf die Laufzeit von 3 Jahren seien das Kosten in Höhe von xxxxxx Euro. Bei dieser Rechnung habe die Antragstellerin sogar zugunsten der Beigeladenen angenommen, dass die zwei Azubis weder zur Schule oder auf Lehrgänge gehen, sodass sie 348 Stunden durchschnittlich pro Monat schaffen, was ihrer Auffassung aber schlicht unrealistisch sei.
Vor diesen Hintergrund halte sie auch den kalkulierten "Puffer" für zu unspezifisch und darüber hinaus unrealistisch und ungeeignet, hinreichend auf Tarifanpassungen in der Laufzeit reagieren zu können.
Es werde zudem auch bestritten, Angaben zur Zahlung nach Tariflohn nicht in Form von Zuschlagskriterien fordern zu können. Die Antragsgegnerin sei gemäß §§ 121 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. 15 VgV gehalten, die Leistungsbeschreibung so zu gestalten, dass sie für alle Bieter in gleicher Weise verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Wenn die Antragsgegnerin Angebote auf Basis sowohl von Tariflohn als auch von Mindestlohn zulasse, sei sie verpflichtet, ggf. weitere Angaben zu verlangen, die eine Vergleichbarkeit über die gesamte Laufzeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ermöglichen, oder sie könnte zur Herstellung der Vergleichbarkeit die Angabe nur eines von beiden verlangen und ggf. Nebenangebote mit entsprechender Erläuterung zulassen.
Insgesamt sei unklar, ob überhaupt eine hinreichende Vergleichbarkeit der Angebote bei der Wertung bestanden habe. Daher rüge sie die fehlende Vergleichbarkeit bei der Wertung als vergaberechtswidrig und beantrage für den Fall die hilfsweise Zurückversetzung auf den Zeitpunkt vor Bekanntmachung, um die Vergabe sodann mit angepassten Kriterien im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Angeboten auf der Grundlage von Mindestlohn und solchen auf der Grundlage von Tariflohn erneut bekannt zu machen. Alternativ könne die Vergabe aufgehoben, komplett überarbeitet und neu veröffentlicht werden.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Verfahren auf den Zeitpunkt nach Angebotsöffnung zurückzuversetzen und die Wertung und Zuschlagsentscheidung unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Umstände vorzunehmen,
hilfsweise: das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Bekanntmachung zurückzuversetzen;
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;
3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge der Antragstellerin zu 1. - 4. abzulehnen.
Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei unbegründet. Die Wertung des Angebots der Beigeladenden durch die Antragsgegnerin verstoße nicht gegen vergaberechtliche Vorschriften, insbesondere nicht gegen den vergaberechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit.
Nach ihren Erfahrungswerten sei der sich aus dem kalkulierten Angebotspreis der Beigeladenen ergebende Deckungsbeitrag angesichts des hart umkämpften Marktes der Sicherheitsdienstleistungen vergleichsweise hoch, jedenfalls aber als auskömmlich anzusehen.
Bei der Vergabeentscheidung sei der Preis mit 35 % und das inhaltliche Konzept mit 65 % gewertet worden. In der Gesamtwertung habe das Angebot der Beigeladenen aufgrund des mit 19,5 von 20 Punkten bewerteten inhaltlichen Konzepts auf Platz 1 gelegen und das Angebot der Antragstellerin, die für ihr Konzept die volle Punktzahl erhalten habe, mit relativ deutlichem Abstand auf Platz 2.
Eine Tarifbindung des Bieters sei von der Antragsgegnerin in den Ausschreibungsbedingungen nicht gefordert worden und könne vom öffentlichen Auftraggeber auch nicht verlangt werden. Die Beigeladene habe die von der Antragsgegnerin geforderte Erklärung zu § 4 Abs.1 NTVergG abgegeben und sich darin verpflichtet, den Arbeitnehmern mindestens ein Mindestentgelt nach der jeweils geltenden Fassung der Vorschriften des Mindestentgeltgesetzes zu zahlen. Ferner habe sich die Beigeladene verpflichtet, soweit für die eigenen Arbeitnehmer anwendbar, ein Mindestentgelt nach den Regelungen des ArbeitnehmerEntsendegesetzes (AEntG), des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) oder aus einem auf der Grundlage von § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags zu zahlen. Für die von der Antragsgegnerin ausgeschriebenen Sicherheitsdienstleistungen gebe es zwar einen auf Niedersachsen bezogenen Entgelttarifvertrag zwischen dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD), der ein von der Antragstellerin angeführtes Mindestentgelt von mindestens xxxxxx Euro pro Stunde vorsieht. Allerdings fehle diesem Tarifvertrag bisher die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit für das Gebiet des Landes Niedersachsen.
Der von der Beigeladenen angebotene Preis für die Bewachungsleistungen liege zwar im unteren Drittel der abgegebenen Angebote, sei aber keineswegs der günstigste Preis des Bieterfeldes. Bei zehn abgegebenen Angeboten liege das Angebot der Beigeladenen bei der reinen Preiswertung auf Platz 3 und das Angebot der Antragstellerin auf Platz 8. Der günstigste Anbieter liege knapp 10 % unter dem Angebot der Beigeladenen.
Die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung des Arbeitszeitgesetzes, wonach es nur tarifgebundenen Unternehmen gestattet sei, die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten über acht bzw. zehn Stunden hinaus auszudehnen, beruhe auf einem falschen rechtlichen Verständnis des Arbeitszeitgesetzes auf Seiten der Antragstellerin. Solche abweichenden Regelungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages dürften und könnten im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung, oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden (§ 7 Abs. 3 S. 1 ArbZG). Eine von der Antragstellerin angenommene Privilegierung tarifgebundener Arbeitgeber kenne das Arbeitszeitgesetz also nicht. Darüber hinaus sei der von der Beigeladenen und im Übrigen auch von der Antragstellerin geplante Betrieb in 12-Stunden-Schichten im Sicherheitsgewerbe branchenweit üblicher Standard.
Die Antragsgegnerin habe auch sonst keinerlei ernsthafte Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen oder an der Auskömmlichkeit des angebotenen Preises. Das Unternehmen stelle bisher in neun Unterkünften der Antragsgegnerin den Sicherheitsdienst und darüber hinaus in 13 Unterkünften das Reinigungspersonal und habe sich dort bewährt. Der Antragsgegnerin sei nicht bekannt, dass es bei der Leistungserbringung in diesen Objekten zu Verstößen gegen die Vorschriften zum Mindestentgelt oder zur Arbeitszeit gekommen ist.
Die Antragsgegnerin hat auf einen verfahrensbegleitenden Hinweis der Vergabekammer eingeräumt, dass sie die von ihr selbst bestimmte Wartefrist bei der Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene nicht eingehalten hat und dieser Umstand die in § 135 GWB bestimmte Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vertragsschlusses mit sich bringt.
Sie weist zur Erläuterung darauf hin, dass dieses Vorgehen der Antragsgegnerin auf einem Missverständnis beruhte. Bei der Abfassung der Informationsschreiben sei das Datum der beabsichtigten Zuschlagserteilung an die Beigeladene (14.02.2023) versehentlich mit dem Datum der geplanten Leistungsaufnahme durch die Beigeladene im zu bewachenden Objekt (31.03.2023) verwechselt worden.
Diese Verwechslung sei für die Antragstellerin nicht unmittelbar ersichtlich gewesen.
Die Antragsgegnerin habe jedoch rechtliche Zweifel an der von Vergabekammer vorgenommenen Würdigung, wonach das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Mitteilung nach § 134 GWB zurückzuversetzen sei. Das am 03.02.2023 u. a. an die Antragstellerin versandte Informationsschreiben sei für sich gesehen nicht rechtsfehlerbehaftet und habe die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, da die Mindestwartefrist von zehn Tagen bei einer angekündigten Erteilung des Zuschlags am 31.03.2023 offenkundig eingehalten worden wäre und das Schreiben auch alle übrigen nach § 134 GWB erforderlichen Informationen enthalte. Die Antragstellerin habe fast zwei Monate Zeit gehabt, einen Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene zu stellen. Es bedürfe hier keiner weiteren Rechtsbehelfsfrist mehr.
Insoweit sei der Verfahrensschritt der Mitteilung nach § 134 GWB nach Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht zu wiederholen. Vielmehr könne die Antragstellerin nur verlangen, dass das Verfahren in den Stand vor Erteilung des Zuschlags zurückversetzt werde. Mithin sei die Antragsgegnerin berechtigt, unmittelbar nach dem Wegfall des Zuschlagsverbots im Sinne des § 169 Abs. 1 GWB den Zuschlag erneut an die Beigeladene zu erteilen, wie sie es in der ihrer Mitteilung vom 03.02.2023 gegenüber der Antragsgegnerin angekündigt hatte.
Mit Schreiben vom 27.04.2023 führte die Antragsgegnerin aus, dass die Antragstellerin ihre Preisberechnungen bezüglich der Beigeladenen aufgrund falscher Annahmen und Unkenntnis über die tatsächlich im Objekt eingesetzten Mitarbeitenden und ihrer Arbeitsverhältnisse gemacht habe. Die Kalkulation sei insbesondere vor dem Hintergrund des Einsatzes von Werkstudenten und Werkstudentinnen und Rentnern und Rentnerinnen auskömmlich, deren Einsatz eine Senkung der Personalkosten zur Folge habe. Auch seien die veranschlagten Kosten für die Betriebshaftpflichtversicherung der Beigeladenen auskömmlich und bei den zehn gewerteten Angeboten am zweithöchsten.
Zudem sei der einkalkulierte "Puffer" der Beigeladenen in Höhe von xxxxxx % nicht unrealistisch bemessen, da die Beigeladene nicht tarifgebunden und eine Anhebung des Mindestlohnes über diesen "Puffer" hinaus nicht zu erwarten sei. Sollte es dennoch zu einer unvorhersehbaren erheblichen Steigerung der Personalkosten kommen, so könne daraus ggf. ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB resultieren. Es sei daher nicht notwendig solche Entwicklungen bereits bei der Angebotsabgabe durch Risikozuschläge einzukalkulieren.
Die Beigeladene hat bislang keine eigenen Anträge gestellt und sich nicht zum Nachprüfungsantrag geäußert.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung vom 26.04.2023 gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 19.05.2023 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2023 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig und überwiegend unbegründet.
Die Zuschlagserteilung der Antragsgegnerin an die Beigeladene steht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht entgegen (vgl. 1a). Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin beanstandet, eine Bezuschlagung verstoße gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern (vgl. 1b). Soweit die Antragstellerin jedoch erstmals im Nachprüfungsverfahren vorgetragen hat, es fehle an Vorgaben in den Vergabeunterlagen, die eine hinreichende Vergleichbarkeit der Angebote bei der Wertung ermöglichen und eine hilfsweise Zurückversetzung beantragt, ist der Nachprüfungsantrag unzulässig (vgl. 1c).
Die Antragstellerin ist durch die vergaberechtswidrige Zuschlagserteilung der Antragsgegnerin vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben nach § 134 GWB genannten Stillhaltefrist in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt (vgl. 2a). Das Angebot der Beigeladenen für Los 3 ist allerdings nicht von der Wertung auszuschließen. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots war nicht zu beanstanden, die Antragsgegnerin hat weder gegen § 127 GWB noch gegen den Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen (vgl. 2b).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin, xxxxxx, handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um den Betrieb einer städtischen Flüchtlingsunterkunft xxxxxx, hier streitgegenständlich Los 3 Bewachungsdienstleistungen und damit um einen öffentlichen Auftrag über soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. d. §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 130 GWB i. V. m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung, für den ein Schwellenwert von 750.000 Euro gilt. Der von Antragsgegnerin gemäß § 3 VgV geschätzte Auftragswert (Vergabeakte, Vergabevermerk, Verweis auf Vermerk zur Kostenschätzung) überschreitet den Schwellenwert deutlich.
a) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht die Zuschlagserteilung an die Beigeladene nicht entgegen, da die Antragsgegnerin durch die Zuschlagserteilung vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben nach § 134 GWB genannten Stillhaltefrist gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB verstoßen hat und der Zuschlag damit unwirksam erteilt wurde.
Zwar ist ein Nachprüfungsantrag nach § 160 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf, wie ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksam erteilten Zuschlag beendet ist (§ 168 Abs. 2 Satz 1 GWB). Eine Ausnahme gilt aber in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB geregelten Fällen, in denen der Zuschlag zunächst nur zu einem schwebend wirksamen Vertrag führt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019, Verg 53/18; Beschluss vom 19.04.2017 - Verg 38/16). Der Grundsatz des § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, dass ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, wird dadurch dahin gehend eingeschränkt, dass dies nicht gilt, wenn einer der in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fälle vorliegt und dies in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Über das Vorliegen einer der in § 135 Abs. 1 GWB genannten Vergaberechtsverstöße ist noch nicht im Rahmen der Prüfung der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags abschließend zu entscheiden, sondern im Rahmen der Begründetheit, wenn der Nachprüfungsantrag im Übrigen zulässig ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019, Verg 53/18; Beschluss vom 19.04.2017 - Verg 38/16; ebenso Gnittke/Hattig, in: Müller-Wrede, GWB, § 135 Rn. 64).
Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist, vgl. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der öffentliche Auftraggeber ist nach § 134 GWB gehalten, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren.
Es muss den unterliegenden Bietern der früheste Zeitpunkt genannt werden, ab wann sie mit dem Vertragsschluss mit dem erfolgreichen Bieter rechnen müssen. Der Inhalt der Informationspflicht ist aus dem Horizont des unterlegenen Bieters vor dem Hintergrund ihres Charakters als Rechtsschutzgewährleistung auszudeuten. Wenn der Auftraggeber dem unterlegenen Bieter einen späteren Zeitpunkt für den frühesten Vertragsschluss nennt, als sich aus der gesetzlich zwingenden Stillhaltefrist ergeben würde, ist er an den genannten Zeitpunkt gebunden (vgl. Stumpf, in: Willenbruch/ Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 134 GWB, Rn. 25). Da es sich um eine Mindestwartefrist handelt, kann der öffentliche Auftraggeber die Frist bewusst verlängern, so dass er an die verlängerte Frist zumindest dann gebunden ist, wenn er sie den Informationsadressaten mitgeteilt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Dem lassen sich weder der Gleichbehandlungsgrundsatz noch der Umstand entgegenhalten; es handele sich bei der Wartefrist um eine gesetzliche Frist (vgl. Beck VergabeR/Dreher/Hoffmann, GWB, § 134, Rn. 63, 75, m. w. N.).
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin im Informationsschreiben vom 03.02.2023 mit, dass sie beabsichtigt, den Zuschlag am 31.03.2023 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 14.02.2023 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Vertragsunterzeichnung auf. Der Vertrag wurde im Anschluss von der Antragsgegnerin gegengezeichnet. Die Zuschlagserteilung bzw. der Vertragsschluss folgte somit vor Ablauf der von der Antragsgegnerin festgelegten Stilhaltefrist am 31.03.2023. Die Antragsgegnerin räumte dieses Versäumnis in ihrer Antragserwiderung ein. Der Zuschlag wurde folglich unwirksam erteilt und der Vertrag unwirksam geschlossen.
b) Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, die Wertung der Angebote und die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes verstoße gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern. Die Beigeladene biete unzulässigerweise 12Stunden-Schichten an, obwohl sie nicht tarifgebunden operiere oder kürzere Schichten angeboten habe. Das Angebot der Beigeladenen sei für sie und die von ihr einzusetzenden Mitarbeiter unauskömmlich und könne deshalb nicht den Zuschlag erhalten.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06).
Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag durch die vorgenannten Vorwürfe und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.
Der Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag einen Verstoß gegen § 135 GWB durch die bereits erfolge Zuschlagserteilung nicht geltend gemacht hat. Ein derartiger Verstoß muss nicht vom Bieter selbst vorgetragen werden. Vielmehr kann die Vergabekammer nach § 168 Abs. 1 S. 2 GWB von sich aus die Unwirksamkeit feststellen (vgl. Stumpf in: Willenbruch/ Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 135 GWB, Rn. 14).
Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Mit Informationsschreiben vom 03.02.2023 gemäß § 134 GWB teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen aufgrund des besseren Gesamtwertungsergebnisses zu erteilen. Die Gesamtpunktzahl der Antragstellerin sei mit 17,47 Punkten niedriger als die der Beigeladenen mit 19,00 Punkten. Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2023 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Sie und nicht die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Rüge erfolgte innerhalb der gesetzlichen 10-Tages-Frist und damit rechtzeitig.
Der Nachprüfungsantrag ist somit insoweit zulässig.
c) Soweit die Antragstellerin allerdings darüber hinaus beanstandet, es fehle an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der Angebote nach § 121 GWB, da die Antragsgegnerin Angebote auf Basis sowohl von Tariflöhnen als auch von Mindestlöhnen zugelassen habe und keine weiteren Angaben verlangte, die eine Vergleichbarkeit über die gesamte Laufzeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ermögliche, weshalb das Verfahren zurückversetzt werden müsse, ist sie mit diesem Vorbringen präkludiert.
Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind.
Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Der Prüfungsmaßstab ist enger. Die Rechtsprechung bemüht sich um eine einheitliche Definition der Erkennbarkeit (OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016, 13 Verg 1/16; OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013, 13 Verg 8/13; differenzierend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.02.2014, VgK-51/2013). Das OLG Celle wies in der Entscheidung von 2016 darauf hin, dass in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob der Vergaberechtsverstoß für einen Durchschnittsanbieter (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.11.2000 - Verg 12/00; OLG Stuttgart, NZBau 2001, 462, 463) oder für den konkreten Antragsteller (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 200, 203 f.; VK Bund, Beschluss vom 18.01.2020 VK 2-94/19; KG, BauR 2000, 1620, 1621 f.; OLG Frankfurt, ZfBR 2009, 86, 89; Wiese in: Kulartz/Kus/ Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 168) erkennbar sein müsse. Erkennbar ist nach Auffassung der Vergabekammer, was dem Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss.
Eine Erkennbarkeit war für die Antragstellerin nach Auffassung der Vergabekammer gegeben. Die interessierten Unternehmen konnten alle Vergabeunterlagen nach Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung abrufen. Den Vergabeunterlagen war zu entnehmen, dass sich sowohl Unternehmen bewerben können, die Tariflöhne zahlen als auch solche, die den Mindestlohn zahlen, denn sie enthielten insoweit keinerlei Vorgaben. Die Antragstellerin kennt den Markt und hatte daher bereits bei der Angebotserstellung Kenntnis von der möglichen Beteiligung von Unternehmen, die nicht nach einem Tarifvertrag vergüten und damit auch ihr Angebot nicht unter Beachtung von Tariflöhnen kalkulieren werden. Ihr war es auch ohne Rechtsrat möglich zu erkennen, dass die Vergabeunterlagen keinerlei Angaben bzw. Vorgaben diesbezüglich enthielten. Die Antragstellerin stellte dennoch keine Bieterfrage. Auch ging bis zur Einreichung des Angebots und somit zum Ablauf der Angebotsfrist insoweit keine Rüge der Antragstellerin ein. Sie bemängelte das Vorgehen der Antragsgegnerin erst im Rahmen des Nachprüfungsantrags nach Kenntnisnahme von der Antragserwiderung und des Hinweises der Vergabekammer.
Der Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, für sie sei erst durch die Angaben der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung erkennbar gewesen, dass diese bei der Wertung neue, nicht mit den Vergabeunterlagen geforderte Parameter berücksichtigt habe, überzeugt nicht. Einerseits wird aus der Antragserwiderung deutlich, dass die von der Beigeladenen auf Anforderung der Antragsgegnerin vorgelegte Kostenkalkulation nicht bei der Bewertung der Angebote im Rahmen der Angebotsphase berücksichtigt wurde, sondern anlässlich des Nachprüfungsverfahrens angefordert wurde. Anderseits war ein Mitarbeiter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei in der Lage alle für die Kalkulation relevanten Positionen der Personalkosten aufzuschlüsseln und mögliche Defizite bzw. Schwierigkeiten darzustellen. Dieses Wissen hat der Mitarbeiter bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen und der Kalkulation des Angebots eingebracht und konnte damit erkennen, dass die Antragsgegnerin lediglich Gesamtpreise für die Personalkosten und keine weiteren Anforderungen beispielsweise in Bezug auf die Qualifikation der einzusetzenden Mitarbeiter forderte oder aber Angaben in Bezug auf die Wertung der Angebote im Falle der Kalkulation unter Berücksichtigung des Tarif- oder Mindestlohns machte.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Vortrag daher präkludiert. In Bezug auf den hilfsweisen Antrag der Zurückversetzung des Verfahrens aufgrund nicht hinreichender Vorgaben zur Vergleichbarkeit der Angebote in Hinblick auf Vorgaben zu Tarif- bzw. Mindestlöhnen ist der Nachprüfungsantrag damit unzulässig.
Es ist daher nicht entscheidungserheblich, ob eine Vergleichbarkeit der Angebote durch die Vorgaben in den streitgegenständlichen Vergabeunterlagen oder aber durch ergänzende Vorgaben, wie das Festlegen von Mindestanforderungen an die Qualifikationen des für die Auftragsausführung einzusetzenden Personals oder aber durch die Abfrage detaillierterer Angaben der Kostenkalkulation der Bieter in Form von Stundenverrechnungssätzen besser sichergestellt werden kann.
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er überwiegend unbegründet.
Durch die unwirksame Erteilung des Zuschlags der Antragsgegnerin an die Beigeladene ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt (vgl. 2a). Die Wertung der Angebote selbst, insbesondere auch des Angebots der Beigeladenen, war dagegen nicht zu beanstanden. Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind nicht zu erkennen (vgl. 2b).
a) Die Antragsgegnerin hat unstreitig vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben vom 03.02.2023 festgelegten Stillhaltefrist den Zuschlag an die Beigeladene erteilt und damit gegen § 134 GWB verstoßen. Die Antragsgegnerin räumte in ihrer Antragserwiderung ein, die von ihr selbst bestimmte Wartefrist bei der Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene nicht eingehalten zu haben und dass dieser Umstand die in § 135 GWB bestimmte Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vertragsschlusses mit sich bringt. Eine Zuschlagserteilung war erst nach Ablauf des 31.03.2023 entsprechend des Informationsschreibens möglich.
Der Vertrag wurde im Ergebnis, wie unter 1b) ausgeführt, unwirksam geschlossen. Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
b) Die Antragsgegnerin hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern in den Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung zu Los 3, bekannt gemachten Zuschlagskriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt und weder gegen § 127 GWB noch gegen den Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen.
Die Auftraggeberin verfügt bei der Angebotswertung über einen nur begrenzt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung daher nur auf die Grenzen der Einhaltung des Spielraums, mithin daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten sowie von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind (vgl. Ziekow/Völlink/Ziekow, 4. Aufl. 2020, GWB, § 127, Rn. 48; Beck VergabeR/Opitz, 3. Aufl. 2017, GWB, § 127, Rn. 88).
Gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde das wirtschaftlichste Angebot für Los 3 wie folgt ermittelt:
? Preis mit einer Gewichtung von 35 %
? Konzept mit einer Gewichtung von 65 %
Die Leistungsbeschreibung zu Los 3 erläutert die Bewertung weiter wie folgt:
"Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 20 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 20 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 18 Punkten (= 20 Punkte - 20 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein.
Das Sicherheitskonzept wird ebenfalls mit (maximal) 20 Punkten, aufgeteilt auf vier Bereiche mit unterschiedlicher Punktzahl, bewertet. Zwischenpunkte sind hierbei nicht möglich. Eine detaillierte Bewertungsmatrix ist unter Nr. 3) 1 beigefügt. Die Punkte für das Sicherheitskonzept gehen zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 3 ein.
Den Zuschlag von Los 3 erhält der/die Bieter/-in mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und Konzept."
Die Antragsgegnerin hat die Bewertung der jeweiligen Bieter insgesamt ausführlich und in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.
Im Rahmen der Bewertung der Sicherheitskonzepte hat die Antragsgegnerin die Unterschiede der Angebote zu den einzelnen Unterkriterien hervorgehoben und dargelegt, in welchem Maße ("Teilbereich nicht behandelt/Anforderungen nicht erfüllt - 0 Punkte" bis hin zu "Anforderungen überschritten - 2, 4 oder 12 Punkte") das jeweilige Angebot die jeweiligen Kriterien erfüllt. Die Antragsgegnerin hat eine ausführliche Begründung der Bewertungen vorgenommen. Dabei hat sie auch keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte einfließen lassen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Angeboten gleichmäßig berücksichtigt und in Relation zueinander gesetzt. Es liegen insgesamt keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Beurteilung vor.
Die Angebotspreise wurden entsprechend der oben genannten Erläuterungen in der Leistungsbeschreibung bewertet. Sowohl aus dem Angebot der Beigeladenen sowie ihren Erläuterungen der Kostenkalkulation sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine ordnungsgemäße Kalkulation sprechen.
Die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin enthielten keinerlei Vorgaben, dass für die Kalkulation der Angebote ein festgelegter Stundenlohn eines Tarifvertrages anzusetzen ist. Weder ein Bundes noch das Landesvergabegesetz verpflichten die öffentlichen Auftraggeber in Niedersachsen zur Vorgabe einer solchen Verpflichtung.
§ 4 NTVergG gibt lediglich vor, dass öffentliche Aufträge über Bau- und Dienstleistungen nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die bei Angebotsabgabe erklären, bei der Ausführung des Auftrags im Inland ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des § 22 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), geändert durch Artikel 2 Abs. 10 des Gesetzes vom 17.02.2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes und ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die von Regelungen nach § 1 Abs. 3 MiLoG, insbesondere von Branchentarifverträgen, die nach den Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 799) - AEntG -, zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 17.02. 2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung,
bundesweit zwingend Anwendung finden, erfasst werden, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben dieser Regelungen zu zahlen.
Einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die hier ausgeschriebene Sicherheitsdienstleistung enthält das Verzeichnis der allgemeinverbindlichen Tarifverträge in Niedersachsen (AVE-Verzeichnis), Stand 01.02.2023, nicht (abrufbar unter https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/themen/arbeit/gute_arbeitsbedingungen_in_niedersachsen/service_zu_tarifvertragen_und_fur_betriebsrate/infoservice-zu-tarifvertraegen-sowie-anerkennung-von-bildungsveranstaltungen-fuer-betriebs-raete-15936.html).
Die Bieter waren somit lediglich verpflichtet eine Verpflichtungserklärung nach § 4 NTVergG einzureichen. Dieser Verpflichtung ist die Beigeladene nachgekommen. Aus der Kostenkalkulation der Beigeladenen wird ersichtlich, dass alle von ihr für die Auftragserbringung einzusetzenden Mitarbeiter entsprechend ihrer jeweiligen Klassifizierung als Auszubildender, Sicherheitsmitarbeiter etc. vergütet werden. Die Zahlung eines Mindestlohnes wird berücksichtigt und eingehalten.
Etwaige Verstöße der Beigeladenen gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind nicht ersichtlich. Die Annahmen der Antragstellerin hinsichtlich der Anzahl der zur Auftragsausführung von der Beigeladenen eingesetzten Azubis oder aber in Bezug auf das unzulässige Einsetzen von Mitarbeitenden mit 12-Stunden-Schichten durch die Beigeladene treffen nicht zu. Auch die Berechnung der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 20.04.2023 kann nicht überzeugen. Die Antragstellerin hat neben einer nicht korrekten Anzahl von eingesetzten Azubis auch eine angebotene Personalkostensumme von xxxxxx Euro netto zugrunde gelegt, obwohl die Beigeladene ausweislich der Vergabeakte Personalkosten in Höhe von xxxxxx Euro netto angeboten hat. Bei der von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 05.04.2023 ebenfalls mitgeteilten Summe in Höhe von xxxxxx Euro netto handelt es sich um die Mindestpersonalkosten. Folglich verbleibt der Beigeladenen sogar noch ein Spielraum, um auf mögliche Kostensteigerungen zu reagieren.
Die genaue Zusammensetzung der Kalkulation des Angebotes obliegt dem jeweiligen Bieter, solange er dabei alle gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt. Dabei obliegt es auch ihm, ob er sich an einen Tarifvertrag bindet, wie viele Auszubildende, Aushilfen oder aber andere Sicherheitsmitarbeiter er zur Erbringung des Auftrages einsetzt und somit seiner Angebotskalkulation zugrunde legt.
Schließlich liegt auch dadurch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungs oder Diskriminierungsgrundsatz vor, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Möglichkeit der Erläuterung ihrer Lohnkosten einräumte. Es bestanden für die Antragsgegnerin keinerlei Zweifel hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Kalkulation aller Bieter. Die Antragsgegnerin darf allerdings auch noch während eines Nachprüfungsverfahrens weitere Aufklärungen vornehmen, sofern Anlass dazu besteht. Diesen Anlass hat die Antragstellerin hier geboten. Preisverhandlungen wurden nicht vorgenommen. Auch eine Aufklärung gemäß § 60 VgV war nicht erforderlich, zumal die Beigeladene im Preisranking auf Platz 3 lag.
Im Ergebnis hat sich die Antragsgegnerin somit im Rahmen des den öffentlichen Auftraggebern verbleibenden Beurteilungsspielraums gehalten. Sachwidrige Erwägungen sind nicht in die Bewertung eingeflossen. Die Antragsgegnerin hat daher die Angebotswertung in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und dokumentiert.
Folglich war der Nachprüfungsantrag insgesamt überwiegend unbegründet.
Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.
Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet das Vergabeverfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB an sich war nicht fehlerhaft. Lediglich der Zeitpunkt des Zuschlages vor Ablauf der § 134-Stillhaltefrist war vergabewidrig. Die im Informationsschreiben auf den Ablauf des 31.03.2023 festgelegte Stillhaltefrist ist allerdings mittlerweile abgelaufen. Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, das Verfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert. Bei außergewöhnlicher wirtschaftlicher Bedeutung kann die Gebühr auf bis zu 100.000 Euro erhöht werden.
Der zugrunde zu legende Auftragswert berechnet sich aufgrund der Summe der Angebote der Antragstellerin für die Los 3 für drei Jahre. Der Gegenstandswert beträgt somit für die zunächst vorgesehene 3-jährige Laufzeit xxxxxx Euro netto. Es ist jedoch eine Verlängerungsoption um 12 Monate zu berücksichtigen.
Die Verlängerungsoptionen stellen einen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Ausschreibungsgegenstand innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13).
Somit beträgt das Interesse der Antragstellerin am Auftrag dem 3,5-fachen Jahreswert ihres Angebots in Los 3, mithin xxxxxxx Euro netto.
Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx Euro brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag nur teilweise zulässig war und nur insoweit Erfolg hatte, dass die Zuschlagserteilung unwirksam war, im Übrigen hatte er keinen Erfolg. Die Vergabekammer bewertet den Anteil des Obsiegens der Antragstellerin zu 1/3, so dass die Antragstellerin zu 2/3 unterliegt.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der auf sie entfallenden Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Aufwendungen der Antragstellerin:
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu 1/3 zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache zur Wiederholung der Zuschlagserteilung verpflichtet wird und damit teilweise unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen.
Aufwendungen der Antragsgegnerin:
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB teilweise zu erstatten.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache gegenüber der Antragsgegnerin überwiegend unterlegen ist, weil der Nachprüfungsantrag zwar teilweise zulässig, aber überwiegend unbegründet war, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.
Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt und auch nicht schriftsätzlich vorgetragen. Es gibt daher keinen Grund, sie in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bestandskraft dieses Beschlusses die anteilige Gebühr in Höhe von xxxxxx Euro unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
IV. Rechtsbehelf
...
Alle Bieter sind über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu inf...
Alle Bieter sind über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu informieren!
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VK Lüneburg
Beschluss
vom 28.04.2023
VgK-9/2023
1. Der öffentliche Auftraggeber ist dazu verpflichtet, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren.
2. Ein Vertrag darf erst fünfzehn Tage nach Absendung der Informationen geschlossen werden. Die Frist verkürzt sich bei elektronischer Versendung auf zehn Kalendertage und beginnt an dem Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber.
3. Wird die Leistung in Losen ausgeschrieben, hat der Auftraggeber in allen Losen nicht nur eine Bieterinformation an den Zuschlagsprädestinenten, sondern auch alle unterlegenen Bieter zu übersenden.
In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen Vergabeverfahren Reinigung Spielplätze, Grünflächen und Parks im Stadtgebiet xxxxxx 2023 - 2026, Vergabenummer xxxxxx, Lose 1 - 6,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. Roeder im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage
beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die von der Antragsgegnerin mit der Beigeladenen zu 1 über das Los 1 und der Beigeladenen zu 2 über die Lose 2 - 6 am 01.03.2023 durch Zuschlags-E-Mail geschlossenen Verträge über Reinigungsleistungen von Spielplätzen, Grünflächen und Parks sind von Anfang an unwirksam.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein Vergabeverfahren gemäß dem 4. Teil des GWB unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.
3. Die Kosten werden auf xxxxxx Euro festgesetzt.
4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Sie ist jedoch von der Entrichtung der Gebühren persönlich befreit.
5. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin erforderlich.
Begründung:
I.
Die Antragsgegnerin hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2022 die Reinigung der Spielplätze, Grünflächen und Parkanlagen im Stadtgebiet xxxxxx vom 01.04.2023 bis 31.03.2026 in 7 Losen im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Streitbefangen sind die Lose 1 - 6.
Die Antragstellerin hat am 15.12.2022 zu allen Losen jeweils ein Angebot elektronisch abgegeben.
Nach Ziffer II.2.5) der Bekanntmachung ist einziges Zuschlagskriterium der Preis. Nach Ziffer II.2.11) sind Optionen nicht vorgesehen.
Die Bindefrist für die Angebote endet gemäß Ziffer IV.2.6) am 31.03.2023.
Per Schreiben/E-Mail vom 01.03.2023 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie den Zuschlag für das Los 7 erhält.
Mit Schreiben vom 21.03.2023 rügte die Antragstellerin über das Vergabeportal für die Lose 1 - 7 die fehlende Vorinformation gemäß § 134 GWB. Es sei eine schwebende Unwirksamkeit für alle Lose zu befürchten. Mit Schreiben vom 24.03.2023 wird die Rüge erneut vorgetragen.
Daraufhin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.03.2023 mit, dass sie der Rüge nicht abhelfen könne. Informationsberechtigt nach § 134 GWB seien Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen. Das Angebot der Antragstellerin sei in vollem Umfang bei der Auswertung aller zu berücksichtigenden Angebote berücksichtigt worden. Für das Los 7 sei ihr der Zuschlag erteilt worden. Der Zuschlag für die übrigen Lose sei auf das jeweils wirtschaftlichste Angebot erteilt worden. Eine Überprüfung der Entscheidung könne zu keinem anderen Ergebnis führen.
Daraufhin reichte die Antragstellerin am 30.03.2023, vor Ablauf der Bindefrist am 31.03.2023, einen Nachprüfungsantrag ein. Eine Vorabinformation gemäß § 134 Abs. 1 GWB habe sie für keines der angebotenen Lose erhalten. Ein Fall des zulässigen Verzichts auf eine Vorabinformation gemäß § 134 Abs. 3 GWB läge nicht vor, somit sei dieser Verzicht rechtswidrig. Dies führe zur Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge in den Losen 1 - 6 von Anfang an.
Die Verletzung der Antragstellerin in ihren subjektiven Bieterrechten ergebe sich hier aus dem faktischen Entfall der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hätte keine Möglichkeit, die Entscheidung zu überprüfen und die Zuschläge in den Losen 1 - 6 an Wettbewerber ggf. zu verhindern.
Zudem müsse die Antragstellerin davon ausgehen, dass auch in dem ihr zugeschlagenen Los 7 keine Vorabinformationen versendet worden sei. Daher könne auch ihr Vertrag mit der Antragsgegnerin letztlich nur schwebend wirksam sein.
Die Antragsgegnerin sei in der Folge der Feststellung der Unwirksamkeit der erteilten Zuschläge zu verpflichten, bei fortbestehender Vergabeabsicht ordnungsgemäße Vorabinformationen für die Lose 1 - 6 zu erteilen und erst nach Einhaltung der gesetzlichen Wartefrist die Zuschläge zu erteilen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass die in den Losen 1 - 6 des Vergabeverfahrens von der Antragsgegnerin mit den jeweiligen Zuschlagsempfängern geschlossenen Verträge gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam sind;
2. der Antragsgegnerin im Falle fortbestehender Vergabeabsicht aufzugeben, das Verfahren in den Losen 1 - 6 zurückzuversetzen und Zuschläge erst nach ordnungsgemäßer Vorabinformation gemäß § 134 Abs. 1 GWB und Ablauf einer Wartefrist nach Maßgabe von § 134 Abs. 2 GWB zu erteilen,
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen und festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung der Bevollmächtigten notwendig war.
Mit E-Mail vom 12.04.2023 erwidert die Antragsgegnerin, dass das Angebot der Antragstellerin in vollem Umfang berücksichtigt und bewertet worden sei. Dies sei auch dadurch erkennbar, dass die Antragstellerin für das Los 7 den Zuschlag erhalten habe.
Der Zuschlag für die Lose 1 - 6 sei, auch unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin, den Bietern erteilt worden, die für diese Lose das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätten.
Dass die Antragstellerin nur für ein Los den Zuschlag erhalten habe, bedeute nicht, dass deren Angebot nicht berücksichtigt worden sei. Die Antragstellerin habe daher keinen Anspruch auf Vorabinformation gemäß § 134 Absatz 1 GWB.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2023 trägt die Antragsgegnerin durch den Fachbereich Recht ergänzend vor, dass die Antragsgegnerin es versäumt habe, die unterlegenen Bieter entsprechend § 134 Abs. 1 GWB vor Zuschlagerteilung zu informieren sowie die Wartefrist nach § 134 Abs. 2 GWB einzuhalten. Die vorgenommene Wertung der Angebote sei jedoch einwandfrei gewesen und daher würde sich am Ergebnis der Ausschreibung nichts ändern. Daher werde angeregt, das Verfahren für erledigt zu erklären. Die Antragsgegnerin werde die Kosten übernehmen.
Ferner teilt die Antragsgegnerin durch den Fachbereich Recht mit Schreiben vom 19.04.2023 mit, dass sie die Vorabinformationen nach § 134 Abs. 1 GWB am 18.04.2023 an die nicht berücksichtigten Bieter per E-Mail versandt habe. Mit gleichem Schreiben seien die für den Zuschlag vorgesehenen Bieter um Bindefristverlängerung bis zum 31.05.2023 gebeten worden.
Daraufhin trägt die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.04.2023 vor, dass die Rechtmäßigkeit der Information zum aktuellen Zeitpunkt in Frage stehe. Das Vergabeverfahren sei durch Erteilung der Zuschläge bereits abgeschlossen. Die mit Zuschlag geschlossenen Verträge seien bis zur Feststellung der Unwirksamkeit durch die Vergabekammer grundsätzlich wirksam. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin jetzt wirksame Vorabinformationen erteilen und eine erneute Zuschlagserteilung für den 02.05.2023 ankündigen könne. Über eine eventuelle Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Status vor Zuschlagserteilung habe die Antragstellerin keine Information erhalten.
Die Verfahrensbeteiligten haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB zugestimmt.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin, der xxxxxx, handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Reinigung der Spielplätze, Grünflächen und Parkanlagen im Stadtgebiet xxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung am xxxxxx.2022 ein Schwellenwert von 215.000 Euro gilt. Dieser Schwellenwert wird ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte überschritten. Im Vergabevermerk ist festgehalten, dass die Antragsgegnerin den Gesamtwert des Auftrages für alle Lose für den Vertragszeitraum von drei Jahren auf xxxxxx Euro netto geschätzt hat. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie stellt dar, die Antragsgegnerin habe nicht die für alle Lose erforderlichen Vorabinformationen an die unterlegenen Bieter versandt. Die Antragstellerin habe sich mit Angeboten für die Lose 1 - 6 am Vergabeverfahren beteiligt, aber für keines der angebotenen Lose eine Vorabinformation erhalten. Daher habe sie keine Möglichkeit gehabt, die Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin zu überprüfen und den Zuschlag zu verhindern.
Das antragstellende Unternehmen muss für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegen, also diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06).
Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag durch die vorgenannten Vorwürfe und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt. Das Vorbringen der Antragstellerin ist nicht nach § 135 Abs. 2 GWB präkludiert. Hiernach hat die Antragstellung auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information des betroffenen Bieters durch den Auftraggeber über den Abschluss des Vertrages, spätestens jedoch sechs Monate nach Vertragsschluss zu erfolgen. Es genügt, wenn eine der Alternativen gegeben ist (vgl. Braun in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 135 GWB, Rn. 70). Die Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht zur vorherigen Rüge verpflichtet. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 01.03.2023 der Antragstellerin mitgeteilt, dass diese den Zuschlag für das Los 7 erhalten habe und der bezuschlagte Auftrag am 01.04.2023 beginne. Damit die Wartefrist des § 134 Abs. 2 Satz 1 GWB zum 31.03.2023 gewahrt werden kann, hätten die Vorabinformationen zu den Losen 1 - 6 spätestens am 20.03.2023 an die nicht berücksichtigten Bieter versandt werden müssen.
Bei der Antragstellerin gingen an diesem Tag keine entsprechenden Schreiben ein. Anschließend teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.03.2023 mit, dass informationsberechtigt nur Bieter seien, deren Angebote im Verfahren nicht berücksichtigt worden sind. Die Angebote der Antragstellerin seien jedoch im vollen Umfang berücksichtigt worden. Ob sich hieraus tatsächlich ein Verstoß gegen § 134 Abs. 2 Satz 1 GWB ergibt, ist Teil der Begründetheit. Eine Information der Antragstellerin zu den hier streitgegenständlichen Losen war jedenfalls unterblieben. Die Antragstellerin reichte ihren Nachprüfungsantrag am 30.03.2023 ein. Die bezüglich der Lose 1 - 6 geschlossenen Verträge liegen der Vergabekammer trotz § 163 Abs. 2 Satz 4 GWB nicht vor. Laut Bekanntmachung vom xxxxxx.2022 endet die Angebotsabgabefrist am xxxxxx.2022, so dass rechnerisch die Sechs-Monats-Frist nicht verstrichen sein kann. Diese Annahme wird auch durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 01.03.2023 gestützt, wonach der bezuschlagte Auftrag am 01.04.2023 beginnen soll. Der Nachprüfungsantrag wurde mithin innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist des § 135 Abs. 2 GWB von sechs Monaten nach Vertragsschluss eingereicht. Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.
2. Die Vergabekammer hat gemäß § 135 GWB festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin mit den Beigeladenen zu 1 und zu 2 geschlossenen Verträge in den Losen 1 - 6 von Anfang an unwirksam sind. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat. § 134 Abs. 1 GWB verpflichtet öffentliche Auftraggeber dazu, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Nach § 134 Abs. 2 GWB darf ein Vertrag erst fünfzehn Tage nach Absendung der Informationen nach Abs. 1 geschlossen werden. Die Frist verkürzt sich bei elektronischer Versendung auf zehn Kalendertage und beginnt an dem Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Hier hat die Antragsgegnerin in allen sieben Losen am 01.03.2023 nur eine Bieterinformation an die Zuschlagsprädestinenten der jeweiligen Lose versandt, nicht an die Unterlegenen. Das genügt formal nicht, weil bei der Vergabe von sieben Losen sieben Zuschlagsentscheidungen getroffen werden, also die Unterlegenen über bis zu sieben Entscheidungen zu informieren sind, ggf. zusammengefasst in einem Schreiben. Die Information vom 01.03.2023 genügt auch nicht inhaltlich, weil die notwendige Information fehlen, wer in dem jeweiligen Los, auf das der Empfänger der Information geboten hat, den Zuschlag erhalten soll und warum das geschieht. Der Vertrag wurde bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren vollzogen, weil nach dem Inhalt der Vorinformationen Vertragsbeginn am 01.04.2023 war. Gegenteiliges wie etwa eine Kündigung der Verträge im gegenseitigen Einvernehmen über die weiteren sechs Lose wurde nicht vorgetragen, auch nicht als die Antragsgegnerin nach Weiterleitung des Sachverhaltes an das Justiziariat die nicht erfolgte Vorabinformation nachholte. Die nachgeholte Vorabinformation in einem bereits geschlossenen und laufenden Vertrag ist daher nicht geeignet, das Nachprüfungsverfahren zu erledigen. Einen Zuschlag darf die Vergabekammer nicht aufheben (vgl. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB) und nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 135 GWB für unwirksam erklären.
3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei nicht an die Anträge gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Hier liegt ein Grund vor, mit der Feststellung der Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Ein Entscheidungsermessen steht der Vergabekammer nicht zu, weil der Gesetzgeber an den Verstoß gegen § 134 GWB nur eine mögliche Rechtsfolge geknüpft hat (vgl. Gnittke/Hattig in: MüllerWrede, GWB Vergaberecht, 2. Auflage 2022, § 135 Rn. 24) Die unvollständige Bieterinformation vereitelt den wirksamen Rechtsschutz vor Zuschlag. Nach Abschluss des Vergabeverfahrens ist eine Zurückversetzung in ein bestimmtes Stadium des Vergabeverfahrens nicht mehr möglich. Der Sachverhalt gibt Anlass zu einer Anmerkung hinsichtlich des bisherigen Vergabeverfahrens. Die Vergabekammer hat die Vergabeakte wegen des beschränkten Inhaltes des Nachprüfungsantrages nicht vollständig geprüft. Sie sieht sich dazu trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 163 Abs. 1 GWB nicht verpflichtet, weil sich die Vergabekammer auf den Vortrag der Verfahrensbeteiligten beschränken kann. Allerdings lässt die Zusammenstellung der Angebotspreise erkennen, dass die preislichen Abweichungen u.a. in den streitgegenständlichen Losen 1, 3, 4, 5 zwischen dem niedrigsten Bieter und den zweitniedrigsten Angebot jeweils deutlich über einer durch die Rechtsprechung angenommenen Aufgreif- und Prüfschwelle von 20 % liegen, dass die konkrete Gefahr besteht, ein Preis könne gemäß § 60 VgV unangemessen niedrig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/1, Rn. 15). Eine Dokumentation dieser Prüfung findet sich nicht in den übersandten Vergabeunterlagen, auch nicht in der vereinfachten Form eines vergleichenden Preisspiegels mit allen abgefragten Preisen nebst Erläuterung, warum ggf. bestimmte Preise die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen würden. Dies muss die Antragsgegnerin bei einer Neuvergabe berücksichtigen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
In Ziffer 3 erfolgt die Gebührenermittlung anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Auftragswert berechnet sich aufgrund der Summe der Angebote der Antragstellerin für die Lose 1 - 6 für drei Jahre. Hinzu kommt die Verlängerungsoption nach Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung bzw. Ziffer 2 des Vertrags über ein Jahr. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber die Verlängerungsoption ausübt, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13). Somit beträgt das Interesse der Antragstellerin am Auftrag dem 3,5-fachen Jahreswert ihrer Angebote in den Losen 1 - 6, mithin xxxxxx Euro brutto.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx Euro brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten sind nicht angefallen. Allerdings konnte die Vergabekammer im schriftlichen Verfahren entscheiden, sparte also den Aufwand der mündlichen Verhandlung. Die Gebühr ist daher auf ¾ zu ermäßigen, mithin auf xxxxxx Euro
Die in Ziffer 4 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Gemäß Ziffer 5 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 4. Ausgeführte.
Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.
Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 und 2 sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09; OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibr-online). Hier haben weder die Beigeladene zu 1, noch die Beigeladene zu 2 Sachanträge gestellt oder schriftsätzlich vorgetragen. Es gibt daher keinen Grund, die Beigeladenen zu 1 und 2 in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.
IV. Rechtsbehelf
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