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OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 21.08.2024
Verg 6/24
1. Ist eine Fachlosbildung (hier: Fahrbahnrückhaltesystem, Verkehrssicherung und Weißmarkierung) möglich, weil für diese Leistungen ein eigener Markt besteht, kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.
3. Technische Gründe sind solche, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (hier verneint).
4. Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen (hier verneint).
5. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum. Der Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein.
6. Eine nachträgliche Heilung von Dokumentationsmängeln ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert.
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 26.02.2024 - VK 2-11/24
Beschluss:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Bundes vom 26. Februar 2024, VK 2-11/24, aufgehoben und der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung auf die Generalunternehmerausschreibung der Maßnahme "..." untersagt. Ihr wird aufgegeben, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der der Antragstellerin dort entstandenen notwendigen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zu tragen.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vor der Vergabekammer notwendig war. 4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 110.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 19. Dezember 2023 im offenen Verfahren die Fahrbahnerneuerung der Bundesautobahn ... EU-weit aus (Bekanntmachungsnummer: ... ). Die ausgeschriebenen Arbeiten umfassen neben der grundhaften Erneuerung von circa 90.000 Quadratmetern Asphaltfahrbahn auch die Erneuerung von 14.000 Metern Fahrbahnrückhaltesystem, eine auf-, um- und abzubauende 3+1- Verkehrsführung über eine Baustellenlänge von 7,8 Kilometern sowie die Herstellung von circa 21.000 Metern Weißmarkierung.
Eine Fachlosaufteilung ist nicht vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium ist ein fiktiver Wertungspreis, der sich aus dem Angebotspreis und den Verfügbarkeitskosten zusammensetzt (Ziffer 5.1.10 der Bekanntmachung). Der Bieter hat innerhalb des vorgegebenen Bauzeitfensters vom 22. April bis zum 24. August 2024 eine konkrete Bauzeit anzubieten. Für jeden angebotenen Werktag (Montag bis Samstag) werden Verfügbarkeitskosten von 100.000,00 Euro brutto in Ansatz gebracht und zum Angebotspreis hinzuaddiert.
Eine kürzere Bauzeit kann folglich einen höheren Preis ausgleichen oder gar überkompensieren. Bei Überschreitung der angebotenen Bauzeit werden die in diesem Zeitraum anfallenden Verfügbarkeitskosten vom Werklohn abgezogen, bei Unterschreitung der angebotenen Bauzeit erhält der Auftragnehmer einen zusätzlichen, zeitabhängigen Bonus (sog. Verfügbarkeitsmodell).
Den Verzicht auf eine Fachlosbildung hat die Antragsgegnerin im "Vermerk zur Gesamtvergabe" mit der Verkürzung der Bauzeit auf dem stark frequentierten Autobahnabschnitt bei Anwendung des Verfügbarkeitsmodells begründet. An der Beschleunigungsvergütung des Generalunternehmers könnten wiederrum die von ihm beauftragten Fachlos-Auftragnehmer partizipieren.
Angestrebt werde eine höhere Wirtschaftlichkeit der Beschaffung, eine deutliche Verringerung von Sicherheitsrisiken, eine Verringerung der verkehrlichen Auswirkungen und des CO2-Ausstoßes durch weniger Stau und eine Vermeidung von Kompatibilitätsproblemen. Eine Bauzeitverkürzung lasse zudem einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen erwarten. Dabei hat die Antragsgegnerin die Bauzeitenverkürzung bei einer Gesamtvergabe gegenüber einer Fachlosvergabe - abhängig von deren konkreter Ausgestaltung - auf 21 beziehungsweise 38 Tage geschätzt.
Neben einer Variante Fachlosvergabe ohne Beschleunigungsanreiz (Variante 1) hat sie eine Variante mit Fachlosvergabe und Beschleunigungsanreiz (Variante 2) mit einer Gesamtvergabe und Beschleunigungsanreiz (Variante 3) verglichen. Den von ihr angenommenen Zeitvorteil der Variante 3 gegenüber der Variante 2 von 21 Tagen hat sie mit der bei einer Gesamtvergabe möglichen überscheidenden und teilweise parallelen Nutzung des Baufelds durch die Fachgewerke begründet, die bei einer Fachlosvergabe nicht in Betracht komme.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2024 rügte die Antragstellerin die unterbliebene Fachlosbildung für passive Schutzeinrichtungen. Es bestehe seit vielen Jahren ein Markt für passive Schutzeinrichtungen. Gründe für ein Absehen vom Regelfall der Fachlosbildung eines entsprechenden Fachloses seien nicht ersichtlich. Sie sei ein auf die Errichtung von Fahrzeugrückhaltesystemen an Straßen, insbesondere an Bundesfernstraßen ausgerichtetes Unternehmen. Erd- und Deckenbauarbeiten erbringe sie hingegen nicht, weshalb sie durch die unterbliebene Fachlosbildung an einer Angebotsabgabe gehindert werde.
Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 9. Januar 2024 zurück. Es sprächen sowohl wirtschaftliche als auch technische Gründe für das Absehen von einer Losvergabe.
Das gewählte Verfügbarkeitsmodell solle einen Beschleunigungsimpuls setzen und lasse eine Bauzeitverkürzung von 21 Tagen erwarten. Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Januar 2024 hat die Antragstellerin Nachprüfung beantrag und zur Begründung ausgeführt, der Verzicht auf eine Losbildung sei vergaberechtswidrig. Bauleistungen für passive Schutzeinrichtungen seien ein seit Jahrzehnten anerkanntes, eigenständiges Fachlos im Bereich des Bundesfernstraßenbaus.
Der Gesetzgeber habe in § 97 Abs. 4 GWB bewusst ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen, bei dem ein Abweichen vom Gebot der Losbildung nur bei Vorliegen wirtschaftlicher oder technischer Gründe gestattet sei. Eine abstrakte Darstellung möglicher Vorteile genüge nicht.
Warum die als Vorteil dargestellte zeitliche Überlappung von auszuführenden Arbeiten bei einer Fachlosvergabe nicht im selben Maße möglich sei, erschließe sich nicht. Vielmehr könne gerade bei einer Vergabe von Fachlosen ein wirtschaftliches Interesse an einer frühzeitigen Fertigstellung bei allen beteiligten Unternehmen begründet werden.
Bei der Gesamtvergabe profitiere nur der Generalunternehmer, der Boni regelmäßig nicht an Nachunternehmer auskehre. Mit der Losbildung typischerweise verbundene zeitliche Verzögerungen seien hinzunehmen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung auf die derzeitige Generalunternehmerausschreibung zu untersagen und ihr aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Teilleistungen "Passive Schutzeinrichtungen" nach Titel 06. des Langtextleistungsverzeichnisses aus der bestehenden Generalunternehmerausschreibung herauszulösen und gesondert als Fachlos auszuschreiben und zu vergeben;
2. hilfsweise, sonstige Maßnahmen anzuordnen, um eine Rechtsverletzung auf Seiten der Antragstellerin zu verhindern;
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufzuerlegen und auszusprechen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren erforderlich ist.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Sie hat vorgetragen, der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Bei der Frage, ob eine Gesamtvergabe aufgrund überwiegender wirtschaftlicher oder technischer Gründe ausnahmsweise zulässig sei, stehe ihr ein Beurteilungsspielraum zu. Die von ihr im "Vermerk zur Gesamtvergabe" umfassend dargelegten Erwägungen rechtfertigten die Gesamtvergabe.
Maßgeblich sei das Bestreben gewesen, die mit den Bauarbeiten an dem stark verkehrsbelasteten Streckenabschnitt verbundenen negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Das von ihr deswegen gewählte Verfügbarkeitsmodell sei auf Fachlose nicht anwendbar, weil den Fachlosanbietern die konkreten Bauzeiten des Hauptlosanbieters vor dessen Bezuschlagung nicht bekannt seien.
Auch stünden dem Generalunternehmer weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten auf die Nachunternehmer zu, als ihr als öffentlicher Auftraggeberin bei einer Fachlosvergabe. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 26. Februar 2024 zurückgewiesen. Das Absehen von der Fachlosbildung sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Das von der Antragsgegnerin als Sachwalterin der Interessen der Allgemeinheit verfolgte Ziel der Beschleunigung der Arbeiten stelle einen wirtschaftlichen und technischen Grund für das Absehen dar.
Mit Bauarbeiten auf Autobahnen gingen nicht nur Staus, sondern auch eine erhöhte Unfallgefahr und Belästigungen der durch Ausweichverkehr betroffenen Bevölkerung einher. Dies zumal der entsprechende Autobahnabschnitt deutlich überlastet sei; ein sechsspuriger Ausbau werde als dringlich angesehen. Der Verzicht auf die Fachlosvergabe sei geeignet, eine schnellere Abwicklung des Bauvorhabens zu gewährleisten. Dass von der Antragsgegnerin gewählte Verfügbarkeitsmodell lasse sich auf eine Fachlosvergabe schon deshalb nicht übertragen, weil dann nur eine zeitlich gestaffelte Vergabe in Betracht käme.
Zunächst müssten die Bauleistungen vergeben werden, weil diese die Bauzeit vorgäben. Schon dies verzögere die Baumaßnahme. Hinzukomme, dass bei einer Gesamtvergabe die Möglichkeit zur flexiblen Absprache mit den anderen Gewerken bestehe, damit diese auf der Baustelle zeitsparend ineinandergriffen. Dies zumal der Bauunternehmer als Vertragspartner der Fachgewerke deren Bereitschaft zu flexiblem Handeln durch eine Beteiligung am Zusatzbonus für schnelleres Arbeiten erhöhen könne.
Der Verzicht auf die Fachlosvergabe sei auch im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB erforderlich und verhältnismäßig. Zwar wiege der Verzicht auf die Fachlosvergabe schwer. Es handele sich jedoch um einen durch die starke Belastung des Autobahnabschnitts bedingten Ausnahmefall. 90 Prozent der Bauprojekte würden losweise ausgeschrieben.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, der Verzicht auf eine Fachlosbildung sei nicht gerechtfertigt. Dieser müsse nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung in § 97 Abs. 4 GWB mit Rücksicht auf die mittelständischen Interessen die Ausnahme sein, was weder die Antragsgegnerin noch die Vergabekammer beachtet habe.
Der Bau von Autobahnen und Bundesfernstraßen sei für die ausschließlich mittelständischen Fachlosanbieter die alleinige ernstzunehmende Umsatzquelle. Nur dort würden hochwertige und leistungsstarke Rückhaltesysteme in größerem Umfang benötigt und ausgeschrieben. So entspreche der Anteil der Erstellung der passiven Schutzvorrichtungen des vorliegenden Auftrags etwa ... Prozent ihres Jahresumsatzes. Dies könne im Rahmen der Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben.
Es bedürfe einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine Gesamtvergabe sprechenden Gründe überwiegen müssten. Insoweit sei der Vermerk über die Gesamtvergabe unzureichend. Auch differenziere der Vermerk zur Gesamtvergabe nicht zwischen den einzelnen Fachgewerken.
Eine losweise Vergabe passe sich auch problemlos in das Verfügbarkeitsmodell der Antragsgegnerin ein, wenn mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf zunächst das Hauptlos (Bauleistungen) ausgeschrieben und die konkret angebotene Bauzeit bei der folgenden Ausschreibung der Fachlose vorgegeben werde.
Eine rechtzeitige Ausschreibung und Vergabe des Hauptloses sei der Antragsgegnerin auch zumuten. So sei etwa eine andere Niederlassung der Antragsgegnerin bei der Ausschreibung "..." vorgegangen, was allgemein als mustergültig gelobt worden sei.
Eine auch nur teilweise Weitergabe eines möglicherweise erlangten Bonus durch den Generalunternehmer sei hingegen nicht realistisch; eine entsprechende Verpflichtung sei nicht vorgesehen. Zudem bleibe der angebliche Zeitvorteil bei einer Gesamtvorgabe unplausibel. Weshalb nur bei einer Gesamtvergabe sich der Aufbau der Verkehrssicherung zeitlich mit den Arbeiten an den Mittelstreifenüberfahrten und den Nothaltebuchten überlappen könne, nicht aber bei losweiser Vergabe, erschließe sich nicht.
Die Annahme, die einzelnen Auftragnehmer würden ein Tätigwerden anderer in ihrem Baufeld nicht dulden, sei praxisfern. Auch bei losweiser Vergabe arbeiteten die beteiligten Firmen parallel. Vertraglich festgeschriebene Koordinierungspflichten seien üblich.
Schon hierdurch verringere sich der angebliche Zeitvorteil von 21 Tagen um fünf Tage. Gleiches gelte für die gesonderte Vergabe der im Bauzeitenplan mit zweimal jeweils 18 Tagen veranschlagten Arbeiten an den passiven Schutzvorrichtungen, die auch im Falle der losweisen Vergabe zeitlich überlappend mit den Bauarbeiten ausgeführt werden könnten.
Ebenso sei nicht ersichtlich, weshalb einzelne Baumaßnahmen wie der Rückbau der Betonfahrbahn, das Profilieren der Unterlage, das Herstellen der Straßenabläufe und der Abbau der Verkehrssicherung bei losweiser Vergabe mehr Zeit in Anspruch nehmen sollen, wodurch sich der angebliche Zeitvorteil um weitere neun Tage verringere.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den angefochtenen Beschluss abzuändern und - entsprechend den erstinstanzlich gestellten Sachanträgen - der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung auf die Generalunternehmerausschreibung der Maßnahme "... ; EU-Bekanntmachungsnummer ..." zu untersagen und ihr aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Teilleistungen "Passive Schutzvorrichtungen" nach Titel 06. des Langtextleistungsverzeichnisses aus der bestehenden Generalunternehmerausschreibung herauszulösen und gesondert als Fachlos auszuschreiben;
2. hilfsweise, sonstige Maßnahmen anzuordnen, um eine Rechtsverletzung auf Seiten der Antragstellerin zu verhindern;
3. der Antragsgegnerin die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der der Antragstellerin dort entstandenen notwendigen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufzuerlegen und auszusprechen, dass für diese die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren erforderlich ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. die Beschwerde zurückzuweisen;
2. die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Bei der Erneuerung des Straßenbelags der handele es sich um einen Ausnahmefall. Die ohnehin schon starken Belastungen mit 75.000 Kraftfahrzeugen pro Tag verschärften sich durch die Baumaßnahme nochmals, zumal auch Abfahrten ganz oder teilweise gesperrt werden müssten. Vor diesem Hintergrund sei eine möglichst kurze Bauzeit unabdingbar, weshalb sie sich im Interesse eines optimalen Bauablaufs für das Verfügbarkeitsmodell entschieden habe.
Bei diesem führe aber nur eine Gesamtvergabe zu der angestrebten Beschleunigung. Nur bei einer Gesamtvergabe könne überlappend gearbeitet werden. Bei einer losweisen Vergabe werde der Verkehrssicherungsunternehmer keinem anderen Unternehmen den zeitgleichen Aufenthalt im Baufeld gestatten, weil er daran kein wirtschaftliches Interesse habe. Sei er hingegen Nachunternehmer des Generalunternehmers profitiere er von dessen Beschleunigungsvergütung.
Auch könne der Generalunternehmer durch das parallele Zurverfügungstellen von Baufeldern leichter Kapazitäten erhöhen und aufgrund ständiger Geschäftsbeziehung wirkungsvoller auf seine Nachunternehmer einwirken. Zudem hafte er für die Beschädigung seiner und anderer Gewerke durch seine Nachunternehmer, während die Haftungsfrage bei Einzelvergaben unklar sei.
Die jeweiligen Zeiten habe sie in drei verschiedenen Varianten betrachtet und eine Bauzeitverkürzung von 21 Werk- beziehungsweise 25 Kalendertagen ermittelt. Bei einer losweisen Vergabe beschränke sich der Vorteil des Verfügbarkeitsmodells auf das Hauptlos Bauleistungen, weil Verzögerungen der Fachlosauftragnehmer ihm mangels Steuerbarkeit nicht zuzurechnen wären.
Die Fachlosauftragnehmer ihrerseits hätten keine konkreten Bauzeiten, sondern hingen vom Hauptlosauftragnehmer ab. Dies bedinge auch eine Ausschreibung erst der Hauptleistung, was zu einer Verzögerung um mehrere Monate führe. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23. Juli 2024 hat die Antragsgegnerin einen im Nachgang zur mündlichen Verhandlung überarbeiteten und um Ziffer 4., Gesamtabwägung der Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen und den Interessen des Auftraggebers, ergänzten "Vermerk zur Gesamtvergabe" vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hat.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die unterbliebene Fachlosbildung verstößt gegen § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB und verletzt die Antragsgegnerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt und mit ihrer Rüge nicht präkludiert.
aa) Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, sofern ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Vorliegend steht einem Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag nicht entgegen, dass sich die Antragstellerin nicht durch die Einreichung eines Angebots am Vergabeverfahren beteiligt hat. Denn der Antragsteller muss sein Interesse am Auftrag nicht durch die Abgabe eines Angebotes dokumentieren, wenn er einen gewichtigen Vergabeverstoß rügt, der bereits - wie hier - die grundlegenden Rahmenbedingungen der Ausschreibung betrifft (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, BeckRS 2016, 13046 Rn. 15).
Ein Unternehmen, das deshalb kein Angebot gelegt hat, weil es sich durch angeblich diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen gerade daran gehindert gesehen hat, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, ist es berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren für den betreffenden öffentlichen Auftrag abgeschlossen ist (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2004, C-230/02).
Es genügt dann eine Interessenbekundung und die substanziierte Darlegung, an der Angebotseinreichung gerade durch ein vergaberechtswidriges Verhalten des Antragsgegners gehindert worden zu sein (Senatsbeschlüsse vom 14. Januar 2009, VII-Verg 59/08, VII-Verg 40/21; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Februar 2022, 367 Rn. 34; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 160 Rn. 12).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerin hat mit Rügeschreiben vom 5. Januar 2024 ihr Interesse an der Errichtung der in Titel 06. der im Langtextleistungsverzeichnis beschriebenen Teilleistung "Passive Schutzvorrichtungen" bekundet. Sie sei ein auf die Errichtung von Fahrzeugrückhaltesystemen an Straßen, insbesondere an Bundesfernstraßen ausgerichtetes Unternehmen. Erd- und Deckenbauarbeiten erbringe sie hingegen nicht, weshalb sie durch die unterbliebene Fachlosbildung an einer Angebotsabgabe gehindert werde.
bb) Die Antragstellerin ist mit ihrer Rüge der unterbliebenen Fachlosaufteilung nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin hat die unterbliebene Aufteilung schon mit Schreiben vom 5. Januar 2024 und damit vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt. Dass die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als zehn Tagen Kenntnis von diesem Verstoß gegen Vergabevorschriften hatte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Antragsgegnerin nicht behauptet.
b) Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die ohne Losaufteilung erfolgte Ausschreibung der Fahrbahnerneuerung der Bundesautobahn zischen dem bestehend aus der Erneuerung der Asphaltfahrbahn, des Fahrbahnrückhaltesystems, der Herstellung der Weißmarkierung sowie der Verkehrssicherung während der Baumaßnahme verstößt gegen § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Die Gesamtvergabe ist nicht gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB gerechtfertigt.
aa) Ist eine Fachlosbildung - so wie vorliegend für die Leistungen Fahrbahnrückhaltesystem, Verkehrssicherung und Weißmarkierung - möglich, weil für diese Leistungen ein eigener Markt besteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, Verg 6/16 Rn. 44), kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.).
Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 72).
Der Maßstab der rechtlichen Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen ist allerdings beschränkt. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18 Rn. 60).
Der Kontrolle unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 60; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 7). Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein.
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, von einer Fachlosvergabe Abstand zu nehmen, vergaberechtsfehlerhaft. Die im "Vermerk zur Gesamtvergabe" angeführten Gründe sind keine technischen oder wirtschaftlichen Gründe im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB, die eine Gesamtvergabe erfordern. Darüber hinaus hat sich die Antragsgegnerin mit den für eine Fachlosbildung sprechenden Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt und in eine Abwägung der widerstreitenden Interessen einbezogen.
(1) Technische Gründe
Zwar beruft sich die Antragsgegnerin in ihrem 12-seitigen "Vermerk zur Gesamtvergabe" (dort Seite 1, Absatz 1) auf das Vorliegen technischer Gründe, die einer Aufteilung des Auftrags in Fachlose entgegenstehen würden.
Tatsächlich sind dem Vermerk aber keine berücksichtigungsfähigen technischen Gründe zu entnehmen. Unter technischen Gründen sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.05.2022, Verg 33/21, Rn. 47; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11).
Sie müssen im Auftrag selbst begründet sein und damit im Zusammenhang stehen. Sie liegen vor, wenn bei getrennten Ausschreibungen das - nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbare - Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11).
Dies ist etwa der Fall, wenn für ein Bauwerk spezifische Bauteile oder eine besondere Abstimmung der Errichtungsschritte aufeinander erforderlich sind, die bereits während des Erstellungsprozesses besondere Maßnahmen aus einer Hand erfordern (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2008, Verg W 15/08).
Dem "Vermerk zur Gesamtvergabe" (dort Seite 8 unter d)) ist zu entnehmen, dass nach Ansicht der Antragsgegnerin eine Gesamtvergabe die Entstehung von Gefahrenlagen in Bezug auf die Verkehrs- und Arbeitssicherheit verringert, da die Ausführung der erforderlichen Leistungen fachlich und technisch überdurchschnittlich komplexen sowie miteinander verknüpften baubetrieblichen Prozessen unterliegen, die im Sinne der Bausicherheit bestmöglich von einem Gesamtauftragnehmer ausgeführt werden können.
Der Generalunternehmer könne durch seine Planung der Abläufe mit seinen Fachabteilungen und Nachunternehmern das komplexe Ineinandergreifen der einzelnen baulichen Schritte deutlich besser koordinieren als der öffentliche Auftraggeber die einzelnen Fachlose. Diese Ausführungen rechtfertigen die Feststellung technischer Gründe im Sinne der genannten Vorschrift nicht. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die hier in Rede stehende Fahrbahnerneuerung im Vergleich zu anderen Fahrbahnerneuerungen auf Bundesautobahnen, die nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin in 90 Prozent aller Fälle in Fachlosen vergeben werden, deutlich höhere Anforderungen an die baubetrieblichen Prozesse in fachlicher und technischer Hinsicht stellt.
Demzufolge kann nicht festgestellt werden, dass die Fahrbahnerneuerung auf der ein besonderes über das mit einem Baustellenbetrieb üblicherweise verbundene Gefahrenpotential verfügt, das es durch eine Gesamtlosvergabe zu verringern gilt.
(2) Wirtschaftliche Gründe
Die Antragsgegnerin macht für das Abweichen von dem Grundsatz der Losvergabe auch keine Gründe geltend, die als wirtschaftliche Gründe im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB anzuerkennen sind. Die Aufteilung in Teil- oder Fachlose soll nicht zu einer "unwirtschaftlichen Zersplitterung" führen, da ansonsten ein wesentliches Ziel des Vergaberechts, nämlich für ein sparsames und wirtschaftlich vernünftiges Nachfrageverhalten des Staates zu sorgen, beeinträchtigt werden würde.
Wirtschaftliche Gründe liegen daher vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Denn ein gewisses Maß an Aufwand, der sich auch als wirtschaftlich negativer Effekt darstellen lässt, wird vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Förderung mittelständischer Unternehmen in Verbindung mit dem aus einer Losvergabe resultierenden Koordinierungsaufwand und der Einbindung zusätzlicher personaler Ressourcen beim öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich in Kauf genommen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016, Verg 47/15, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 48).
Der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand sowie die Vermeidung von Gewährleistungsschnittstellen können eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen. Es handelt sich dabei um einen Losvergaben immanenten und damit typischerweise verbundenen Mehraufwand, der nach dem Gesetzeszweck in Kauf zu nehmen ist.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die mit einer Gesamtvergabe zu erzielende Bauzeitverkürzung als solche kein wirtschaftlicher Grund im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB. Erforderlich ist vielmehr, dass die Zeitersparnis kausal mit wirtschaftlichen Vorteilen für den öffentlichen Auftraggeber verbunden ist.
So hat der Senat eine Verzögerung des Gesamtvorhabens bei einer Losvergabe um mehr als 70 Werktage als wirtschaftlichen Grund gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB nur deshalb angesehen, weil sich die Arbeiten, wenn sie nicht in dem dafür vorgesehenen Zeitfenster durchgeführt werden, um mehrere Jahre verzögern und - mit Blick auf die fortlaufende Notwendigkeit des Austauschs von Betonplatten - Folgekosten in Millionenhöhe entstehen würden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 21).
(a) Ausweislich des "Vermerks zur Gesamtvergabe" (dort Seite 10 unter 2.) geht die Antragsgegnerin bei einer Gesamtvergabe (Variante 3) im Vergleich zu einer Fachlosbildung für die Leistungen Bau, Verkehrssicherung, Markierungen und Schutzeinrichtungen gemäß Variante 2 von einer Bauzeitenverkürzung von 21 Werktagen und damit von einer Bauzeit von vier Monaten aus (18.03.2024 bis 17.08.2024, bei der Datumsangabe "18.03.2024" dürfte es sich ausweislich eines Vergleichs mit der Baufensterangabe in der Ausschreibung um einen Schreibfehler handeln).
Hierdurch resultiere ein volkswirtschaftlicher Nutzen, der anhand standardisierter Nutzungsausfallkosten für Arbeitsstellen auf Autobahnen quantifiziert werden könne und vorliegend 123.900 Euro pro Tag mithin insgesamt 3,2 Mio.Euro betrage. Es steht bereits nicht zweifelsfrei fest, ob die Bauzeit bei einer Gesamtvergabe tatsächlich um 21 Werktage verkürzt wird. Wesentliche Ursache für die Verkürzung der Bauzeit ist nach den Ausführungen der Antragsgegnerin, dass durch eine überschneidende und teilweise parallele Nutzung des Baufelds durch die Fachgewerke (Schutzeinrichtung, Markierung, Verkehrssicherung) eine zusätzliche Beschleunigung erzielt werde, während bei der Variante 2 die genannten Fachgewerke nacheinander abgewickelt werden müssten.
Bei einer Gesamtvergabe ergäben sich folgende Synergieeffekt: Die Herstellung der Mittelstreifenüberfahrten (Fachlos Bau) und die Kampfmittelsondierung würden im Schatten des Verkehrssicherungsaufbaus laufen.
Die Aufstellung der Fahrzeugrückhaltsysteme (Fachlos Schutzeinrichtung) könne parallel laufen mit der Herstellung der Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen im Bereich der Anschlussstellen und der Herstellung der Fugen (beides jeweils Fachlos Bau).
Fahrzeugrückhaltesysteme und Weißmarkierung könnten zudem zeitlich überschneidend zum Deckschichteneinbau aufgestellt bzw. hergestellt werden. Warum bei einer Fachlosvergabe gemäß Variante 2 eine derartige überschneidende und teilweise parallele Nutzung des über sieben Kilometer langen Baufelds nicht Betracht kommt und alle Gewerke hintereinander abgewickelt werden müssen, erschließt sich dem Senat auch nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht.
In dem "Vermerk zur Gesamtvergabe" führt die Antragsgegnerin an anderer Stelle (dort Seite 4 unter a) zwar aus, Synergieeffekte/paralleles Arbeiten seien nur bei einer Gesamtvergabe möglich, weil der jeweilige Auftragnehmer der Fachlose Verkehrssicherung, Markierung und Schutzeinrichtung es voraussichtlich keinem anderen Fachlosunternehmen gestatten würde, sich zeitgleich auf seinem Baufeld aufzuhalten/dort zu arbeiten.
Diese Ausführungen überzeugen jedoch auch im Hinblick auf den entgegenstehenden Sachvortrag der Antragstellerin nicht. Die Antragstellerin ist dem Vortrag der Antragsgegnerin substantiiert entgegengetreten und hat auf die Ausschreibungspraxis bei mehreren parallelen, ähnlich gelagerten Vorhaben Bezug genommen.
Danach verfährt der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen seit Jahren so, dass er die Baulaufkoordinierung dem Hauptauftragnehmer, regelmäßig dem Bauunternehmer, als eigenständige und vergütungsfähige Leistung überträgt und zugleich in den Vergabeunterlagen des Bauloses sowie der Fachlose eine wechselseitige Koordinierungspflicht festschreibt.
Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten, wozu sie als darlegungsbelastete Partei jedoch verpflichtet ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hierzu befragt teilte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin ohne weitere Begründung mit, es sei vertraglich nicht möglich, die einzelnen Auftragnehmer zu verpflichten, sich mit den Auftragsnehmern der anderen Fachlose zeitlich zu koordinieren und sich mit einer überschneidenden und teilweise parallelen Nutzung des Baufeldes einverstanden zu erklären.
Dies ist rechtlich nicht nachvollziehbar, zumal die rechtlichen Möglichkeiten der Antragsgegnerin nicht hinter denen eines Generalunternehmers zurückstehen und - so wie die Antragstellerin geltend macht - nichts dagegenspricht, die Baukoordinierung vertraglich auf den Hauptauftragnehmer zu übertragen. Letztlich kommt es vorliegend aber auch nicht darauf an, ob die Bauzeitenverkürzung 21 Werktage oder weniger beträgt.
Dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist nicht zu entnehmen, dass ihr als Auftraggeberin ein wirtschaftlicher Vorteil durch eine Bauzeitenverkürzung erwächst. Dass eine längere Bauzeit für sie mit höheren Kosten (welchen?) verbunden ist, macht die Antragsgegnerin nicht geltend. Sie beruft sich allein auf den volkwirtschaftlichen Nutzen einer Bauzeitenverkürzung, den sie anhand von standardisiert ermittelten Nutzungsausfallkosten berechnet.
Diese beinhalten die Kosten aus der Veränderung der Fahrzeiten im fließenden Verkehr, des überlastungsbedingten Fahrtzeitenverlusts, der (Un-)Zuverlässigkeit des Verkehrsablaufs, des Unfallgeschehens, des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoffbelastung. Ermittelt wird somit der Nachteil der Dritten durch die baustellenbedingte eingeschränkte Nutzung der Straße entsteht.
Bezogen auf einen höheren Kraftstoffverbrauch durch längere Fahrtzeiten handelt es sich um einen wirtschaftlichen Nachteil der Verkehrsteilnehmer, die den Baustellenbereich durchfahren oder weiträumig umfahren. Bezogen auf ggfls. verlorene Arbeitszeit treffen die wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitgeber bzw. das hiervon nachteilig betroffene Unternehmen.
Bei alledem handelt es sich aber nicht um einen wirtschaftlichen Nachteil des öffentlichen Auftraggebers, auf den es beim Vorliegen eines wirtschaftlichen Grundes gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB entscheidend ankommt, weil er - wie bereits ausgeführt - durch das Gebot der Losaufteilung nicht zu einer für ihn als Nachfrager unwirtschaftlichen Beschaffung verpflichtet werden soll.
Nachteilige Folgen für den Straßenzustand, die Verkehrsteilnehmer, die Umwelt und die Volkswirtschaft können allenfalls bei der Gewichtung des wirtschaftlichen Nachteils für den öffentlichen Auftraggeber berücksichtigt werden. Sie können nicht an die Stelle eines von § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB geforderten wirtschaftlichen Nachteils des öffentlichen Auftraggebers treten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28).
(b) Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, eine Fachlosvergabe gemäß Variante 2 des Vermerks zur Gesamtvergabe würde einen erhöhten zeitlichen Mehraufwand bedeuten, weil zunächst das Hauptlos Bau ausgeschrieben und bezuschlagt werden müsse, bevor wegen der dann erst feststehenden Bauzeit die übrigen Fachlose vergeben werden könnten, genügt auch dieses, erst im Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Vorbringen nicht den Anforderungen.
Die Antragsgegnerin hat keine Ausführungen dazu gemacht, welcher wirtschaftliche Nachteil für sie mit einer derartigen "gestaffelten Vergabe" verbunden ist. Dass mit der Erneuerung des in Rede stehende Autobahnabschnitts besonders schnell begonnen werden muss, anderenfalls die Gefahr wirtschaftlicher Nachteile für sie als öffentliche Auftraggeberin droht, hat sie nicht geltend gemacht.
(c) Soweit die Antragsgegnerin in ihrem "Vermerk zur Gesamtvergabe" (dort Seite 7 unter c)) auf die höhere Wirtschaftlichkeit der Beschaffung bei einer Gesamtvergabe durch die Dispositionsfreiheit des Generalunternehmers abstellt, stellt dieses pauschale Vorbringen keine tragfähige Entscheidungsgrundlage dar. Da ein Vergleich zwischen den Angebotspreisen bei einer Gesamtvergabe und den Vergleichspreisen im Fall einer Losvergabe offenbar nicht stattgefunden hat, können keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher Höhe mit Kosteneinsparungen bei einer Gesamtvergabe zu rechnen sind.
(3) Ohne dass es nach dem Vorstehenden noch darauf ankommt, ist vorliegend vergaberechtlich zu kritisieren, dass die Antragsgegnerin nach dem Inhalt ihres "Vermerks zur Gesamtvergabe" in der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorliegenden Fassung, eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange unter Berücksichtigung der für eine Fachlosevergabe sprechenden Gesichtspunkte nicht vorgenommen hat.
Der Vermerk enthält keinerlei Ausführungen zu den Gesichtspunkten, die für eine Fachlosvergabe sprechen. Er befasst sich ausschließlich mit den Gründen, die für eine Gesamtvergabe sprechen.
Demzufolge findet sich in der Dokumentation auch keine Abwägung der widerstreitenden Belange. Eine Heilung des aufgezeigten Dokumentationsmangels scheidet aus.
Eine nachträgliche Heilung ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 47 und vom 23. März 2011, VII-Verg 63/10).
Dies ist vorliegend indes nicht der Fall, da der Vermerk keinerlei Ausführungen zu der erforderlichen Abwägung enthält. Soweit die Antragsgegnerin ihren "Vermerk zur Gesamtvergabe" nach Schluss der mündlichen Verhandlung um eine Ziffer 4., Gesamtabwägung der Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen und den Interessen des Auftraggebers, ergänzt und mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23. Juli 2024 zur Gerichtsakte gereicht hat, haben die diesbezüglichen Erwägungen außer Betracht zu bleiben.
Nach § 175 Abs. 2 i. V. m. § 65 Abs. 1 Halbsatz 1 GWB entscheidet der Senat aufgrund mündlicher Verhandlung. In tatsächlicher Hinsicht berücksichtigungsfähig ist folglich nur, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war; der tatsächliche Inhalt nachgereichter Schriftsätze darf nicht verwertet werden (Karsten Schmidt in Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl. 2024, GWB § 65 Rn. 3; Johanns/Roesen, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, GWB § 65 Rn. 3). Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entsprechend §§ 156 Abs. 2 Nr. 1, 139 ZPO i.V.m. §§ 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB besteht nicht.
Die mündliche Verhandlung ist ordnungsgemäß geschlossen worden. Einen rechtlichen Hinweis entsprechend § 139 ZPO hat der Senat nicht erteilt, sondern die Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten lediglich erörtert. Ein Hinweis war auch nicht geboten, weil die Antragstellerin bereits in ihrer Beschwerdebegründung auf das Erfordernis einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine Gesamtvergabe sprechenden Gründe überwiegen müssten, und den insoweit unzureichenden Vermerk über die Gesamtvergabe hingewiesen hatte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3, Abs. 4, § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hat ihr Verfahrensziel erreicht (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14). Dabei sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstattungsfähig, da dessen Hinzuziehung im Verfahren vor der Vergabekammer in Anbetracht der dort aufgetretenen Schwierigkeiten notwendig war.
Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn. 34 und vom 15. Mai 2018, VII-Verg 58/17; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2. November 2017, 11 Verg 8/17).
Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06).
Vorliegend stellten sich schwierige Fragen zur Reichweite des Gebots der Fachlosbildung, deren Beantwortung von einem normalen Bieter wie der Antragstellerin nicht erwartet werden kann. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts, wobei vorliegend von der Schätzung der Antragstellerin für die Teilleistung auszugehen ist, deren gesonderte Vergabe als Fachlos sie begehrt.